Wie Duisburger Tiger wohnen werden
Nach dem chinesischen Kalender begann gestern (19.02.) das Jahr der Ziege. Für den Zoo Duisburg wird 2015 allerdings das Jahr des Tigers, denn dank der großzügigen Unterstützung von Evonik kann die über 50 Jahre alte Tigeranlage vergrößert und erneuert werden.
Dabei war die alte, 1962 eröffnete Anlage grundsätzlich keine schlechte Unterbringung für die gestreiften Großkatzen gewesen.
Gleichwohl, in den Anfangsjahren war die Fläche noch kahl und mit bis zu sechs Tieren nach heutigen Haltungserkenntnissen überbesetzt. Der umlaufende Wassergraben nahm im Verhältnis zur Landfläche mehr Platz in Anspruch, als er den Tieren Nutzen brachte, und erfreute am ehesten die Besucher, die dadurch von allen Seiten unverstellte Sicht auf die Tiger hatten. Die Tiere saßen dabei allerdings wie auf dem Präsentierteller.
Anpassung an neue Erkentnisse
Mit zunehmender Kenntnis in der Tierhaltung wurde die Zahl der Tiger mit den Jahren aber sukzessive reduziert. Zugleich ließ man die Anlage immer mehr zuwachsen, um den Tieren Rückzugsmöglichkeiten zu bieten, und stattete sie mit Kletter- und Beschäftigungsmöglichkeiten aus.
Zuletzt lebten hier der Tigerkater El-Roi und seine Tochter Ahimsa. Und in dieser Zusammenstellung zeigte sich auch das wesentlichste Problem der Anlage, die sich auch mit aller Anpassung nicht abstellen ließ: sie war für zwei Tiere letztendlich zu klein. Vater und Tochter sollten nicht zusammen im Gehege sein, die einzige Ausweichmöglichkeit bestand darin, die Tiere im Wechsel in den Nachtkäfigen und die kleine Gitterschleuse abzusperren. Auf Dauer konnte dies kein haltbarer Zustand sein.
Ahimsa zog 2014 zusammen mit dem Kölner Jungkater Jegor nach München. Ende Januar hat nun auch ihr Vater Duisburg in Richtung Emmen verlassen, um dort die Fertigstellung seines neuen Reviers abzuwarten.
Jedem sein Revier
In der Wildbahn leben Tiger als Einzelgänger. Die Tiere besetzen Reviere, in denen sie Beute, Unterschlupf und Wasserstellen finden. Dabei überschneidet sich das Revier eines Männchens oft mit denen mehrerer Weibchen. Der Kater duldet in seinem Territorium in der Regel keine anderen männlichen Tiere, die für ihn Konkurrenten bei der Fortpflanzung sind. Weibchen lassen die Nähe des Katers meist nur während der Fortpflanzungszeit zu.
Diesem natürlichen Sozialverhalten trägt der Zuschnitt der neuen Tigeranlage Rechnung. Das Außengehege ist zweigeteilt (A und B), so dass Männchen und Weibchen jeweils ihr eigenes Revier haben. Durch Verbindungstore können die Tiere einander Besuche abstatten, bei Bedarf aber auch getrennt werden.
Eine ungestörte Kinderstube
Tigerweibchen ziehen sie sich in geschützte Felshöhlen oder unter umgestürzte Baumstämme zurück, um ihren Nachwuchs zur Welt zu bringen. Hier verbringen die Jungen, die blind und hilflos geboren werden, geschützt die ersten Lebenswochen. In der neuen Tigeranlage stehen für die Mutter und ihre Jungtiere abgeschlossene Wurfboxen bereit.
Wenn die Jungen nach einigen Monaten beginnen, die Geburtshöhle zu verlassen und ihre Umgebung zu erkunden, sind sie vielen Gefahren ausgesetzt, nicht nur durch Raubtiere, sondern auch durch andere Tiger. Fremde Männchen, die das Revier durchstreifen, töten nicht selten die Kinder des Revierinhabers, um sich mit der Mutter zu paaren und ihre eigenen Gene weiterzugeben. Um diese Gefahr, die im Zoo unter Umständen auch durch den Zuchtkater drohen kann, auszuschließen, wird für die Mutter mit ihren Jungen ein eigenes Mutter-Kind-Gehege im Karree zwischen den bisherigen Abtrennkäfigen neu eingerichtet (C). Auch für die Besucher ist dieses Gehege nicht einsehbar. So können die kleinen Tiger ungestört ihre ersten Schritte in die Welt machen. Sind sie herangewachsen, können sie mit der Mutter im abgetrennten Teil des Außengeheges durch Trenngitter sicheren Kontakt mit ihrem Vater aufnehmen.
Hinter den Kulissen
Hin und wieder erfordert es die Pflege der großen Raubkatzen, die Tiere zeitweise auf begrenzterem Raum zu halten.
Ist ein Tier krank, zieht es sich auch in der Wildbahn in geschütztere Bereiche zurück. An der neuen Tigeranlage stehen hierfür die langjährig genutzten Abtrennkäfige zur Verfügung. (D) Anders als bisher werden diesen Käfigen für die Besucher zukünftig nicht mehr zugänglich sein, so dass die Tiere vor Publikum wie auch vor Artgenossen Ruhe haben. Zugleich haben Pfleger und Tierärzte den Patentien besser im Blick und können notwendige Behandlungen, z.B. Medikamentengabe per Blasrohr oder über das Futter, gezielt und kontrolliert vornehmen.
Und auch bei der Reinigung der Außenanlagen sollte die zeitgleiche Anwesenheit der Tiger tunlichst vermieden werden.
Ein Naturspielplatz für Tiger
Nicht nur die Größe eines Geheges ist wichtig, sondern auch die Einrichtung. Schließlich nutzt auch uns eine turnhallengroße Wohnung nichts, wenn nur ein Bett, ein Tisch und ein Stuhl darin stehen würden. Ein Tiger-Heim muss natürlich anders „möbliert“ sein.
Als Raubkatzen ziehen Tiger es vor, in Deckung zu bleiben, zugleich aber das, was in ihrer Umgebung geschieht, im Blick zu behalten - sehen, aber nicht gesehen werden. Aussichtspunkte auf erhöhtem Gelände, Felsen oder Baumstämmen ermöglichen den Überblick, dichtes Gebüsch sorgt für Privatsphäre und demonstriert zugleich die exzellente Tarnwirkung der Tigerstreifen.
Ein „unaufgeräumtes“ Gehege hat außerdem noch einen weiteren Effekt: Der Weg von A nach B ist mit Hindernissen versehen, die es für das Tier zu überwinden gilt, ein eingebauter Trimm-Dich-Pfad sozusagen. Als ausgesprochene Wasserratten unter den Katzen dürfen für Tiger großzügige Bademöglichkeiten außerdem ebenso wenig fehlen wie offenen Flächen zum Sonnenbaden.
Eine Entdeckungsreise für die Besucher
Anders als der Vorgänger wird die neue Tigeranlage nicht mehr von allen Seiten einsehbar sein. Dies trägt dem Bedürfnis der Tiere nach Rückzugsmöglichkeiten Rechnung, sie stehen nicht mehr von allen Seiten unter Beobachtung. Für die Besucher ergeben sich dadurch neue, abwechslungsreichere Beobachtungsmöglichkeiten, die sie zum Teil sogar näher an die Tiere heranbringen als zuvor. So ermöglicht zum Beispiel eine Panoramascheibe am Badebeckens, dass die Besucher dem Tiger beim Baden buchstäblich ins Auge blicken können, wenn er denn so nah heran kommt. (1) Einen Blick von oben über die Anlage bietet der Aussichtsturm (2), während in der unteren Etage die Tiger dem Besucher hinter Glasscheiben direkt gegenüber stehen. Auch beim weiteren Umwandern der Anlage geben Panoramascheiben immer wieder neue Perspektiven in das Revier der Tiger frei. Dazu informiert ein Tigerlehrpfad über Lebensweise, Bedrohung und Schutz der gestreiften Raubkatzen.
Autor:Daniela Breuer aus Duisburg |
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