Helios-Notaufnahme verhindert Schlimmeres
Wenn ein Kind eine Batterie verschluckt

Das Foto zeigt die Röntgenaufnahme der Speiseröhre des kleinen Patienten mit der deutlich sichtbaren Batterie.
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Ein anderthalbjähriger Junge verschluckt eine Knopfbatterie, seine Speiseröhre beginnt zu schmoren. Die Gefahr kommt durch den ausgelösten Stromfluss. Der Vater hat den richtigen Instinkt und bringt das Kind in die Notaufnahme der Hamborner Helios St. Johannes Klinik. Dort verhindert ein Notfalleingriff Schlimmeres, denn nicht die Batterie selbst ist das Problem, sondern das, was sie auslöst.
 
Es soll ein entspannter Besuch im Autohaus werden, doch nur wenige Stunden später liegt der anderthalbjährige Sohn auf der Kinderintensivstation. Er findet an der Verkaufstheke auf einem Schreibtisch des Autohauses eine Knopfbatterie aus einem Schlüssel, steckt sie blitzschnell in den Mund und schluckt. „Plötzlich fing er an zu weinen und ich brauchte einen Moment, bis ich verstand, was passiert war“, erzählt der Vater, der bei der Erinnerung immer noch eine Gänsehaut bekommt.

Der zweifache Vater sieht den Schlüssel und erinnerte sich, aus dem Augenwinkel noch etwas dort liegen gesehen zu haben. Sofort bricht ihm der Schweiß aus, sein Sohn weint immer lauter, fasst sich an den Hals und ist kaum mehr zu beruhigen. bricht den Besuch ab und fährt mit dem Kleinen in die Kindernotaufnahme in der Helios St. Johannes Klinik.

Knopfzelle steckt
irgendwo im Hals

„Ich dachte mir, dass die Batterie irgendwo in seinem Hals feststeckte und nur rausgeholt werden musste, ähnlich wie eine Münze. Dass es aber so schlimm wird, hätte ich im Leben nicht erwartet.“ Was der 36-Jährige, wie wohl die meisten Menschen, nicht weiß, ist, dass nicht unbedingt die Batterie selbst das große Problem ist, sondern ihre Wirkweise. Denn steckt die Knopfzelle im feuchten Gewebe der Speiseröhre fest, entsteht ein Stromfluss von sogenannten Hydroxidionen, also negativ aufgeladenen Ionen, die zu schweren Verbrennungen und Verätzungen führen können.

Auch bei dem Jungen. In der Kindernotaufnahme empfängt sie der diensthabende Arzt, lässt gleich Röntgenbilder anfertigen und hält Rücksprache mit Dr. Rüdiger Kardorff. Der 60-Jährige leitet die Sektion Kindergastroenterologie des Klinikums und ist Spezialist für alle Verdauungsorgane vom Hals abwärts. Sofort macht er sich auf den Weg in die Klinik. Für den Vater und seine mittlerweile hinzugekommene Frau beginnt eine emotionale Achterbahnfahrt.

Nach einem ersten Blick auf die Röntgenbilder sind sie zunächst erleichtert: „Man konnte die Batterie als leuchtend weißen Fleck gut erkennen, weit oben direkt unterhalb des Kiefers. Die bekommen sie bestimmt schnell raus und dann ist alles gut. Haben wir gedacht.“ Doch dann teilen ihnen die Ärzte mit, was das eigentliche Problem ist: der Stromfluss, der das Gewebe schon angegriffen hatte. „Und bei dem Kleinkind tickte die Uhr. Es galt zu verhindern, dass der Strom Löcher in die Speiseröhre und womöglich in die umgebenden Gewebe brannte“, erklärt Dr. Kardorff.

Große Schäden an
der Speiseröhre

Denn dann könnten Blutungen entstehen, im schlimmsten Fall sogar aus einer der großen Körperschlagadern, oder Bakterien zum Herzen, der Lunge oder den Blutgefäßen gelangen, die dort nichts zu suchen haben und eine tödliche Sepsis verursachen könnten. Das Team bereitet in Windeseile alles für einen Eingriff vor und schon wenige Minuten später schlummert der kleine Patient unter Narkose auf dem Tisch. Dr. Kardorff entfernt die Batterie problemlos und binnen weniger Augenblicke mit Hilfe eines Endoskops, doch die Schäden an der Speiseröhre sind immens, sie ist besonders im oberen Bereich stark geschwollen und Teile des Gewebes sind verbrannt.

Da zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicher zu beurteilen ist, wie tief die Schäden gehen oder ob noch Komplikationen auftreten, muss der Pädiater am nächsten Tag erneut spiegeln.  Deshalb versetzen die Ärzte den kleinen Jungen in ein künstliches Koma, um ihm zum einen die Aufregung und deine zweite Narkoseeinleitung zu ersparen und ihn zum anderen genauer überwachen zu können. Er bekommt zudem Medikamente, die der Schleimhautschwellung entgegenwirken und eine Infektion verhindern sollen.

Für die besorgten Eltern
begangen bange Stunden

Für seine Eltern beginnen bange Stunden, denn noch ist nicht ganz klar, wie stark die Speiseröhre beeinträchtigt ist und ob es Durchbrüche gibt. „Unseren Sohn im Koma an all den Schläuchen zu sehen, das war wirklich schlimm. Wenige Stunden vorher war noch alles in Ordnung und dann bricht einem plötzlich der Boden weg.“ Die Betroffenheit der Eltern ist groß. Auch wenn sie wissen, dass es nahezu unmöglich ist, Kleinkinder vor allem zu schützen, macht sich der Vater Vorwürfe, nicht besser aufgepasst zu haben.

Das werde er noch lange mit sich tragen, auch wenn man Glück im Unglück hatte. Denn nach dem zweiten Eingriff am nächsten Tag hat Dr. Kardorff gute Nachrichten. Die Speiseröhre des Jungen ist zwar innen stark geschädigt, außen aber intakt. Das heißt, keine Öffnungen Richtung Herz oder Lunge. Vier Tage muss der kleine Kämpfer im Anschluss noch zur Überwachung auf der Intensivstation bleiben, wird über eine Sonde ernährt, da er noch nicht gut schlucken kann. Aber der Anderthalbjährige erträgt an Mamas Seite alles mehr als tapfer und sein Zustand verbessert sich von Tag zu Tag.

Der Kleine hatte viel
Glück im Unglück

Nach dem Wechsel auf die Normalstation dauert es nicht lange, und die beiden können nach Hause entlassen werden. In den folgenden Wochen muss das Kind noch mehrmals zur Kontrolle in die Klinik, aber bisher verläuft alles gut. Und auch Dr. Kardorff ist optimistisch: „Im Moment sieht es so aus, dass wir wohl gerade noch rechtzeitig gekommen sind, um die ganz schweren Schäden zu verhindern. Man muss nur wissen, dass sich auch nach Wochen und sogar Monaten im Bereich so schwerer Schleimhautverletzungen manchmal noch Narbengewebe bildet, das beim Schlucken hinderlich sein kann.“

Bei manchen Betroffenen ist das dann so ausgeprägt, dass weitere operative Eingriffe notwendig sind, um die Speiseröhre aufzudehnen. Der Arzt vermutet allerdings, dass dem Kleinen erspart bleibt.

Autor:

Reiner Terhorst aus Duisburg

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