Gedenken an die deportierten jüdischen Kinder und ein Blick ins jüdische Leben Duisburgs
Momente der Stille und des Schweigens
Es regnete. Der Wind pfiff auf die Brücke der A 59 am Harry-Epstein-Platz. Trotzdem war jetzt knapp 50 Menschen gekommen, um am dortigen Mahnmal der 130 jüdischen Kinder zu gedenken, die zwischen 1938 und 1945 vom Duisburger Hauptbahnhof aus in die Konzentrationslager deportiert wurden.
Christen und Juden waren gemeinsam unterwegs, um zu klagen, zu mahnen und zugleich in eine Zukunft des menschlichen Miteinander zu schauen. Eingeladen hatten der Evangelische Kirchenkreis Duisburg, die Katholische Stadtkirche und die Jüdische Gemeinde Duisburg. Von tiefer Trauer, Unverständnis, Entsetzen und Scham aufgrund der schrecklichen Ereignisse in der Naziherrschaft den Blick auf das moderne jüdische Leben zu richten, war am vom selbst anwesenden Künstler Gerhard Losemann gestalteten Mahnmal nicht so einfach.
Zum Teil ergreifende, zumindest aber bewegende und nachdenkliche Worte erfuhren durch die untermalende „Klage-Musik“ des Geigers Igor Epstein noch eine emotionale Steigerung. Pfarrerin Ute Sawatzki ordnete die Gedenkfeier im Rahmen des Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ als „doppelte Erinnerung an bitteren Tod und blühendes Leben“ ein.
„Es ist unmöglich, in Deutschland über jüdisches Leben zu sprechen, ohne die Katastrophe der Shoa zu erwähnen“, mahnte sie. Deshalb sei das Mahnmal für die deportierten jüdischen Kinder dieser Stadt genau der richtige Ort, um aus der Geschichte für die Zukunft zu lernen.
Dankbar für jüdisches
Leben in der Stadt
Rabbiner David Geballe von der jüdischen Gemeinde, Stadtdechant Roland Winkelmann für die katholische und Superintendent Dr. Christoph Urban für die evangelische Kirche, sprachen Gebete und Psalmen. Israelkennerin Sawatzki machte zudem deutlich: „Erinnerung muss sein, aber es wäre nicht richtig, dabei stehen zu bleiben. Es gab jüdisches Leben in unserer Stadt vor der Shoa, und vor allem gibt es wieder blühendes jüdisches Leben nach der Shoa.“
Vom Mahnmal aus ging es schweigend vor das jüdische Zentrum und die Synagoge am Innenhafen. Dort unterstrich Oberbürgermeister Sören Link die Einschätzung von Ute Sawatzki. „Ich bin dankbar für die Entwicklung jüdischen Lebens, das für alle sichtbar wieder einen festen Platz in Duisburg gefunden hat“, sagte er.“ Als Beispiele nannte er etwa den jüdischen Kindergarten und die eigene Begräbnisstätte der Gemeinde. Das sei ein sichtbare Zeichen, dass die Kultur der Erinnerung die Kultur der Zukunft präge.
Menschen hätten es in der Hand, die Zukunft im friedlichen Miteinander der Religionen zu gestalten, meinte Alexander Drehmann, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde. Für ihn war, ist und bleibt es ein Wunder, dass es nach der Shoa in Deutschland ein jüdisches Leben überhaupt wieder gibt. „Und unsere Gemeinde wächst“, sagte Drehmann, „denn wir haben inzwischen zweieinhalbtausend Mitglieder und fühlen uns Teil der Stadtgesellschaft.“
Kleine Schritte
zum großen Ganzen
Auch für Superintendent Dr. Christoph Urban ist der Dialog zwischen den Religionen unabdingbar. „Miteinander sprechen, leben und arbeiten, heißt einander nahekommen und verstehen“, ist er überzeugt. Und genau für diesen anhaltenden Dialog zwischen den Religionen machte sich einmal mehr auch die muslimische Religionspädagogin, Islamwissenschaftlerin und Publizistin Lamya Kaddor stark. Sie hat ihre Kinder im jüdischen Kindergarten und ist oft erstaunt, welche große Toleranz dort gelebt und gelehrt wird. Kleine Schritte führten halt oft zum großen Ganzen.
Autor:Reiner Terhorst aus Duisburg |
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