Hochsommer im März - Winterlaufserie in Duisburg

Achtung: Eisbär Voraus!
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Allein gegen die Glut - 10 Kilometer durch die Hölle ;-)

Das sind die Tage für die man einfach dankbar ist. Ein strahlend blauer Himmel, nach dem die Cote d' azur benannt worden ist, regt Sinne an, öffnet Herz und Tür.

Nach einem langen grauen und teilweise saumäßig kalten Winter kann weder Natur noch Mensch das Glück der zurückkehrenden Wärme fassen.

Endlich kann man die kurzen Sachen herausholen und sich den lauschigen Wind um die Nase wehen lassen. Im Liegestuhl und im Biergarten lässt sich das Leben genießen wie lange nicht mehr.

Das ist ja auch allen gegönnt, gut und schön. Aaaber: für eine bestimmte Sache ist dieser Wettertraum so passend wie ein Hagelsturm bei der Grillparty.

Ein Langstreckenlauf beispielsweise ist genau das, was man nun tunlichst sein lassen sollte. Wenn ich doch nur die Wahl gehabt hätte.
Seit 2003 trete ich alljährlich bei der sogenannten „Winterlaufserie des ASV Duisburg" an. Ein Laufevent von von beinahe olympischem Format.
Ihren Namen trägt sie stolz und absolut zu recht. „Lauf trotz Frost" wäre ein sonst passendes Motto. Manche der Veranstaltungen zwischen Ende Januar und Anfang April startete bei nur knapp über 0 Grad.

Von der Trainingsvorbereitung mal ganz zu schweigen. Wintertraining hat etwas sehr Spezielles. Zumeist geht es über halbdunkle Laufstrecken, bei Nieselregen, Frost, Eis und Schnee - das oberste Prinzip lautet: Ausreden gibt es nicht, niemals.

Unglaublich aber wahr: obwohl in der trüben, grauen, wettertechnische einfach ekelhaften Jahreszeit gegen den allgegenwärtigen Schweinehund angeschwitzt und gerannt wird senkt gerade diese oft mitleidig belächelte Tätigkeit das Risiko, sich eine Erkältung einzufangen.

Seit mehr als 9 Jahren bleibe ich davon verschont, was bei der saisonbedingten Vireninvasion an ein Wunder grenzt.
Frische Luft und Bewegung, mit diesem alten Klischee von Hausmittel rette ich mich also über die dunkle Jahreszeit.

Und nun kommt es plötzlich ganz gegen jede Chance so: Kurz vor dem Start stehe ich in der knallenden Sonne und rätsele, wie ich das denn bitte schön durchstehen soll.
10.000 schattenlose Meter liegen vor mir, die ich doch endlich mal wieder in einer akzeptablen Zeit, möglichst unter 50 Minuten, hinter mich bringen wollte.

Zeit soll relativ sein, sagte mal ein angeblich ach so schlauer Mensch? Der ist sicher nie durch diese Hitze gerannt.
Dennoch geht es mit über 4000 Gleichgesinnten daran allen Widrigkeiten zu trotzen und am eisschleckenden Publikum vorbei aus den Startblöcken zu schießen.

Die Balance zwischen Genuss des großen Lauferlebnisses und dem roten Pulsbereich ist schwierig zu finden. Training ist das Eine, aber auch weit unterhalb olympischer Wettkämpfe werden Leistungen oberhalb des tatsächlichen physischen Potentials aus demselben gewrungen, warum auch immer.
Es ist der „Jetzt.oder-nie!"-Instinkt, der irgendwo tief in den DNAs versteckt liegt und nun seinen großen Auftritt feiert.

„Nimm nen Schritt raus" tönt das interne Alarmsystem ab Kilometer 4, „du willst das auch irgendwie lebendig nach Hause bringen", wird aber chancenlos niedergebrüllt vom „Gib Alles, du Schlappsack!" einer anderen inneren Stimme unbekannter Herkunft.

So schleppt man sich also zwischen der gefühlten Schallgeschwindigkeit und vom ungeübt-neutralen Beobachter subjektiv-verzerrt als solchem wahrgenommenen Trimm-Trab durch den schönsten Sportpark der Welt.
Weder der Weg noch die Linie mit der Zeitmessung verdienen die Bezeichnung Ziel. Vielmehr lockt die Chance der maximal erreichbaren Verausgabung, trotz aller schmerzenden Warnsignale zwischen Großhirnrinde und Blutblase der linken Verse.
Trotz maximaler Konzentration sehe ich neben all der wuselnden Athletik das Kilometerschild 7 und bin schockiert: so weit noch?
Welcher Teufel hält mich davon ab in den Spaziermodus zu wechseln, oder besser gleich mal eine der unendlich verlockenden Bänke des Stadtwaldes zu probieren?
Obwohl unsichtbar ist er gnadenlos.

Nach all den langen und kalten Trainingskilometern wird jetzt abgerechnet. Heute ist Zahltag. Spazieren ist morgen.
Nichts außer der Suche übrig als tief in mir nach irgendeiner versteckten Reserve zu stöbern. Da muss noch was drin sein. Einfach weiter japsen, traben, die steinverhärtete Muskulatur ignorieren. Weiter, immer weiter, in ein paar Minuten ist es ... Wieviele genau? Und Sekunden?
Da vorne muss ich links abbiegen, dabei geht's recht in Richtung Ziel. Wie gerne würde ich da abkürzen, der Spitzengruppe hinterher traben.

Das kann nicht sein: Läufer der gehobenen Klasse wirken nie bis kaum angestrengt. Leicht und locker kommen mir entspannte Menschen entgegen, die schon bald auf die Zielgeraden einbiegen. Schwitzen die gar nicht?

Der anwesende Europameister Jan Fitschen weilt gerade zu einer Stippvisite aus Kenia. Am Ende wird er runde 22 Minuten Vorsprung ins Ziel retten. Für 20 Stunden Hin- und Herflug ist das etwas mager, nach einem 6-wöchigen Trainingslager.

Das Ziel rückt näher. Tapfere Zuschauer wenden nicht nur ihre Blicke nicht von den kochenden Läufern NICHT ab, sondern klatschen auch noch die längst verbrauchten Reserven aus den Tiefen der Ausdauer auf die Bahn.
Auf letzten Metern reichen die Empfindungen von: „Wann ist endlich Schluss? - Nie wieder!", bis zu: „Wie schön, hier wollte ich seit Monaten hin, geschafft, gleich, aaaaaaah"

Ab dem Moment des Zieldurchlaufs fallen alle Lasten ab, hier und jetzt beginnen Erholung, Regeneration, Schmerzabbau.
Die Wiederannäherung zum Normalzustand, dem üblich-alltäglichen Wohlbefinden, ist der pure Genuss.

Dennoch darf die Frage erlaubt sein: muss ich das nochmal haben?

Man könnte es ja auch mal gemächlich angehen, nicht nur bei gefühlten Hitzerekorden.

Nein.

Autor:

Peter Neppl aus Duisburg

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