Intensiv-Pfleger Neil Craigie erlebt jeden Tag Leid und Elend der Pandemie
Corona hinterlässt seine Spuren

Die Arbeit auf den Intensivstationen ist extremer geworden. Geräte helfen, doch der Mensch steht gerade in der Corona-Pandemie noch stärker im Mittelpunkt. Darüber berichtet Neil Craigie, stellvertretender Stationsleiter „Innere Intensiv“ in der Helios St. Johannes Klinik.
Fotos: Reiner Terhorst
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  • Die Arbeit auf den Intensivstationen ist extremer geworden. Geräte helfen, doch der Mensch steht gerade in der Corona-Pandemie noch stärker im Mittelpunkt. Darüber berichtet Neil Craigie, stellvertretender Stationsleiter „Innere Intensiv“ in der Helios St. Johannes Klinik.
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„Wir müssen alles dafür tun, um das Virus zu besiegen. Das hat auch etwas mit Verantwortung für sich selbst und andere Menschen zu tun.“ Neil Craigie sagt das sehr bestimmt und deutlich. Der 43-jährige stellvertretende Stationsleiter „Innere Intensiv“ in der Helios St. Johannes Klinik in Hamborn kommt gerade von seiner eigenen Impfung im Haus zum Gespräch mit dem Wochen-Anzeiger.

Für ihn und zahlreiche seiner Kolleginnen und Kollegen war es klar, dass man sich impfen lasse, Man könne dadurch sich und andere schützen, denn was Corona bewirkt, anrichtet und hinterlässt, wird er nachher wieder hautnah erleben, wenn er seinen Nachtdienst auf der Corona-Intensivstation antritt.

„Normal“ sei die Arbeit auf einer Intensivstation ja ohnehin nicht, aber durch die Corona-Pandemie sei sie extremer geworden, ja belastender. Physisch und auch psychisch hinterlasse das Spuren auch beim Pflegepersonal. Maximal zwei Corona-Patienten auf der Intensivstation sind in einem Zimmer untergebracht. Und jede Pflegerin, jeder Pfleger kümmert sich in der Regel um bis zu drei Patienten. Im Klartext heiße das, beim Betreten des Zimmers Schutzkleidung und Handschuhe anziehen, Maske und Visier aufsetzen, kurz überlegen, ob man nichts vergessen hat. Beim Wechsel des Zimmers geht das Ganze dann von vorne los.

„Manchmal“, so berichtet Craigie, „sind wir ja auch über einen längeren Zeitraum beim Patienten, und da geht die Arbeit in Schutzkleidung und Maske schon mal an die eigene Substanz und macht einen im wahren Sinn des Wortes atemlos.“ Neben der körperlichen Belastung kommt auch die psychische und emotionale Seite hinzu. „Es geht nicht spurlos an einem vorbei, wenn man sieht, wie sich bei einem Patienten der Zustand verschlechtert, wie die Kraft schwindet.“ Es gibt verschiedene Beatmungsmodelle, Unterstützung durch die hochmoderne Geräte, aber immer sind es Menschen, die sie bedienen, alles kontrollieren und im Blick haben.

Kontakte stark
eingeschränkt

Oftmals seien die Pfleger gerade im Lockdown die einzigen Bezugspersonen der schwerkranken Intensivpatienten. „Bei denen, die ansprechbar sind, muntert schon mal ein flotter Spruch auf, gibt Mut und vielleicht auch ein wenig innere Kraft“, bemerkt Craigie. Denn der Kontakt zu den Angehörigen, der den Patienten sonst viel Kraft gibt sei halt stark eingeschränkt.

Bei ihm kommt auch etwas Empörung, zumindest Unverständnis auf. „Die Maskenverweigerer, Impfgegner oder Corona-Leugner sollten sich mal bei uns auf der Intensiv-Station umsehen, da wüssten sie, wie die Wirklichkeit aussieht, welches Elend Corona hervorruft bis hin zum Tod.“ Auch sein Team belastet die Pandemie über das normale Maß hinaus. Es fehle zudem der persönliche Austausch unter den Kollegen. Selbst in den Pausen könne man sich ja nicht mehr mit den Kollegen zusammensetzen, um sich auszutauschen, zu beratschlagen, Tipps einzuholen oder sich gegenseitig aufzumuntern. „Zum Glück, so der Leitendende Intensivpfleger, „gibt es hier im Haus einen gut aufgestellten psychologischen Dienst, den einige Kollegen in Anspruch nehmen, um zu reden, Luft abzulassen, innere Rückendeckung und Stärkung zu bekommen.“

Er selbst findet Rückendeckung und Stärkung bei seiner Familie. Man kann die Erlebnisse auf der Corona-Intensivstation nicht einfach an der Krankenhaus-Pforte ablegen. Ja, seine Familie sei durchaus mit betroffen. „Wenn ich nach Hause komme, bin ich oft so geschlaucht, dass ich mich dann erst einmal aufs Ohr legen muss. Meine Frau sagt unseren beiden schulpflichtigen Kindern dann, dass sie den Papa erst einmal in Ruhe lassen sollen.“ Das trage zwar nicht unbedingt zur kindlichen Begeisterung bei, aber Corona habe eben auch das Umfeld fest im Griff. Doch gebe es ja auch Tage, da hat Papa frei und bringt sich dann auch schon mal beim Home-Schooling mit ein.

Verantwortung
und Wertschätzung

Neil Craigie kommt noch einmal auf seinen Beruf zu sprechen. Wie das da abläuft, hat er schon früh mitbekommen, denn seine Mutter war selbst Krankenschwester auf der Intensivstation. Seine Ausbildung hat er genau dort absolviert, wo er heute in leitender Funktion Dienst am Menschen und mit Menschen ausübt. Nach der Bundeswehrzeit im Sanitätsbereich und einer kurzen Zeit im Marien-Hospital ist er an seine Ausbildungsstätte zurückgekommen, wo er sich stets und ständig weiter qualifiziert hat. Er geht in seinem Beruf auf, trägt heute Verantwortung, war, ist und bleibt zugleich aber „Team-Player“, denn das Miteinander ist ihm wichtig.

Genau das habe sich den anspruchsvollen Zeiten der Corona-Pandemie noch verstärkt. „Wir sind für einander da, unterstützen uns und helfen uns gegenseitig. Das erleichtert die Arbeit. Das hat auch etwas mit Wertschätzung zu tun“, sagt er. Und die wünscht er sich auch in der Gesellschaft. Er fügt sofort wieder das Wort Verantwortung hinzu. Jeder könne schließlich selbst dazu beitragen, durch entsprechendes Verhalten die Pandemie in Griff zu bekommen. Und genau das wünschen sich Craigie und seine Kollegen von Herzen, denn sie erleben täglich das Corona-bedingte Leid und Elend.

Autor:

Reiner Terhorst aus Duisburg

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