Die Predigt zum Mitnehmen gibt es auch nach Corona
Bunte Zuversicht und Hoffnung
„Ich nehme die Predigt mit, und sie nimmt mich mit. Zeile für Zeile.“ René Haßmann hält ein paar zusammengeheftete Papierseiten hoch. Sofort fällt ein buntes Bild ins Auge. Der Mitt-Sechziger blickt darauf und sagt: „Das animiert doch direkt, den Text darunter zu lesen.“ Er freut sich richtig auf die neue „Predigt zum Mitnehmen“, die er nach einem kurzen Gespräch mit Pfarrerin Esther Immer auf sein Zimmer mitnehmen wird.
Nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt, lebt Haßmann seit einem Jahrzehnt im Werner Brölsch-Haus des Evangelischen Christophoruswerkes und ist auf dauerhafte Pflege und Unterstützung angewiesen. Und die bekommt er hier. Corona hat es aber nicht einfacher gemacht, den Tag einigermaßen ausgefüllt und sinnvoll über die Runden zu bekommen. Besuche, Kontakte und Gespräche waren merklich eingeschränkt.
Das galt und gilt natürlich auch für die Menschen, die nicht in einer Pflegeeinrichtung leben. Viele Bereiche des gewohnten Miteinander waren und sind betroffen. Auch Präsenzgottesdienste in den Kirchen konnten nicht stattfinden. Die Gottesdienste im großen Saal des Jochen Klepper-Hauses im Christophoruswerk mussten ebenfalls ausgesetzt werden. Hier sind die pflegebedürftigen Menschen allerdings nicht so zahlreich mit Internet-Alternativen vertraut. Also wurde die Predigt zum Mitnehmen auf den Weg gebracht.
Für Pfarrerin Esther Immer, die evangelische Altenseelsorgerin im Christophoruswerk, und ihren katholischen Kollegen Diakon Martin Walter, war das eine Möglichkeit, ihre sonntäglichen Botschaften an den Mann oder an die Frau zu bringen. Die Resonanz der Bewohner war groß. Esther Immer bekam Anrufe, unter ihre Bürotür wurden Zettel geschoben. Wenn man sich mal auf dem Gang begegnete, wurde nicht selten gefragt, ob es denn am nächsten Sonntag wieder die Predigt zum Mitnehmen gebe.
Gern gelesener
Teil des Alltags
Wer sie sich nicht selbst nicht abholen konnte, dem wurde sie halt auf das Zimmer gebracht. Die Alltagsbegleiter im Haus haben sie auch oft Bewohnern vorgelesen. Auch von denen bekam die Pfarrerin eine Rückmeldung. „Das war aber diesmal ein langer Text“, war eine Reaktion. Aber auch Worte wie „Das tat ja richtig gut“ waren zu hören. Esther Immer hat sich mal mit dem für den entsprechenden Sonntag vorgeschlagenen Predigttext auseinandergesetzt, aber auch eigene Gedanken und Ereignisse „verarbeitet“. Anfangs gab es nur einen Text, dann kam ein Foto hinzu. Zuerst alles schwarz-weiß, dann farbig. „Bei allen tristen und dunklen Momenten ist das Leben ja bunt“, sagt René Haßmann.
Die Predigt zum Mitnehmen ist inzwischen sogar ein Teil seines Alltags im Christophoruswerk geworden. Er heftet sie sorgfältig ab. „Wenn ich die neue Predigt Es meinen Sammelordner packe, blättere ich stets in den früheren rum. Dann fällt mir etwas auf, was ich vorher gar nicht so auf dem Schirm hatte. Das alles hält mich geistig fit, denn ich setze mich mit den Texten wirklich auseinander, denke nach, frage nach. Sie ermuntern mich oft, geben mir Kraft und Zuversicht.“
Der auf den Rollstuhl Angewiesene beklagt sich nicht, er hadert nicht mit seinem Schicksal. Plötzlich blickt er wieder zu Esther Immer und sagt: „Jesus hat doch noch viel Schlimmeres durchgemacht.“ Haßmann selbst war vor seiner Erkrankung kirchlich engagiert. In Büderich, wo er aufgewachsen ist, war er Kindergottesdiensthelfer und machte im Posaunenchor mit. Als er nach Duisburg zog, hat er sich als Lektor betätigt, sang im Kirchen- und im Gospelchor.
Anregungen
und Impulse
Kirche hatte im stets viel bedeutet. Den Predigten hatte er meistens aufmerksam zugehört, aber vielfach sind sie ihm nicht im Gedächtnis geblieben. Da hilft ihm die Predigt zum Mitnehmen öfter mal auf die Sprüngen. „Längst hat die Predigt zum Mitnehmen weite Kreise gezogen“, freut sich Ester immer. Schon frühzeitig in der Pandemie hatte die Evangelische Kirchengemeinde Obermeiderich, auf deren Gebiet das Christophoruswerk liegt, mit Video-Botschaften oder Online-Gottesdiensten den Kontakt zu den Menschen gehalten. Eine weitere Möglichkeit wurde die Predigt zum Mitnehmen. So stießen die Obermeidericher Pfarrerin Sarah Süselbeck und die dortige Diakonin Gisela Rastfeld schnell zum Team. Die Gemeinde Meiderich ist inzwischen ebenfalls mit von der Partie.
Alle Beteiligten sind sich einig, dass es die Predigt zum Mitnehmen auch nach Corona geben soll und wird. Sie hat sich bewährt und wird viele Anregungen und Impulse bewahren. „Das ist schön“, bedankt sich René Haßmann abschließend. Und Pfarrerin Esther Immer lächelt.
Autor:Reiner Terhorst aus Duisburg |
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