Ruhrtriennale 2015 # Duisburg, Die Schöpfung - Konzert und Installation
In der einzigartigen (und leider auch einzigen) Aufführung verschmelzen barocke Musik von Haydn und das bewegte Szenenbild (Filmsequenzen) von Julian Rosefeldt und schaffen so eine ganz aktuelle Reflexion über ein ökologisches Problem.
Ausgehend von der jüdisch-christlichen Schöpfungsgeschichte schrieb Gottfried von Swieten das Libretto. Joseph Haydn schuf vom Herbst 1796 bis Anfang 1798 die grandiose Musik zum Oratorium. Als Ablösung von der italienischen Tradition sollte erstmals ein volkssprachiges deutsches Oratorium geschaffen werden.
In der "Schöpfung" gibt es keine dramatische Handlung, sondern mehr Schilderungen des Naturgeschehens, die Identifikationsfiguren Adam und Eva treten erst im späteren Verlauf auf.
Eine große Instrumental-Besetzung hielt Haydn für unabdingbar. Passgenau zu den von Solisten und Chor vorgetragenen Liedtexten bebilderte Haydns Musik das Geschehen.
Das Licht kommt in die Welt - dargestellt durch Fortissimo des vollen Orchesters. Tonmalereien imitieren rollenden Donner oder flockenleichten Schnee. Herrlich auch der instrumentarisch hingetupfte Sonnenaufgang mit aufsteigenden Stimmbewegungen. Innerhalb von zehn Takten entfaltet sich aus einem einzelnen Ton der volle Akkord des ganzen Orchesters.
Bei der Aufführung in der Kraftzentrale des Landschaftspark Duisburg-Nord, die über eine Akustik wie ein Konzertsaal verfügt, glänzten als Solisten Sophie Karthäuser (Sopran), Maximilian Schmitt (Tenor) und Johannes Weisser (Bass). Das Collegium Vocale Gent (Chor) ist darauf spezialisiert, der Barockmusik einen authentischen, textgerichteten und durchsichtigen Klang zu verleihen.
Das B'Rock Orchestra gründete sich 2005 aus dem Bedürfnis einer Verjüngung der barocken Musik und lieferte in der Tat einen höchst differenzierten Klangraum.
Das bewegte Bühnenbild von Julian Rosenfeldt widersteht der Versuchung, den Text über die Musik hinaus bildlich darzustellen. Die von einer Kameradrohne gelieferten Filmbilder sind wie das von oben herab schauende Auge Gottes auf sein vollendetes Werk. Und bei dem was wir da sehen stellt sich die Frage, ob nach "Es werde Licht!" der Auftrag, sich die Erde untertan zu machen richtig erfüllt wurde.
Sandige Wüste, ausgetrocknete Bachläufe, schroffe Felsen, kümmerliche Gräser in aufgebrochenem Boden.
Der Zuschauer kann sich nicht entscheiden, ob so die Welt entstand, oder ob sie so nach dem Untergang aussehen wird.
Ganz in weiße Schutzanzüge gehüllte Menschen besichtigen die Landschaft wie Touristen aus fernen Galaxien, Überlebende, die nach dem Untergang die alten Stätten besichtigen kommen.
Surreal wirken die verlassenen Filmkulissen in der marokkanischen Wüstenlandschaft - Tempel die vielleicht im Bau oder im Verfall sind, nur noch von einem Hunderudel bewohnt. Schaurig schön klingt dazu die Sopranstimme von Sophie Karthäuser "... seid fruchtbar und mehret euch ...".
Gespenstig beklemmend wirken Musik, Text und Bilder zusammen.
Musikalisch verkörpern Adam und Eva ein Humanitätsideal, das von Begriffen wie Würde, Hoheit, Schönheit, Stärke, Mut und Weisheit durchdrungen ist.
Antithetisch dazu die Bilder von Rosefeldt, die (Grabes-) Ruhe ausstrahlen. Die öde Welt wird von riesigen Maschinen dominiert, schichtweise freigelegte Erdformationen entzaubern den Bauplan. Fremd gewordene Menschen beklettern riesige lebensfeindliche Röhrenbauten. Zurückschauen aus der Zukunft auf die Industriedenkmäler der alten Menschheit.
Schließlich gehen die Filmmenschen in meditativer Kamerafahrt in das Amphitheater auf der Bottroper Halde Haniel. Sie formen einen Innenkreis, laufen auseinander, kommen wieder zusammen - die Pupille im Aufge Gottes öffnet sich, schließt sich, öffnet sich wieder ...
Der Dank des Menschen für die Schöpfung, ... "Lob und Preis auf ewiglich" ...? Danach sieht es in den Filmbildern wirklich nicht aus. Ist die menschliche Erhabenheit wirklich nur eine Utopie?
Das Konzertpublikum in der vollbesetzten Halle war von der Inszenierung begeistert und dankte stehend mit mindestens 10 minütigem Applaus.
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Das bewegte Szenenbild zum Konzert ist weiterhin unter dem Titel „In the Land of Drought“ als Installation im Landschaftspark Duisburg-Nord, Schalthaus Ost, zu sehen.
Die Installation entstand auf der Grundlage der Filmbilder, die Julian Rosefeldt für das Konzert von Joseph Haydns „Die Schöpfung“ eingefangen hat. Rosefeldt suchte dafür dezidiert Szenerien, in denen das sogenannte „Anthropozän“ Ausdruck findet: Das Zeitalter also, in dem die Erde als eine von Menschen gemachte erscheint. In meditativen Kamerafahrten folgt der Berliner Filmkünstler den Fluchtlinien einer globalisierten Welt und dekonstruiert das Verhältnis von Mensch und Umwelt, von Kultur und Natur. Der Filmloop tritt in direkten Dialog zur industriellen Umgebung des Landschaftspark Duisburg-Nord.
In the Land of Drought
Filminstallation von Julian Rosefeldt
Termine: 28.08. bis 26.09. 2015, täglich 13.00 bis 21.00 Uhr bei freiem Eintritt
Spielstätte: Schalthaus Ost, Landschaftspark Duisburg-Nord
Autor:Dorothea Weissbach aus Oberhausen |
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