„Macht hoch Tor 1“ – 6. Barbarafeier in alter Werkshalle war wiederum ein festliches Erlebnis

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Wie in jedem Jahr brachte der 2. Adventsonntag wieder fast 1000 Menschen in der Halle des früheren Elektrobetriebes der Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) in Duisburg Hüttenheim zum ökumenischen Gottesdienst zu Ehren der Schutzpatronin u.a. der Bergleute und Hüttenwerker zusammen. Erneut hatte die Firma ihr Werkstor 1 für „alle“ geöffnet.

Im großen Eingangszelt steht eine beeindruckende Skulptur, ein trinationales Projekt, das unter Anleitung des Künstlers Rüdiger Eichholtz von den Auszubildenden von HKM gemeinsam mit Azubis aus den Duisburger Partnerstädten Perm und Portsmouth erstellt wurde. (siehe: http://www.hkm.de/download/wirbeihkm-201003.pdf)

Hier findet man auch Verkaufsstände der „Ökumenischen Schulmaterialkammer Süd“, der auch die Kollekte des Gottesdienstes zufloss, der „Duisburger Werkstatt für Menschen mit Behinderung“, die Buchhandlung „Was ihr wollt“ die u.a. das Jubiläumsbuch zum 100 jährigen der Hütte, sowie der Auszubildenden der Hütte, die wieder handsignierte Poster und selbst gefertigte Eisenkreuze, Windlichter und Fische zum Verkauf anbieten und den Glühweinausschank der werkseigenen Hüttenschenke.

Neben Kollegen der Hütte und den Menschen aus den umliegenden Stadtteilen sind auch Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Gewerkschaften erschienen, darunter auch Gisela Walsken, Regierungspräsidentin von Köln, wohnhaft im Duisburger Süden. Neben den beiden christlichen Kirchen war auch die muslimische Gemeinde aus Hüttenheim vertreten.

Die Predigt in diesem Jahr hielt der Bischof von Essen, Dr. Franz-Josef Overbeck, den der Arbeitsdirektor der Hütte Peter Gasse persönlich begrüßte. Zu den weiteren Geistlichen, die an der Gestaltung des Gottesdienstes beitrugen gehörten Pfarrer Rainer Kaspers von der Ev. Auferstehungsgemeinde Ungelsheim sowie Pastor Rolf Schragmann und Altpastor Hermann Josef Scherer von St. Dionysius Mündelheim.

Unter Mitwirkung des Chors: „Ton Art“ - Leitung Andreas Rabeneck, „Duisburg Voices“ – Leitung Prof. Dr. Okko Herlyn sowie dem Posaunenchor Ungelsheim – Leitung Ulrich van de Sand wurde der heiligen Barbara gedacht. Veranstaltet wurde die Feier wiederum durch HKM, den Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA), der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) und der Gewerkschaft IG Metall.

Zu Beginn klang Adventmusik des Posaunenchors durch die in rötliches Licht getauchte Halle, und durch die Gestaltung mit einem Altar aus Stahlbrammen, Kerzenständern aus Metallrohren und vielen Metallgegenständen fühlte man sich wie in einem Stahlwerk. An der einen Hallenseite hingen zudem vier angestrahlte Schutzanzüge der Stahlkocher und an der Stirnseite hängt das große Barbara-Bild des Duisburger Künstlers Hans Büning.

In seiner Begrüßungsrede gab Dr. Rolf Höffken, Geschäftsführer Technik bei HKM, zu verstehen, daß aus einer anfänglich guten Idee eine Tradition geworden ist. Die Barbara Feier und der ökumenische Gottesdienst wären „eine gute Gelegenheit einmal innezuhalten, still zu werden und sich zu besinnen“. Auch ging er kurz auf das für die Hütte positive Jahr 2010 ein, in dem nach langem Stillstand der Hochofen A wieder angeblasen wurde. Auch sei der Beschluss des Aufsichtsrates, die Kokerei zu erweitern, „ein Aufbruch in die Zukunft“.

Nach der liturgischen Eröffnung durch Pfarrer Kaspers wird es beim Eingangsgebet und der „Kyrie“ still und alle Besucher halten inne, als durch Uwe Schoendorff die Erinnerung an den Schatten, der seit Juli über der Stadt liegt, geweckt wird. „Wir sind gelähmt, hilflos. Steh uns bei!“ Und viele haben die Bilder der schrecklichen Erlebnisse und Bilder der Love-Parade-Katastrophe wieder vor Augen. Das von den Duisburg Voices vorgetragene „Kyrie – Herr erbarm dich über uns!“ verstärkt die Erinnerung und Trauer!

Pastor Rolf Schragmann erzählt über das Schicksal der heiligen Barbara, die gegen den Willen ihres Vaters Christin wurde und nach Überlieferungen von diesem enthauptet wurde. Barbara sei auch ein Vorbild gewesen und er erinnert an viele, die wegen ihres Glaubens verfolgt wurden und die nicht dem Zeitgeist hinterherlaufen. Erinnert wird in einem beeindruckenden Film an den Widerstandskämpfer Nikolaus Groß aus Mülheim, der als Arbeiter und Katholik 1945 wegen seiner Glaubenstreue von den NAZIS in Plötzensee hingerichtet wurde. Und in dem Musical „Nikolaus Groß“, entstanden in der Pfarrei St. Barbara in Mülheim Dümpten, werden sehr gut die Parallelen zwischen ihm und der heiligen Barbara gezeigt.

Mit dem Deuteronomium aus dem 5. Buch Mose wurde an das Gebot erinnert, den Sabbat zu halten und am 7. Tag zu ruhen.

In seiner Predigt ging Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck sehr deutlich auf das Zusammengehören zwischen der Welt der Arbeit und der Welt des Glaubens ein. Ein Beweis dafür sei die Feier eines Gottesdienstes in einer Stahlhütte. Und auch das die Barbaraverehrung nach der Zuwanderung von Flüchtlingen aus Schlesien nach dem Krieg zu einem gemeinsamen Kulturgut des Ruhrgebietes geworden ist. „Barbara ist zu einem Symbol für eine regionale Identität und Integration geworden“, so der Ruhrbischof. „Normalerweise würden wir einen Gottesdienst ja in einer Kirche feiern! Die Welt des Glaubens durchdringt jedoch alle Wirklichkeiten der Welt!“

Den Charakter der Adventszeit prägt eine „Zeit des Wartens, des Wartens auf Gott, der Mensch wird“. Der Ruhrbischof wies auf die eigentliche Bedeutung dieser Zeit hin, die man nicht aus den Augen verlieren darf. „Wir müssen uns von Gott geschaffen verstehen und von Gott gewollt in diese Welt gesetzt, eine Welt die für uns Schöpfung ist und keine Aneinanderreihung von Zufällen“, betont Overbeck. Es gebe „kein Leben ohne Gott“.

Der Bischof spricht zudem vom „Herz des Nachkriegsdeutschlands“ und den großen Veränderungen und Herausforderungen, die der fast 30 Jahre währende Strukturwandel im Ruhrgebiet mit sich brachte und bringt. Man hört von Bevölkerungsschwund durch Abwanderung, Arbeitsplatzabbau und Betriebsschließungen. Er spricht vom Zusammenleben und gesellschaftlicher Integration im Alltag als auch im Arbeitsleben.

Man müsse dem Glauben auch einen „Platz in der Arbeitswelt“ geben. Mit Nachdruck spricht sich der Ruhrbischof für den Schutz des Sonntags aus.

Der Abschnitt mit dem Sabbatgebot stehe wohl mitten zwischen den anderen Geboten und sei der Zusammenhang zwischen dem Glauben an Gott und dem alltäglichen Leben. Sechs Tage sollen wir uns mühen und am siebten Tag soll der Mensch zu sich und zu Gott finden. Hier müsse man den Konsenz finden, gerade in einem Hüttenbetrieb, damit der Mensch zu sich und seiner Bestimmung zu Gott finden kann. Dieses sei der Sinn des Sabbatgebotes. „Durch Arbeit sollen wir unsere Welt gestalten. Wir dürfen nicht vergessen, wir brauchen auch den Raum für Gott.“ so Overbeck. Zum Abschluss der Feier erklingt, begleitet vom CVJM-Posaunenchor Ungelsheim, aus tausend Mündern das alte Adventslied „Macht hoch die Tür“ durch die große Werkshalle.

HKM Arbeitsdirektor Peter Gasse lud für die Geschäftsführung zum gemütlichen „Danach“ ein, ließ es sich jedoch nicht nehmen, in Anspielung auf die Sarrazin Veranstaltung im Lehmbruck Museum, darauf zu verweisen: „daß das Bergarbeiterkind Wilhelm Lehmbruck sich am heutigen Abend besser gefühlt hätte als am Anfang der Woche“.

Bei Glühwein und Gebäck klang der Abend besinnlich aus. Die Künstler von „Turm 66“ hatten zudem im Zelt durch Ausstellung ihrer Bilder für eine wohlige Atmosphäre gesorgt.

Durch einen mit Pechfackeln besäumten Weg ging es zurück zum Tor 1.

Autor:

Harald Molder aus Duisburg

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