Joseph Beuys und Anselm Kiefer - Zeichnungen, Gouachen, Bücher

Anselm Kiefer, Deutschlands Geisteshelden, 1973, Öl und Kohle auf Sackleinen, auf Leinen, The Broad Art Foundation, Santa Monica
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  • Anselm Kiefer, Deutschlands Geisteshelden, 1973, Öl und Kohle auf Sackleinen, auf Leinen, The Broad Art Foundation, Santa Monica
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Das Museum Küppersmühle für Moderne Kunst zeigt in der am 29. 6. 2012 eröffneten Ausstellung "Joseph Beuys - Anselm Kiefer" noch bis zum 30.9.2012 Zeichnungen, Gouachen und Bücher der beiden Größen der deutschen Nachkriegskunst und konfrontiert die beiden Künstler mit ihren kontroversen Arbeiten.

Anlässlich der Eröffnung sagt der Kurator Götz Adriani: "Auf den ersten Blick haben Beuys und der eine Generation jüngere Kiefer nur wenig miteinander zu tun. Stilistisch, inhaltlich, formal und ikonografisch unterscheiden sie sich grundlegend voneinander."
Adriani erinnert sich, dass er schon 1967 als junger Kunsthistoriker die Chance hatte, Joseph Beuys persönlich kennen zu lernen und seitdem immer wieder dessen Werkkomplex mit zahlreichen Ausstellungen begleitete. Aus der langen und engen Zusammenarbeit mit Beuys entwickelte sich ein Vertrauensverhältnis, das 1973 zur Veröffentlichung der ersten, zusammen mit Beuys erarbeiteten und von ihm autorisierten Beuysbiografie führte. Adriani begleitete das künstlerische Schaffen von Beuys bis zur Präsentation "7000 Eichen" 1985, wenige Monate vor dem Tod des Künstlers.
Beuys war seit 1961 Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. Anselm Kiefer, der von 1966-70 an den Kunsthochschulen in Freiburg und Karlsruhe studierte, wurde 1971 auf Beuys aufmerksam. Kiefer trug sich daraufhin zwar als Student bei Beuys ein, reiste aus seinem Atelier im Odenwald aber nur gelegentlich an, um Beuys seine Werke zu zeigen. Von einem wirklichen Lehrer-Schüler-Verhältnis (wie so oft behauptet) könne man also nicht sprechen, so Kurator Götz Adriani.
Dennoch habe Beuys im Rahmen einer Akademieausstellung Kiefer spontan zum "Meisteschüler" ernannt. Beide Künstler hätten eine hohe gegenseitige Wertschätzung füreinander entwickelt und es sei ein intensiver Dialog entstanden, der bis zu Beuys' Tod 1986 nicht abgebrochen sei.

Adriani erläutert, dass Anselm Kiefer das gesellschaftspolitische Engagement mit dem von Beuys entwickelten erweiterten Kunstbegriff, der in der "Sozialen Plastik" mündet, nachdrücklich abgelehnt habe.
Während der Vorbereitungen die zur aktuellen Ausstellung geführt haben, habe Kiefer im Gespräch mit Adriani gleichwohl erklärt: "... Beuys ist der größte Künstler der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts." Ein Abdruck dieses Gesprächs zwischen Adriani und Kiefer ist im Katalog zur Ausstellung (ab Katalog-Seite 121) nachzulesen.

Die wesentlichen Merkmale der Kunst von Anselm Kiefer fasst Walter Smerling, Museumsdirektor und Mitkurator der Ausstellung, in dem von ihm verfassten Vorwort zum Buch "Anselm Kiefer - Mathias Döpfner, Kunst und Leben, Mythen und Tod, Ein Streitgespräch" zusammen (herausgegeben von Manfred Bissinger im Quadrigaverlag):

"Anselm Kiefer, einer der bedeutsamsten und international erfolgreichsten Künstler der Gegenwart, beschäftigt sich in seinem Werk mit der Vergangenheit und Zukunft unserer Gesellschaft und den wesentlichen Fragen des Lebens. Seine Bilder sind Prozesse, Schichten, Überlagerungen, sie bestehen aus Überlappungen, Durchdringungen, Verschmelzungen. Der Künstler scheint all das zu sammeln, was unsere Zivilisation hervorbringt, um es dann in seine Werke zu integrieren. Die Werkgruppen handeln von den grundsätzlichen Erfahrungen unserer Existenz, von Natur und Mythos, Kultur und Geschichte, Mikrokosmos und Makrokosmos. Wie ein roter Faden zieht sich das Paradoxe durch Kiefers Werk. Seine Bilder sind geheimnisvolle Chiffren zur Entschlüsselung der Welt und ihrer immer neuen Rätsel. Und natürlich ist da diese besondere "Kiefer'sche" Nachkriegsverarbeitung. Kein anderer zeitgenössischer Künstler hat sich derart spektakulär und riskant unserer jüngeren deutschen Geschichte zugewandt, keiner bearbeitet derart intensiv religionsgeschichtliche Themen. Und keiner widmet sich so kontinuierlich dem Medium Buch. Ob aus Blei, Leinen oder Karton, es gehört als Parallelmedium zu Kiefers wichtigsten Ausdrucksformen und steht gleichwertig neben seinen Bildern und Installationen. Auch seine Bücher sind übermalt, geschichtet, rätselhaft."

In der Duisburger Ausstellung treffen die beiden Größen der deutschen Kunst, Beuys und Kiefer, erstmalig in dieser Konstellation aufeinander. Beide verbindet u.a., dass sie herausragende Arbeiten auf Papier geschaffen haben, die eine wichtige Rolle in ihrem Gesamtwerk einnehmen.

Das Museum Küppersmühle zeigt über 200 Werke aus den Jahren 1948 bis 2012, darunter auch Arbeiten aus dem New Yorker Metropolitan Museum und dem Wiener mumok sowie zahlreiche weitere Leihgaben und neue Arbeiten aus Kiefers Atelier, die zuvor noch nicht zu sehen waren.

Walter Smerling schwärmt von seiner Ausstellung: "Die ausgestellten Werke gehören zum Spannendsten überhaupt, wenn man einen Zugang zum Werk der beiden großen Künstler finden will."
Beuys und Kiefer eine ihr großes Interesse an der Gesellschaft: Kiefer gehe es vor allem um die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, Beuys beschäftige sich intensiv mit Organismen und Systemen. Jeder solle sich als Mitglied eines Organismus verstehen und selbstbestimmt ins gesellschaftliche Gefüge einbringen (so die Definition der "Sozialen Plastik").
Smerling sagt, wo bei Kiefer eine kulturarchäologische Vorgehensweise dominiere, verfolge Beuys einen anthroposophoschen Schwerpunkt, der auch in vielen Zeichnungen ablesbar sei, welche den Organismus von Pflanzen- und Tierwelt poetisch analysieren.
Der entscheidende Unterschied zwischen Beuys und Kiefer sei kurz gesagt, "Der eine will verstehen, der andere verändern."

Adriani berichtet, dass die Hängung von den Kuratoren im engen Austausch mit Kiefer persönlich und seinem Arbeitsteam abgesprochen sei. Sie folge den unterschiedlichen Künstlerpositionen, vermeide eine Mischung der Werkstücke und orientiere sich an historisch-chronologischen und ästhetischen Gesichtspunkten.

Im Rahmenprogramm zur Ausstellung gibt es Führungen, Lesungen, Filme, ein Kurzseminar zum Thema "Mythos und mystische Tendenzen in der Kunst des 20. Jahrhunderts" sowie das Gespräch "Denken über Fett und Filz" mit dem Wuppertaler Ästhetik-Professor Bazon Brock, Walter Smerling (Direktor MKM) und Jörg Mascherrek (VHS Duisburg).
Eingeplant sind auch Besuche zur parallel laufenden und von Walter Smerling ebenfalls kuratierten Sonderausstellung "Am Anfang - Anselm Kiefer" (noch bis zum 16.9.2012 in der Bundeskunsthalle in Bonn).

Autor:

Dorothea Weissbach aus Oberhausen

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