Loveparade-Strafprozess
Für sieben Angeklagte endete heute das Verfahren - gegen drei Beschuldigte geht's weiter

Nach 14-monatiger Hauptverhandlung und 101 Verhandlungstagen müssen sich sieben Beschuldigte nicht länger für die Loveparade-Katastrophe im Karl-Lehr-Tunnel vor Gericht verantworten. | Foto: Frank Preuß
  • Nach 14-monatiger Hauptverhandlung und 101 Verhandlungstagen müssen sich sieben Beschuldigte nicht länger für die Loveparade-Katastrophe im Karl-Lehr-Tunnel vor Gericht verantworten.
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Die 6. Große Strafkammer des Landgerichts Duisburg hat heute, 6. Februar, beschlossen, das Strafverfahren gegen sechs (ehemalige) Bedienstete der Stadt Duisburg und einen Mitarbeiter des Veranstalters einzustellen. Keiner dieser Angeklagten muss einen Geldbetrag zahlen. Das Verfahren ist damit für die sieben Personen nach 14-monatiger Hauptverhandlung und 101 Verhandlungstagen beendet.

Die Verfahrenseinstellung ist laut 6. Großer Strafkammer nicht mit einer Feststellung von individueller Schuld verbunden. Für sämtliche Angeklagte, die aus dem Verfahren ausscheiden, bestehe weiterhin die Unschuldsvermutung.

Die drei Mitarbeiter des Veranstalters, die nach dem Vorschlag des Gerichts und den Vorstellungen der Staatsanwaltschaft anlässlich der Einstellung einen Geldbetrag zahlen sollten, haben einer Verfahrensbeedigung auf diesem Weg nicht zugestimmt. Gegen sie wird das Verfahren fortgeführt. Der nächste Termin zur Hauptverhandlung steht bereits am 12. Februar an.

In den nächsten Wochen sollen nach den Planungen des Gerichts weitere Polizisten und Mitarbeiter des Veranstalters als Zeugen vernommen werden.

Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link erklärt dazu:  
„Ich bin kein Jurist, deswegen kann und will ich nicht fachlich werten. Ich bin mir aber sicher, dass das Gericht hart gerungen hat, bevor es zu dieser Entscheidung gekommen ist. Die bisherigen Prozesstage haben gezeigt, wie schwierig die Suche nach ursächlicher, individueller Schuld ist - und um diese geht es im Strafrecht.
Ich verstehe allerdings auch, wenn die Angehörigen der Opfer und die Menschen, die auf der Loveparade verletzt und traumatisiert wurden, enttäuscht sind. Viele haben auf ein eindeutiges Ergebnis gehofft haben, wünschten sich verständlicherweise klare Antworten auf die Frage nach dem 'warum'.
Ich wünsche mir dennoch für alle Beteiligten, dass sie nun nach so vielen Jahren einen Abschluss mit den unfassbaren Geschehnissen finden können."

Rechtsanwältin Dr. Kerstin Stirner, die mit Rechtsanwalt Prof. Dr. Björn Gercke aus der Kanzlei Gercke | Wollschläger (Köln) einen Mitarbeiter des damaligen Veranstalters Lopavent vertritt, äußert sich wie folgt:
„Am heutigen Tag hat sich bestätigt, worauf die Verteidigung bereits unmittelbar nach Anklageerhebung hingewiesen hat: Eine individuelle Schuld unseres Mandanten, dem seinerzeitigen Kreativdirektor der Lopavent, für das Unglück auf der Loveparade 2010 ist nicht nachweisbar. Schon vor Beginn der Hauptverhandlung war klar, dass keiner der zehn Angeklagten verurteilt werden wird. Die durchgeführte Hauptverhandlung war daher ein reiner Schauprozess auf Kosten der Angeklagten und letztlich auch der Nebenkläger.“

Rechtsanwalt Prof. Dr. Björn Gercke:
„Wir bedauern das Leid, das den Angehörigen der auf der Loveparade Verstorbenen und den Verletzten widerfahren ist. Wir freuen uns aber auch für unseren Mandanten, dass das Verfahren nach über acht Jahren nunmehr endgültig eingestellt wurde. Unser Mandant hat einer Einstellung des Verfahrens nur deshalb zugestimmt, weil er seit über acht Jahren mit den Be-lastungen dieses Verfahrens leben muss und ein Freispruch in der Kürze der bis zur Verjährung noch verbleibenden Zeit möglicherweise nicht zu erzielen sein wird.“

Die Betroffenen Initiative LOPA 2010 e.V. sagt zu den Verfahreneinstellungen:
"Es ist für die meisten Betroffenen unerträglich, dass die Mehrheit der Angeklagten ohne ernsthafte Konsequenzen aus dem Verfahren hervorgehen wird. Die Mehrheit der Betroffenen war von Anfang an skeptisch, bezüglich der Ernsthaftigkeit der Justiz im Hinblick auf eine möglichst vollständige Aufklärung der Katastrophe. Gleichwohl haben wir den Prozess unterstützt in der Hoffnung, das Geschehene so weit wie möglich aufzuklären. Sehr zu unserem Bedauern müssen wir feststellen, dass unsere anfängliche Skepsis mehr als berechtigt war.
Die Staatsanwaltschaft hat noch im Rechtsgespräch am 16. Januar 2019 eine Zustimmung zu einer Einstellung ohne Auflagen nach § 153 Abs. 2 StPO als kaum vorstellbar bezeichnet. Auch wenn wir eine Einstellung nach § 153 s StPO gegen Auflagen nicht für angemessen hielten, so hofften wir doch, dass die Staatsanwaltschaft wenigstens in diesem Punkte hart bleiben würde und weiterhin auf einem Vorgehen nach § 153 a StPO bestanden hätte. Heute mussten wir lernen, dass 'kaum Vorstellbar' eine Halbwertszeit von 20 Tagen hat.
Die drei Angeklagten, die sich einer Einstellung verweigert haben und auf ihrem Recht auf ein Urteil bestehen, verdienen unseren Respekt. Auch wenn es nicht der Anlass ihrer Weigerung ist, so ermöglichen sie doch eine weitere Aufklärung durch Fortführung des Prozesses."

Info

=> Bei der Loveparade-Katastrophe am 24. Juli 2010 kamen 21 Menschen ums Leben, mindestens 652 Besucher wurden verletzt.
=> Zehn Personen wurden wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung angeschuldigt: vier Mitarbeiter des Veranstalters wegen schwerwiegender Planungsfehler, dazu drei Bedienstete des Duisburger Bauamtes sowie drei städtische Bedienstete in leitender Funktion, denen zur Last gelegt wurde, die Veranstaltung genehmigt zu haben.
=> Ergeht bis zum 27. Juli 2020 kein erstinstanzliches Urteil, verjähren die vorgeworfenen Straftaten.

Hier geht's zur Themenseite Loveparade 2010

Autor:

Lokalkompass Duisburg aus Duisburg

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