Fortsetzungsgeschichte: "Im Jahr des Herrn" (Zeitinsel-Saga) - Kapitel 9

9. Die wilde Horde

Die Rückfahrt nach Gibraltar dauerte nur 5 Tage und verlief durchgehend ruhig und entspannt. Der Dampfmaschine RUDI gönnte man eine Pause, denn Wind und Strömung reichten völlig aus, den ZENTAUER mit ausreichender Geschwindigkeit in das Mittelmeer hinein fahren zu lassen.
Außer dem Kapitän am Steuer hatten alle Mitglieder der Besatzung Freizeit. Nur der Dicke Fitti hatte es sich mit RUDIS Einzelteilen am Bug des Schiffes gemütlich gemacht. Er säuberte die Teile und fettete sie ein, ehe sie wieder an ihren angestammten Platz in der Maschine zurückkehrten. Weil Fitti dabei das eine oder andere Liedchen summte, schien ihn die Arbeit an der Dampfmaschine mindestens genauso viel Spaß zu machen, wie den anderen das entspannte Liegen in ihren Liegestühlen.
Als ein leises „Ping“ ertönte, stemmte sich Urs Müller aus seinem Stuhl und ging zu dem Kapitän auf die Brücke: »Deine Wache ist zu Ende, Hilmar. Ich bin dran.«
Der Kapitän nickte und trat zur Seite, damit Urs ans Steuerrad konnte. Der ehemalige Rettungssanitäter übernahm das Steuer und sah auf den Kompass. »Weiter Kurs 80 Grad Ost?«
»Ja. Heute Abend gegen 19 Uhr drehen wir auf 45 Grad«, antwortete der Kapitän, »dann müsste auch der Felsen von Gibraltar an Backbord auftauchen.«
»Apropos Gibraltar. Was wäre, wenn wir das Schiff in der Höhle von Gibraltar zurücklassen und uns zu Fuß auf den Weg nach Cartagena machen würden, Hilmar?« schlug Urs Müller dem Kapitän, der inzwischen auch sein Freund geworden war, vor.
»Ich bin nicht so gut zu Fuß, Urs und meine alten Knochen taugen nicht mehr für 500 Kilometer über unbefestigte Straßen und Feldwege.
»Meine Knochen sind noch ein paar Jährchen älter als Deine, mein Freund«, antwortete Urs Müller lachend, »aber sind das wirklich 500 Kilometer von Gibraltar nach Cartagena?«
»Eher noch mehr«, antwortete der Kapitän, »aber Deine Idee, den Kahn zu verstecken, hat was. Wir fallen nicht so auf, wenn wir in Cartagena ankommen. Und es soll tatsächlich einige Höhlen an der Küste geben, hat mir ein Segelfreund mal vertellt - irgendwo südlich von Cartagena. Lass uns das heute Abend mal mit den anderen bequatschen. Ich hau mich jetzt auch mal in so einen Urlauber-Klappgrill. Gute Verrichtung, Urs.«
»Danke, äh, …, Urlauber-Klappgrill?«
»Liegestuhl, Urs. Stuhl zum auseinanderklappen und in der Sonne grillen.«

Die Idee, den ZENTAUER möglichst in einer Höhle in der Nähe von Cartagena zu „parken“, fand die einhellige Zustimmung aller Reisenden.

*

Vier Tage später, kurz nach Mitternacht:

Die Schwärze der Nacht und die Stille der Fahrt unter Segel schützte den ZENTAUER vor einer zufälligen Entdeckung von Land aus.
Der Kapitän steuerte das Schiff vorsichtig näher an die Küste heran, die an dieser Stelle stark zerklüftet war. Urs Müller hatte das Echolot im Blick und gab die Messwerte leise an den Kapitän weiter: »8 Meter, gleich bleibend.«

Schon am Abend des vergangenen Tages hatten sie die Höhle ausgemacht; wegen der nahen Siedlung hatten sie jedoch darauf verzichtet, näher heranzufahren. Erst als die Lichter der Siedlung erloschen waren, hatten sie den ZENTAUER auf Kurs gebracht und das Schiff mit Hilfe des Nahortungs-Radars, der Infrarotscheinwerfer und der Nachtsichtbrille des Kapitäns bis vor den Eingang des Höhlensystems geführt.
Etwa 20 Meter vor der Höhle gab es einen kleinen Felsenvorsprung, an dem sich die Brandung brach. Kurz dahinter, im ruhigen Wasser, hatte das Schiff vorläufig gestoppt. Hilmar und Lechti holten das Segel ein und wechselten in das Schlauchboot, um die Höhle zu erkunden.

Eine halbe Stunde später waren sie zurück. Lechtis Kopf erschien über der seitlichen Bordwand und er sagte leise: »Breit genug ist es und hinter einer Kurve geht es ein paar Hundert Meter in den Berg hinein. Ein ideales Versteck! Bis hinter die Biegung dürfte der Kahn genug Wasser unter dem Kiel haben, wenn wir unserem provisorischen Lot glauben dürfen. Da vorne rechts ist übrigens so ein Absatz zum Anlegen mit einem Weg rüber zum Strand. Da können wir die Sachen ausladen, die wir in Cartagena brauchen. Weiter hinten in der Höhle geht das nicht mehr. Nur Felswände rechts und links. Wir müssen wohl mit dem Schlauchboot wieder raus, wenn wir den Kahn da drin haben.«
»OK«, nickte der Kapitän, »dann klettere mal auf diesen Absatz. Ich schmeiß Dir ein Tau rüber. Zieh den Kahn langsam heran, bis ich „Stopp“ sage.«

Zehn Minuten später hatte der ZENTAUER angelegt und die Reisenden hatten begonnen, Waren und Proviant für ihren Aufenthalt im nahen Cartagena auszuladen.
Nach zweieinhalb Stunden waren sie damit fertig und der Kapitän bugsierte den ZENTAUER, gezogen von den kräftigen beiden kräftigen Männern im Schlauchboot, rückwärts in sein vorläufiges Versteck.
Noch bevor die Sonne aufging, waren Hilmar, Lechti und Franz zurück. Die Männer ließen die Luft aus den Kammern des Schlauchboots und versteckten die leere Hülle des Schlauchbootes, die Ruder und den Blasebalg in einer Nische hinter einem Haufen großer Steine. Dann nahmen sie ihr Gepäck und folgten ihren Freunden, die bereits am nahen Strand auf sie warteten.

*

Carthago Nova, Anfang Mai

Der Frühling des Jahres 32 war außergewöhnlich warm und die Tagestemperaturen erreichten mühelos 25 Grad Celsius. Käpt´n Hansen und seine Freunde waren jetzt gut 4 Wochen in Cartagena bzw. Carthago Nova, wie die Stadt in diesen Tagen hieß und man hatte sich ganz gut eingerichtet.
Lechti und Franz arbeiteten als Ausbilder in einer der angesagten Gladiatorenschule der Stadt und Hanna betrieb zusammen mit Urs Müller und ihrer Schwester eine Schule für Heiler. Knut Haberling arbeitete bei der örtlichen Kommandantur der römischen Legion; in welcher Funktion wusste keiner so recht, Knut meinte irgendwas zwischen „Öffentlichkeitsarbeit“ und „Pressesprecher“. Der Dicke Fitti hatte zusammen mit dem Kapitän die Firma Schrauberus GmbH gegründet, eine Firma für spezielle Sofortreparaturen.
Untergekommen waren sie alle in einem gemieteten Landhaus am Rand von Carthago Nova. Das Haus war im Atrium-Stil gebaut und hatte genug Zimmer für alle. Der schattige Innenhof lud zum abendlichen Beisammensein ein und die große Wiese neben dem Haus war für alle möglichen Aktivitäten ideal geeignet. Und eine ganz besondere Aktivität hatte Urs Müller im Sinn …

»Kann mir die Firma Schrauberus gehobelte Vierkanthölzer liefern; ca. 15x15cm oder 18x18 cm?« fragte Urs die beiden Firmeninhaber beim Abendessen.
»Kann sie«, sagte der Dicke Fitti und biss ein Stück Fleisch vom frisch gegrillten Braten ab. »Wie lang?«
»In Stücken; insgesamt etwa 26 Meter.«
»Das ist ne Menge Holz«, antwortete Fitti. »Dürfte machbar sein. Und was will´ste damit?«
»Was bauen. Nächste Frage: Was ist mit Fischernetzen? Könnte Ihr die auch besorgen?«
»Sicher«, murmelte Fitti. »Wir haben da so einen Partnerbetrieb. Fast nur Frauen. Die machen gute Netze. Aber watt will´ste mit den Netzen und den Vierkantpfosten …, Moment, den Vierkantpfosten«, Fitti begriff mit einem Mal und grinste Urs an. »Im Ernst?«
Urs Müller nickte: »Erzähl erst einmal nix. Heute Abend bekomme ich das Okay von unserem Vermieter, der ja auch im Stadtrat sitzt. Wegen der Wiese.«

Servus, der Diener des edlen Gravius, Decurion von Carthago Nova, kam kurz nach Sonnenuntergang und überreichte Urs ein Dokument. Urs öffnete die Papyrusrolle, überflog den Text und grinste. Er verabschiedete den Diener mit den Worten: »Richte Deinem Herrn, den edlen Gravius, bitte aus: Die Römer werden es ihm einst danken. Da bin ich ganz sicher!«
Dann wandte er sich seinen Freunden zu, die schon neugierig darauf gewartet hatten, was der Besuch von Servus zu bedeuten gehabt hatte: »Nicht dass ich mit meiner Arbeit bei Hanna und Jenny unzufrieden wäre, im Gegenteil. Rettungssanitäter bin ich mein Leben lang gewesen und es hat mir großen Spaß gemacht, mein Wissen an die jungen Menschen hier weiterzugeben, aber Hanna ist als Ärztin dafür viel besser geeignet, als ich.
Was Ihr aber nicht wisst, ist, dass ich nicht nur Rettungssanitäter gewesen bin, sondern auch als Fußballtrainer in der Schweiz gearbeitet habe. Nur Amateurmannschaften, aber immerhin höchste Amateurklasse.
Und das ist mein Plan: Ich baue nebenan auf der großen Wiese einen Fußballplatz und zeige der Jugend, wie man den berühmten Nordmänner-Sport spielt! Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn das fußballerische Talent nicht jetzt schon tief in unseren spanischen Freunden schlummern würde und von mir nur herausgelockt werden muss.«
»Oder das italienische Talent bei den Legionären«, grinste sein Bruder Lechti.
»Und ich mach die Werbung dafür«, sagte Knut Haberling.
»Und wir flicken sie dann wieder zusammen«, spottete Jenny Schreiber und schob noch ein gegrinstes »Männer …« hinterher.

*

Mitte Juni 32 hatten sie die ersten vier Mannschaften im regelmäßigen Training: Die „Italiener“, eine Mannschaft mit Legionären aus Rom und Umgebung, die „Gallier“, ebenfalls Legionäre, aber geboren in Aremorica und Belgae sowie die beiden zivilen Mannschaften, die „Freien“ mit zugezogenen Bürgern aus Carthago Nova und die eingeborenen Iberer, die „Wilde Horde von Cartagena“. Urs Müller trainierte die freien Mannschaften, sein Bruder Lechti hatte die Ausbildung der beiden Legionärsmannschaften übernommen.

Training war dreimal in der Woche. Die Legionäre trainierten am Morgen und die bürgerlichen Mannschaften am frühen Nachmittag. Bei allen Teams lief das Training fast immer gleich ab: Nach dem Warmlaufen traf man sich vor dem Tor und ein wildes Geballere begann. Jeder Spieler versuchte den Ball, eine mit trockenem Gras gefüllte Schweinsblase zu ergattern und mit hoher Geschwindigkeit ins Tor zu befördern. Die Torhüter versuchten, das zu verhindern, indem sie den Ball mit immer spektakuläreren Paraden aus den Ecken des über 7 Meter breiten Tores fischten. Das sprach sich herum. Die schönen Schüsse und die noch tolleren Paraden waren bald der Hauptanziehungspunkt für die Bürger von Carthago Nova, von denen immer mehr beim Training zusehen kamen. Manche meldeten sich sogar an, um das Fußballspielen zu erlernen.
Und wenn Hanna mit Franz abends spazieren ging oder wenn der Dicke Fitti von einem seiner Reparatureinsätze zurückkehrte, dann sahen sie oft Kinder und Jugendliche in den Gassen von Carthago Nova Fußball spielen.

Urs und Lechti brauchten nicht lange, bis sie den Spielern die Grundzüge des Spiels, die Schusstechnik und einige Tricks beigebracht hatten. Was die Legionäre an Fitness mitbrachten, ersetzen die beiden anderen Mannschaften durch Spaß und besonderen Spielwitz.
Dies zeigte sich besonders an den Wochenenden, wenn die Mannschaften gegeneinander antraten. Anfangs gewannen die austrainierten Legionäre fast jedes Spiel, aber Mitte August gab es das erste wirklich spannende Spiel; ein Spiel der Wilden Horde von Cartagena gegen die Legionäre aus Rom …

Spielbericht unseres Reporters Knut Haberling (Auszug):

Sicherlich mehr als tausend Zuschauer drängen sich heute Abend am Rand des Spielfeldes und eine fast atemlose Spannung liegt wie Blei über der großen Wiese, deren Gras schon seit Stunden von Kleinkriminellen und straffällig gewordenen Legionären mit ihren Nagelscheren auf Golfplatzniveau gestutzt wird.

Und da kommen sie schon, durch das Spalier ihrer Fans herein gelaufen: Auf der rechten Seite die Schwarzen Teufel aus Rom und links die in gelben Trikots und roten Hosen gekleideten Mitglieder der Wilden Horde. Hinter den Spielern, ebenfalls mit Beifall begrüßt, kommen jetzt die beiden Trainer: Lechti Müller, wie immer ganz in Schwarz und sein Bruder Urs mit dem rot-gelb gestreiften Halstuch der Wilden Horde.
Jetzt betritt der Schiedsrichter das Feld, unser Freund Franz Helmer. Er begrüßt die Spielführer der beiden Mannschaften und dann pfeift er das Spiel an. Die Wilde Horde hat Anstoß.

8. Minute: Die Zeit des vorsichtigen Abtastens beider Mannschaften ist vorbei. Der Rechtsaußen der Schwarzen, da Sicca, stürmt los, überrennt mühelos zwei Mittelfeldakteure der Wilden Horde, ist jetzt nur noch 20 Meter vom gegnerischen Tor entfernt - will schießen …, doch wo ist der Ball? Den hat da Sicca anscheinend bei seinem Sturmlauf vergessen! Oh, wie peinlich! Die Zuschauer lachen und am Mittelkreis zeigt Mario Basta von der Mannschaft der Wilden Horde provozierend auf den Ball unter seinem Fuß.

10. Minute: Ecke für die Schwarzen. Vittorio da Sicca tritt die Ecke von rechts, der Ball verhungert fast auf halbem Weg – an der Schusstechnik muss der Trainer aber noch dran arbeiten - Pastorio schnappt ihn sich an der Strafraumgrenze, läuft noch ein paar Meter, fällt …, kein Foul; Pastorio ist über seine eigenen Beine gestolpert. Was für ein Drama. Der Ball kullert ins Aus. Abstoß.

24. Minute: Erster Angriff der Wilden Horde. Nebeneinander und in einer Reihe stürmen die fünf Angreifer der Wilden Horde auf den gegnerischen Torwart zu. Mario Basta hat den Ball, passt ihn quer zum mitlaufenden Alfonso Spaniero, Spaniero schießt …; vorbei!

41. Minute: Es gibt Freistoß für die Schwarzen, weil La Luca, der eisenharte Verteidiger der Horde, seinen Gegenspieler mit einer unschönen Attacke von den Beinen geholt hat. Pastorio führt den Freistoß aus, er läuft an, schießt, doch der Ball bleibt in der Mauer hängen. La Luca will den Ball weg schlagen, tritt aber über den Ball, oh Mann …, jetzt Getümmel im Strafraum, da Sicca kommt irgendwie an die Kugel, er schießt …, Tor! 1:0 für die Legionäre!

Halbzeit.

51. Minute: Wieder stürmen die fünf Angreifer der Wilden Horde in einer Reihe auf den gegnerischen Strafraum zu - oh Mann, was für eine antiquierte Taktik ihres ebenso antiquierten weißhaarigen Trainers - egal, Mario Basta hat den Ball, gibt ihn quer zu Adolfo Barca, der umspielt einen Verteidiger der Legionäre, dringt in den Strafraum ein, umspielt Centurion, den Torwart, schießt …, der Ball kullert auf das Tor zu, Centurion springt hinterher, bekommt den Ball aber erst hinter der Linie zu fassen. Tor! Ausgleich. 1:1.

80. Minute: Beide Trainer sind jetzt aufgesprungen und stehen an der Linie. Das Spiel steht auf des Messers Schneide und die Trainer spüren, dass ihre Mannschaften dabei sind, das Unentschieden zu riskieren. Sie schreien ins Spielfeld hinein, schimpfen und rudern mit den Armen, doch nichts scheint zu helfen. Völlig disziplinlos schlagen die Legionäre den Ball weit in die gegnerische Hälfte und rennen hinterher. Die Verteidiger der Horde knüppeln den Ball sofort in die Hälfte der Legionäre zurück - in der Hoffung, dass einer der 5 Stürmer die Kugel bekommt.

88. Minute: Die Spannung ist fast unerträglich geworden! Die beiden Trainer schauen sich nicht mehr an. Jeder lebt jetzt nur noch für seine Mannschaft - die Familienbande der beiden Brüder scheint vorübergehend zerrissen.
La Luca, der Verteidiger der Wilden Horde hält es nicht mehr in der eigenen Hälfte, er holt sich den Ball, rennt durchs Mittelfeld, kommt in die Nähe des Strafraums, wo sich die Verteidigung der Legionäre aufgebaut hat. Lollo La Luca will Bruno La Baddia umspielen, der holt aus, La Luca springt hoch, um der gefürchteten Beinsichel von La Baddia zu entgehen, stolpert in den Strafraum, der Torwart stürmt aus seinem Tor, wirft sich La Luca entgegen, La Luca fällt …, der Schiedsrichter pfeift …, Elfmeter! Wer wird schießen?

Oh Gott! Was passiert jetzt? Das kann doch nicht wahr sein …, der Trainer wechselt sich selber ein! Urs Müller läuft quer über den Platz, schnappt sich den Ball und legt ihn auf den Elfmeterpunkt. Er will anlaufen, doch Schiri Franz Helmer deutet an den Seitenrand. Auch die Legionäre wollen wechseln. Torwart Centurion geht vom Platz und Lechti Müller, der Trainer der Legionäre, kommt!

90. Minute: Die beiden Brüder stehen sich unversöhnlich gegenüber. »Den kriegst Du niemals rein, alter Mann«, knurrt Lechti Müller seinen grauhaarigen Bruder an, der den Elfmeter schießen will. »Wart´s ab«, schimpft Urs zurück, während Lechti ins Tor geht und sich mit ausgebreiteten Armen auf die Linie stellt.

Die Zuschauer sind ganz still und die Spannung steigt ins Unerträgliche. Urs Müller läuft an, schießt den Ball flach in die rechte untere Ecke, Lechti Müller ist dran, kann den Ball aber nur abklatschen, Urs Müller setzt nach, schießt den Ball halbhoch, Lechti streckt sich, kommt mit den Fingern noch an den Ball, aber der Nachschuss war zu scharf geschossen und der Ball flieg ins Tor. 2:1 für die Wilde Horde.

91. Minute: Schiedsrichter Franz Helmer lässt den Anstoß noch ausführen, pfeift aber kurz danach ab. Die Wilde Horde hat zum ersten Mal gegen die Legionäre gewonnen!

Die Siegesfeier dauerte die ganze Nacht durch. Nicht nur die Spieler und Trainer beider Mannschaften nahmen teil, sondern auch die meisten Zuschauer, darunter auch die Kommandeure der Legion. Und weil das so war, konnte niemand die Legionäre zusammenstauchte, als diese am nächsten morgen viel zu spät in ihre Kaserne kamen.

Mit dem historischen 2:1 über die Legionäre aus Rom begann der Siegeszug der „Wilden Horde von Carthago Nova“, der die Mannschaft bis ins spätere Endspiel nach Rom bringen sollte.

*

2 Jahre später, im Kolosseum von Rom:

Eine erste große Regeländerung gab es 2 Jahre später, als das an Gladiatorenkämpfe gewöhnte Publikum nicht mehr in Massen in die Arenen strömte, weil für ihren Geschmack beim Fußball einfach zu wenig Blut floss.
Abhilfe erhoffte man sich davon, dass man es den Spielern gestattete, einen Dolch oder ein Kurzschwert beim Spiel mitzuführen und die Torhüter schwere Keulen erhielten. Dies führte schon beim ersten Endspiel der Reichsliga dazu, dass die Partie zwischen ASi Rom und der wilden Horde von Carthago Nova nicht zu Ende gespielt werden konnte, weil sowohl der Schiedsrichter als auch beide Linienrichter ihren schweren Verletzungen noch vor der Halbzeitpause erlegen waren. Zahlreiche Spieler litten darüber hinaus an Stichwunden oder schleppten sich mit Knochenbrüchen über den Platz. Zu bürgerkriegsähnlichen Tumulten und zu schweren Schäden am Kolosseum kam es, als dieses Spiel auf Drängen des anwesenden Kaisers Tiberius mit 7:0 für Rom gewertet wurde.
Eine weitere Regeländerung gab es im Jahr 41. Statt der gut ausgebildeten jungen Legionäre durften ab der Spielzeit 42/43 nur noch Sklaven eingesetzt werden. Richtige Spielfreude kam danach nicht mehr auf, weil die Mannschaft der Verlierer nach dem Spiel oft genug den Löwen vorgeworfen wurde.

Wegen der enormen Verluste an Mensch und Material wurde Fußball im Römischen Reich 35 Jahre nach seiner erfolgreichen Einführung endgültig verboten, obwohl der amtierende Kaiser Nero ein begnadeter Abwehrspieler gewesen sein soll, der stets zur Stelle war, wenn es mal brannte …

(Fortsetzung folgt)

Autor:

Uwe Kirchberg aus Duisburg

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