Dunkle Nacht

Gute Nacht und träume süß - Schauer-Short-Story

Es war dunkel, nicht einfach nur dunkel sondern sehr dunkel. Nein, auch nicht, eher schwarz...ja, das war es, es war schwarz. Rundum schwarz. Aber nicht kalt und auch nicht warm. Es war angenehm. Ganz angenehm sogar, wenn man darüber hinweg sah, dass es schwarz war. Und es war still, leise? Still? Lautlos, tonlos??? Schwer zu beschreiben die ganze Situation. War es überhaupt eine Situation? Ich meine, wenn es schwarz und angenehm und still, lautlos, tonlos war, war das eine Situation? Ich weiß es nicht! Ich versuche mich zu erinnern. Wenn ich mich erinnern kann, dann war es eine Situation! Dann war ich in einer Situation. Aber ich welcher? In einer guten oder weniger Guten? Sozusagen in einer schlechten oder gar auswegslosen Situation? Angestrengt dachte ich nach wie ich in diese Situation, wenn es denn eine war, gekommen sein konnte. Oder war ich schon tot? War ich in einem Zwischending vom Leben zum Sterben? Aber ich war doch gar nicht krank gewesen! Oder doch? War mein Körper da? Anwesend? Ich fühlte nichts. Absolut nichts!

Ich versuchte meine Lage zu analysieren: Ich sah nichts, ich hörte nichts, ich fühlte nichts, schmeckte nichts...Bewegen! Konnte ich mich bewegen? Nein, womit auch? Ich fühlte weder Hände noch Beine noch meinen Körper. Atmung? Atmete ich? Wer war ich? Wo ??? war ich? Und wie war ich hierher gekommen?
Zeit, vergeht die Zeit oder steht sie still? Was passiert, während ich hier liege? Liege ich hier? Oder stehe ich, schwebe ich? Mein Geist funktioniert. Ist das gut oder schlecht? Ich denke. Was denke ich? Wie ich mich aus dieser Lage befreien kann. Wie ich wieder zurück ins Leben kommen kann. Wie ich das, was geschehen war, umkehren kann zum Guten für mich. Ich denke, also bin ich. Wer hatte das gesagt? Es fällt mir nicht ein. Sicher ein bedeutender Dichte. Ich mag Dichter. Nicht alle. Nein, aber viele. Ich mag Goethe und Schiller. Ja, die mag ich. Storm auch. Ich erinnere mich an den „Schimmelreiter“. Wieso erinnere ich mich gerade an diese Geschichte? Ich weiß es nicht. Ich grüble darüber nach. Woran erinnere ich mich noch? An mein Leben? An welches? Hatte ich eines? Kribbeln. Da kribbelt etwas. Mein Fuß? Ist das mein Fuß? Ja, mein Fuß kribbelt. Aber nicht nur dieser. Das Kribbeln setzt sich weiter fort. Vom Fuß über die Wade, Oberschenkel, Gesäß. Mein Bauch juckt, die Brust, Hals Arme Gesicht. Alles juckt wie verrückt. Es ist nicht auszuhalten. Aber ich kann mich nicht bewegen. Ich kann nicht kratzen und dieses Jucken lindern. Ich kann keinen Finger bewegen. Steif und starr liege ich da, während dieses Jucken immer schlimmer wird. Es macht mich wahnsinnig. Ich will schreien, mich bewegen, mich kratzen....kratzen...kratzen mit Fingernägeln so lang wie Messer. Scharf wie Krallen...kratzen, bis die Haut in Fetzen herunterhängt und dieses erbärmliche Jucken aufhört. Ich will, dass es aufhört!!!!!
Riechen, ich kann riechen. Wieso kann ich riechen? Bis jetzt ging das nicht. Ich rieche. Es riecht seltsam. Kalt, steril. Ich habe eine belegte Zunge. Ich kann meine Zunge schmecken und schmecke diesen Geruch auf meiner Zunge. Es schmeckt nach Medizin. Ekelerregend. Mir wird schlecht. Ich muss würgen. Aber ich kann nicht würgen. Etwas steckt in meinem Hals. Ein Schlauch? Was macht ein Schlauch in meinem Hals? Und wie das juckt. Und mir ist schlecht, mir ist so schlecht.

Ein grauer Schimmer dringt in mein Hirn. Nein, nicht in mein Hirn, durch meine Augenlider. Ich sehe ein verschwommenes Licht. Sind meine Augen geschlossen oder offen? Ich weiß es nicht. Ich denke, eher geschlossen, oder aber, halb offen. Ja, sie sind halb offen. Halb offen. Schemenhaft sehe ich Bewegungen um mich herum. Ich bin so schwer. Bin auf einmal so schwer. Ich spüre etwas Hartes unter meinem Körper. Was ist das? Was kann es sein. Liege ich auf dem Rücken? Ja, ich liege auf dem Rücken. Ganz eindeutig. Ich spüre etwas Hartes unter meinem Rücken, meinen Beinen, meinem Gesäß. Und mein Körper juckt. Ich will mich kratzen. Aber ich kann nicht. Ich kann mich nicht bewegen. Die Schemen bewegen sich hin und her. Was ist das? Geisterschatten? Ich spüre einen leichten Lufthauch, wenn sie an mir vorbei fliegen. Fliegen sie? Oder laufen sie? Oder schweben sie? Ja, schweben ist ein schöner Ausdruck. Der gefällt mir. Mein Körper.....er juckt plötzlich nicht mehr. Es hat aufgehört. Warum hat es plötzlich aufgehört zu jucken? Etwas nimmt Etwas von meinem Körper. War ich zugedeckt? Mit was war ich zugedeckt und warum wird diese plötzlich von meinem Körper genommen? Mein Blick wird klarer. Ich kann erkennen, dass Menschen in dem Raum sind, in dem ich liege. Ganz deutlich kann ich sie sehen. Es sind viele. Ich denke, es sind sechs. Sechs Leute, die hin und her gehen und sehr beschäftigt sind.

Klirren, ich höre ein Klirren. Etwas Metallisches ist gefallen. Es ist in etwas anderes Metallisches gefallen. Ich überlege. Panik erfasst mich. Wo bin ich hier? Wer sind die Menschen? Was ist dies für ein Raum. Warum bin ich hier und warum um alles in der Welt kann ich mich nicht bewegen. Aber warum um alles in der Welt kann ich hören, sehen und schmecken? Was geht hier vor?

Grelles Licht blendet meine halb offenen Augen. Aber ich kann nicht blinzeln, kann sie nicht schließen. Das Licht wird zur Seite gedreht. Eine Gestalt in grün kommt auf mich zu: „Hallo, ich bin da, ich bin wach!!!“ will ich schreien. Aber ich bekomme keinen Ton heraus. Ich liege ganz steif da und kann keinen Finger bewegen. Die grüne Gestalt steht ganz nahe neben mir. Ich könnte sie anfassen, wenn ich könnte. Eine Hand streckt sich nach meinem Gesicht aus. Zwei Finger ziehen das Augenlid auseinander und die Gestalt schaut mit einem riesigen Auge in mich hinein. Ich will das nicht. Das große Auge geht zurück. Die Gestalt entfernt sich von der Liege, entfernt sich von mir. Ein Andere tritt heran. Legt mir etwas um den Arm, zieht es fest bis es schmerzt. Ein metallenes, kalte Etwas wird mir auf den Arm gedrückt. Nimm das weg. Ich will das nicht. Ich will das alles nicht. Es macht mir Angst. Im Hintergrund höre ich wieder ein Klirren. Metall auf Metall. Ein Wagen wird herangefahren. Mein Blickfeld ist zu eingeschränkt, als dass ich sehen könnte, was es ist. Jemand streicht mir über den Bauch. Ein Tuch wird mir über den Leib gelegt. Ich fühle, wie der Stoff hin und her gezogen wird, bis er schließlich zur Zufriedenheit der grünen Gestalt liegt. Auf ein Zeichen hin, wird der Wagen näher an die Liege herangefahren. Nun kann ich sehen, was es ist. Mir stockt der Atem. Mein Herz fängt an zu rasen. Hinter mir beginnt etwas ganz fürchterlich zu piepen und die grünen Gestalten springen um mich herum. Jemand jagt eine Nadel in meine Vene und drückt den Kolben schneller durch, als es normalerweise erlaubt ist. Hektisch wird das Tuch von meiner Brust geschoben und ein Stetoskop angesetzt. Ich weiß, dass es ein Stetoskop ist, ich weiß wofür es benutzt wird, ich weiß wo ich bin.

Die Lösung wirkt, mein Herz schlägt wieder ruhiger. Wieder zieht eine der grünen Gestalten das Tuch zurecht. Eine Schwester kommt mit einem riesigen Wattebausch. Er ist getränkt mit einer Flüssigkeit. Sie ist rotbraun und riecht fürchterlich. Sie pinselt mir damit den ganzen Leib ein. Nein, will ich schreien, nein.... Aber kein Laut dringt über meine Lippen! Die grüne Gestalt neben der Schwester greift auf den metallenen Tisch. Greift in die metallene Schale und nimmt einen metallenen Gegenstand heraus. Er ist schmal, lang und vorne leicht gebogen. Es blitz im künstlichen Licht. Ein Skalpell! Was will der mit diesem Skalpell? Ich bin doch wach, ich kann doch fühlen, was will er von mir?

Langsam sehe ich, wie die Hand mit dem Skalpell näher und näher kommt. Nur noch wenige Zentimeter trennen die scharfe Schneide von meinem Körper. Nur noch wenige Zentimeter. Ich strenge mich an. Ich denke, jemand muss doch den Schweiß auf meiner Stirn sehen, jemand bemerken, dass ich wach bin, das ich wach bin, das ich wach bin. NEIN NEIN NEIN NEINNNNNNNNNNNNNNNNNNNNNNNNNNN!

Autor:

Ingrid Lenders aus Duisburg

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