Du sollst nicht töten...

Gute Nacht und träume süß - Schauer-Short-Storys

Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne schienen auf einen kleinen See, der halb versteckt zwischen ausladenden Bäumen eines naturbelassenen Parks lag. Ein Weg führte um ihn herum und 4 Seitenwege führten wie Finger einer Hand, welcher der Daumen abgetrennt worden war, in alle vier Himmelsrichtungen. Leiser Wind wehte und dunkle Wolken kündeten davon, dass es in dieser Nacht noch ein Gewitter geben würde.

Das Zwielicht der herabfallenden Nacht legte sich wie ein Leichentuch auf den nahen Ort. Die Menschen schickten sich nach vollbrachtem Tagwerk an, in den letzten Stunden vor der Nachtruhe eine Zeit der Muße zu finden, bevor sie in das Dunkel der Träume fielen, die sie erfrischt und belebt in den neuen Tag entließen. Oder aber auch als Alb dem Schläfer den erholsamen Schlaf raubten und qualvolle Träume als Beigabe des Schlafes den Träumer in Angst und Schrecken versetzten.

Weit vom Ortskern entfernt, stieg ein Nachtvogel auf aus dem Nest und begann am Himmel seine Runden zu drehen. Immer größer wurden die Kreise, bis sie auch offenes Land in die Runde einbezogen. Die mächtige Spannweite der Flügel erinnerte an Horror aber auch an Abenteuer. Die nachttauglichen Augen erspähten auf dem Feld ein Opfer und der Vogel stieß lautlos und pfeilschnell hinab zur Erde. Seine scharfen Krallen fassten nach seinem Opfer und hielten es unbarmherzig fest.

Paul saß vor seinem PC und recherchierte für das neue Programm, dass seine Firma in Auftrag genommen hatte und ihn des Nachts seit langem nicht schlafen ließ. Seine blutunterlaufenen Augen starrten auf den Bildschirm und die Buchstaben und Zahlen verschwammen vor seinen Augen. Hingebungsvoll strichen seine langen schlanken Finger über die Tasten, wie um eine Geliebte zu streicheln. Er erhoffte sich davon, dass seine Finger rein zufällig die richtige Tastenkombination fanden und die Lösung für das bestehende Problem auf den Bildschirm zauberten. Aber nichts geschah. Paul strich sich über die Augen und reckte sich. Es war ein langer Tag gewesen und er hätte eigentlich schon vor Stunden nach Hause gehen können. Paul streckte die Hand aus, speicherte seine Arbeit ab und fuhr den PC herunter. Ein leiser Piepton ertönte und der Bildschirm wurde schwarz. Er rieb sich die Augen. Ein stechender Schmerz im Nacken entlockte ihm einen kurzen Schrei. Die Sonne verdeckte ihr Angesicht und das erste Grollen kündigte das Gewitter an.

Francesco Sanches, der spanische Hilfspfleger, drehte sich von einer Seite auf die andere. Seine Zigarette, die er im Aschenbecher abgelegt hatte, verqualmte langsam und hinterließ einen unangenehmen Geruch im Raum. Die Glut entließ einen gewissen Grad an Hitze, die Francesco noch auf dem Sofa spürte. Er setzte sich hin und drückte die Kippe aus. Francesco fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht und strich sich mit der gleichen Bewegung die Haare glatt, die dringend einer Wäsche bedurft hätten. Er rieb über seine linke Gesichtshälfte, auf der sich ein auffallendes Muttermal befand. Nach einem herzhaften Gähnen erhob er sich und begab sich in Richtung Badezimmer. Es war an der Zeit, sich für den Dienst fertig zu machen. Bevor er im Badezimmer verwand, drückt er die Tast am PC, um noch die neuesten Wettdaten abrufen zu können bevor er sich zum Dienst in die Gerichtsmedizin aufmachte. In der Ferne erklang ein leichtes Grollen; es hörte sich an wie ein fernes Gewitter.

Der Nachtvogel stieß einen triumphierenden Schrei aus. Seine Beute versuchte verzweifelt, die Freiheit wieder zu erlangen. Vergebens. Der Vogel hackte ihm die Hirnschale auf und zupfte Teil um Teil der grauen Gehirnmasse aus der nun nicht mehr schützenden Hirnschale. Der Tod ereilte das Opfer und nur einige wenige Zuckbewegungen erinnerten noch daran, dass es sich bei der Beute um ein ehemals lebendiges Wesen handelte. Der Vogel hatte keine Eile mehr, mit seiner Mahlzeit fortzufahren. Alle Zeit der Welt blieb ihm nun, da sein Opfer getötet war und leblos vor ihm lag.

Paul erhob sich von seinem Arbeitplatz und griff nach seiner Jacke. Mit schnellen Schritten, als würde ihn jemand verfolgen verließ er das Büro und stürmte die Treppe hinunter aus dem Gebäude hinaus auf den Parkplatz. Hier blieb er einige Minuten stehen, wie um sich zu orientieren. Dann betrat er ohne zu zögern den Weg, der zu dem nahen See in dem kleinen Park führte. Er ignorierte das leise Grollen, welches ein Gewitter ankündigte und ging mit langen forschen Schritten, als hätte er ein Ziel, in Richtung See. Von fern hörte er den Schrei eines Nachtvogels, der am Himmel kreiste und mit seinen nachttauglichen Augen sein Opfer suchte und fand. Paul hörte auch den angstvollen Schrei des Opfers. Paul stelle sich vor, wie das Opfer verzweifelt um sein Leben kämpfte. Er konnte förmlich die Angst riechen, welches von der gequälten Kreatur aufstieg. Ein seltsamer Hass nahm von ihm Besitz und er mutierte zum Rächer aller Kreaturen. Das Gefühl nahm überhand, so dass er keine Gewalt mehr über seine Handlung hatte. Wie von einer unsichtbaren Macht gezogen durchquerte er den Park und ereichte nach einigen Minuten das offene Feld. In der Ferne sah er den Nachtvogel, der seinem Opfer die Hirnschale aufsprengte und die Gehirnmasse Teil für Teil aus den nun nicht mehr schützenden Hirnschale zog. Mit einer rasenden, immer weiter wachsenden Wut raste er über das Feld, packte den Nachtvogel am Hals und schwenkte ihn unendliche Male durch die Luft, sich dabei selber um die eigene Achse drehend. Ein Wutgeheul gleich einer Sirene auf und abklingend, entwich seiner Kehle und ließ Sterne und Kreise vor seinen Augen aufflammen. Immer wieder explodierte in seinem Hirn der Satz: „Du sollst nicht töten! Du sollst nicht töten!“ Erst als der Vogel leblos in seinen Händen hing, ließ seine rasende Wut nach. Fassungslos blickte er auf den Vogel und konnte nicht fassen, dass er diese Tat vollbracht haben sollte. Erschöpft sank er ins Gras und schloss die Augen. Das Grollen in der Ferne kam immer näher und die ersten Regentropfen fielen auf sein Gesicht.

Francesco trat nach seinem Bad vor den PC und tippte eine Reihenfolge von Buchstaben auf die Tastatur. Nach einigem Überlegen kam er zu dem Schluss, dass ihm der erhoffte Geldsegen doch nicht ins Haus stand. Verloren, er hatte wieder einmal verloren. Das war sein Los, zu den Verlieren zu gehören. Leise seufzend fuhr er den PC herunter und zog sich den Laborkittel an. Er machte sich auf, um seine Nachtschicht als Gehilfe in der Gerichtspathologie pünktlich zu beginnen.

Um den Weg abzukürzen rannte er durch den nahen Park, umquerte halb den See und lief den abzweigenden Weg Richtung Gerichtsgebäude hinunter. Auf dem am Weg liegenden Feld sah er einen Mann, der wie wild einen riesigen Nachtvogel durch die Luft schleuderte. Erhatte ihn am Hals gepackt und wirbelte ihn durch die Luft, sich selber dabei um die eigene Achse drehend. Ein Wutgeheul entstieg seiner Kehle und Francesco hörte die wilden Schreie: „Du sollst nicht töten“ Du sollst nicht töten!“
Erst als der Vogel reglos in seinen Händen hing, ließ er von ihm ab und starrte fassungslos auf das tote Tier. Die ersten Regentropfen fielen vom Himmel und benetzten sein Gesicht. In Francesco explodierte etwas. In langen Sätzen sprintete er über das Feld und fiel über den wesentlich kleineren Mann her. Sterne explodierten vor seinen Augen, als er dem Mann die Kehle zudrückte. Seine Finger gruben sich so tief in den Hals, dass die Haut aufplatzte und die Halsschlagader verletzt wurde. Blut spritzte im Rhythmus des Herzschlag aus der Wunde und durchtränkte die Kleidung von Francesco. Immer wilder schüttelte er den Mann hin und her und drückte weiter erbarmungslos zu. Ein Wutgeheul gleich einer Sirene auf und abklingend, entwich seiner Kehle und ließ Sterne und Kreise vor seinen Augenaufflammen. Immer wieder explodierte in seinem Hirn der Satz: „Du sollst nicht töten! Du sollst nicht töten!“ Erst als der Mann leblos in seinen Armen hing kam er wieder zu sich. Er starrte auf den regungslos daliegenden Mann und konnte nicht fassen, was er getan hatte. Der Himmel explodierte. Ein gewaltiges Donnergetöse folgte einem Blitz auf den Fuß und ließ die Erde erzittern. Der Blitz explodierte in unmittelbarer Nähe von Francesco und schlug in einen Baum. Der Baum fing Feuer und ein abbrechender Ast klatschte zur Erde und traf Francesco an der Schläfe. Seine Kleider begannen zu brennen. Der Himmel schien sich auf zu tun. Blitze schossen im Zickzackkurs zur Erde gefolgt von Donnerschlägen, die das Trommelfell schier zum Platzen bringen wollten. Durch das Grollen des Gewitters tobte die Stimme einer grausamen Macht: „Du sollst nicht töten“ Du sollst nicht töten!“
Die Schleusen des Himmels öffneten sich und Wasserströme ergossen sich auf die Erde. Francesco lag in einem Gemisch von Blut, Federn und Asche. Der tote Vogel lag neben ihm auf dem Acker und der tote Mann lag schwer auf ihm. Francesco schob ihn von sich und versuchte aufzustehen. Ein neuer Blitz schlug ein und verbrannte den Mann und den Vogel. Francesco schleppte sich ein Stück weiter und blieb schließlich regungslos liegen. Sterne tanzten vor seinen Augen und die Sinne schwanden ihm. Eine Ader im Gehirn platzte und nahm ihm in seiner Besinnungslosigkeit sein Leben

Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne schienen auf einen kleinen See, der halb versteckt zwischen ausladenden Bäumen eines naturbelassenen Parks lag. Ein Weg führte um ihn herum und 4 Seitenwege führten wie Finger einer Hand, welcher der Daumen abgetrennt worden war, in alle vier Himmelsrichtungen. Leiser Wind wehte und dunkle Wolken kündeten davon, dass es in dieser Nacht noch ein Gewitter geben würde.

Das Zwielicht der herabfallenden Nacht legte sich wie ein Leichentuch auf den nahen Ort. Die Menschen schickten sich nach vollbrachtem Tagwerk an, in den letzten Stunden vor der Nachtruhe eine Zeit der Muße zu finden, bevor sie in das Dunkel der Träume fielen, die sie erfrischt und belebt in den neuen Tag entließen. Oder aber auch als Alb dem Schläfer den erholsamen Schlaf raubten und qualvolle Träume als Beigabe des Schlafes den Träumer in Angst und Schrecken versetzten.

Am nächsten Tag wurde in der Pathologie der Gerichtsmedizin ein neuer Fall eingeliefert. Es handelte sich um einen 45-Jährigen Mann, ca. 185 cm groß, ausländischer Herkunft, mit einem auffallenden Muttermal auf der linken Gesichtshälfte. Der Mann wog um die 90 kg. Seine Kleidung wies Brandspuren auf und rochen verkohlt. Sie waren mit Blut durchtränkt. Ob es sein eigenes war oder das einer anderen Person stand noch nicht fest. Es stand auch noch nicht fest, wann der Tod eingetreten war. Ebenso stand noch nicht fest, ob der Tod durch Fremdverschulden oder durch eigene Hand verursacht worden war. Fest stand nur, der Mann war tot, unwiderruflich.

Autor:

Ingrid Lenders aus Duisburg

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