Der Duisburger Axel Christian Schullz hat einen „Grundgesetz-Popsong“ komponiert
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“
„Viele haben es schon gar nicht mehr auf dem Schirm. Am 23. Mai 1949 trat das Grundgesetz in Kraft.“ Mit diesen Worten beginnt der Duisburger Komponist Axel Christian Schullz das Gespräch mit dem Wochen-Anzeiger über sein neues musikalisches Projekt. Er hat den Originaltext des Artikel 1 des Gesetzeswerkes in einem Popsong vertont. Schullz setzt sich spontan ans Klavier und legt los.
Er haut in die Tasten. Eingängig, einprägend und mitreißend singt er den Wortlaut des ersten Artikels des Grundgesetzes. „So werden trockene Rechtstexte lebendig“, lacht er anschließend, wird aber sogleich wieder ernst. „Das Grundgesetz gab den Menschen in unserem Land nach den Kriesgjahren und der Nazi-Herrschaft das sichere, motivierende und zukunftsweisende Gefühl von einer neuen Freiheit in Menschlichkeit und Würde“, sagt er. Nicht ohne Grund heißt es ja schon im ersten Artikel : „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Menschenwürde und Menschenrechte seien längst nicht in allen Ländern in der Verfassung verankert. Und nicht selten würden Menschenrechte mit Füßen getreten. All' das hat den Komponisten, Musiklehrer, Sänger und Chorleiter schon immer bewegt, aufgewühlt und zu „musikalischer Gegenwehr“ inspiriert. Auch mit der Vertonung der UN-Menschenrechtserklärung hat Axel Christian Schullz für nahezu weltweites Aufsehen gesorgt. „Sing Human Rights“ heißt sein Projekt der gesungenen Menschenrechte.
„Einen gesungenen Text behält man viel besser im Gedächtnis als gesprochene Worte. Und je mehr Menschen ihre Rechte kennen, desto mehr Menschen werden ihre Rechte auch einfordern. Und wenn mehr Menschen ihre Menschenrechte einfordern, wird diese Welt hoffentlich ein besserer Ort“, erläutert er die Umsetzung dieser Idee.
Dankbarkeit
Nachdenklich ergänzt er: „Ich bin sehr dankbar, in einem Land zu leben, in dem ich mich nicht vor willkürlicher Verhaftung fürchten muss, in dem ich mich mit anderen versammeln darf, in dem ich das Recht auf angemessene Arbeitsbedingungen und Schutz gegen Arbeitslosigkeit habe.“ Er könnte noch viel mehr aus Grundgesetz und Menschenrechtsartikeln aufzählen. „Ich träume davon, dass eines Tages jedem Menschen in jedem Land seine Menschenrechte gewährt werden“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Vielleicht hilft seine Musik ja ein kleines bisschen mit, dass diese Träume Wirklichkeit werden.
Axel Christian Schullz ist in Bremen geboren und aufgewachsen. Die Jugendarbeit dort bei Ten Sing brachte ihn zur Musik. In der Gruppe wurde gemeinsam gesungen, Theater gespielt und getanzt. Es gab eine Band, eine Technikgruppe, und selbst die Chorleitung wurde von den Jugendlichen übernommen. Dort hat er die ersten Stücke am Klavier spielen gelernt und auch das erste Mal einen Chor geleitet.
Zum Studium der klassischen Komposition kam er nach Essen an die Folkwang-Hochschule. Neben dem Studium übernahm er schon die Leitung von Gospelchören. Bei seiner Arbeit war und ist ihm stets der Inhalt der gesungenen Texte wichtig. Seit 2009 macht er mit dem Projekt „Sing Human Rights“ musikalische Menschenrechtsbildung. Noten und Aufnahmen stellt er Chören in aller Welt kostenlos zur Verfügung. Im selben Jahr ist der 47jährige Vater von vier Kindern der Liebe wegen auch nach Duisburg, genauer gesagt, nach Neumühl gezogen. Als 2015 viele Flüchtlinge nach Deutschland kamen, initiierte er den Menschenrechte-Chor in der Gnadenkirche der Evangelischen Kirchengemeinde Neumühl, bei dem Geflüchtete gemeinsam mit Einheimischen Menschenrechte sangen.
Herausforderung
Und es ging weiter. Als die Leibniz-Gesamtschule in Hamborn vor zwei Jahren einen Musiklehrer suchte, stellte er sich dieser Herausforderung. Seitdem unterrichtet er im Duisburger Norden Musik und singt, wenn Corona es zulässt, mit seinen Schülerinnen und Schülern auch Menschenrechte. 2019 wurde das Grundgesetz 70 Jahre alt. Da wagte Schullz sich an den ersten Artikel der deutschen Verfassung und komponierte eine Melodie dazu. Doch die Komposition verschwand in der Schublade.
Im Frühjahr erzählte er einer Kollegin von seinen Rechtsvertonungen und auch von Artikel 1 des Grundgesetzes. Dabei fiel ihm auf, dass er gar keine Aufnahme hat, die man den Kindern und Jugendlichen vorspielen könne. Deshalb machte er sich daran, den Song produzieren zu lassen. Und jetzt, zum 72. Geburtstag der deutschen Verfassung ist „Die Würde des Menschen“ erschienen. Natürlich soll der Popsong künftig große Verbreitung finden.
Unterstützung dafür hat bereits der Duisburger Landtagsabgeordnete Frank Börner signalisiert. Dessen Sohn Ben ist Schüler von Schullz. Vater und Sohn sind von dem Song begeistert, der inzwischen auf allen Streamingdiensten verfügbar ist, aber auch kostenlos heruntergeladen werden auf www.sing-human-rights.org/gg.
Autor:Reiner Terhorst aus Duisburg |
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