Gefährliches Tauziehen
,Rettungssanitäterin kämpft um die Finanzierung der Notfallsanitäter-Ausbildung in NRW
Rettungssanitäterin Diana Nellen (30) kämpft in Duisburg mit einer Online-Petition darum, dass sie und tausende weitere Rettungskräfte ihre Zusatzausbildung zum Notfallsanitäter machen können, bevor Ende 2020 die Frist dazu abläuft. 450 Unterschriften hat sie in zwei Wochen gesammelt, mit der Bitte an Oberbürgermeister Sören Link, die Krankenkassen umzustimmen.
Bislang weigern sich die Krankenkassen in NRW, die Ausbildung zum Notfallsanitäter komplett zu übernehmen, obwohl es ihnen gesetzlich vorgegeben ist. In allen übrigen Bundesländern zahlen die Krankenkassen diese Ausbildungskosten, was natürlich nachdenklich stimmt. Während die zähen Verhandlungen in NRW noch laufen, verrinnt die Zeit für alle Rettungsassistenten, die die Zusatzausbildung zum Notfallsanitäter machen wollen. Nur noch bis zum 31. Dezember 2020 können sie diese Zusatzprüfung ablegen. Nach dieser Frist müssen alle die volle dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter absolvieren, egal, wieviel Berufserfahrung sie mitbringen.
Das betrifft nicht nur die Hilfsorganisationen, sondern auch die Berufsfeuerwehr Duisburg: „Es wäre bei uns undenkbar, 20 Kollegen für mehrere Jahre zwecks Ausbildung aus dem Dienst zu nehmen“, betont Brandrat Christian Umbach, stellvertretender Leiter der Feuerwehr, „wir versuchen daher, möglichst viele unserer Leute nachzuschulen.“
Diese Nachschulungen bei der Berufsfeuerwehr laufen seit 2017 und dauern nur drei Wochen, inklusive Prüfung. Wenig Zeit für viel Lernstoff, aber die Zeit drängt.
Fachkräftemangel im Rettungsdienst
„Das ist eine echte Druckbetankung“, so Umbach weiter, „und mitmachen dürfen nur die, die schon mindestens fünf Jahre als Rettungsassistent vorweisen können. Diese Kurzausbildungen sind für uns der Rettungsanker, der das System möglich macht.“ Christian Umbach hat wenig Verständnis für das Verhalten der Krankenkassen, immerhin gebe es glasklare gesetzliche Vorgaben: „Wir brauchen durchgängig 260 Notfallsanitäter. Bis 2027 muss der Bedarf gedeckt sein.“
Das wird schwierig, denn schon jetzt ist der Fachkräftemangel im Rettungsdienst gravierend. Rettungskräfte werden überall händeringend gesucht, und wer eine ganz neue Ausbildung anfängt, ist erst nach drei Jahren fertig. Wenn dieses Rettungssystem zunehmend in die Schieflage gerät, müssen die Patienten darunter leiden.
Und aus noch einem anderen Grund drängt die Zeit: Da wegen der hohen körperlichen und psychischen Belastung nur wenige die Rettungseinsätze bis zum 65. oder 67. Lebensjahr ausüben können, müssen immer wieder jüngere Kräfte nachrücken.
Diana Nellen würde das gerne tun. Über ein Bundes-Freiwilligenjahr bei den Johannitern hat sie vor Jahren ihre große Leidenschaft für den Rettungsdienst entdeckt. Inzwischen ist sie als Rettungssanitäterin der Johanniter auf den Feuerwachen in Duissern und Homberg stationiert. Die 24-Stunden-Dienste sind anstrengend. Durchschnittlich zehnmal pro Schicht muss man rausfahren. "Entweder man hasst es oder man liebt es“, weiß Diana Nellen, die eindeutig zur zweiten Gruppe zählt. "Mein Job besteht aus Nachtschichten, rausfahren, verletzte Menschen die Treppe runtertragen, im Winter auf eiskalter Straße Verbände anlegen. Ich mache meinen Job gern. Aber ob ich das machen kann, bis ich 67 bin, weiß ich nicht.“
Mit der Fortbildung zur Notfallsanitäterin hätte sie mehr Rechtssicherheit und höhere Kompetenzen, dürfte zum Beispiel auch Medikamente verabreichen, zusätzliche Verantwortung tragen und käme in den Genuss eines höheren Gehalts. Es wäre ein wichtiger und verdienter Schritt in eine sicherere Zukunft. Als ausgebildeter Notfallsanitäter kann man außerdem in einem höheren Alter auch in weniger aufreibende Gesundheitsfachberufe ausweichen. All diese Punkte machen den Notfallsanitäter zu einem reizvollen Beruf, der wieder mehr Interessierte anziehen könnte.
Solange sich die NRW-Krankenkassen aber weigern, die Ausbildungskosten zu übernehmen, hängt alles in der Schwebe: auf Kosten engagierter Rettungskräfte und letztendlich zum Leidwesen der Patienten, die in Notsituationen auf qualifizierte Rettungskräfte angewiesen sind.
Dezernent unterstützt die Aktion voll und ganz
Diana Nellen hat die Online-Petition auf die Beine gestellt, um auf all die Missstände aufmerksam zur machen. Bei der Übergabe der 450 Unterschriften auf der Feuerwache 1 in Duissern war auch Feuerwehrdezernent Dr. Ralf Krumpholz zur Stelle und betonte, dass er die Aktion voll unterstütze: „Ich kann die Sorgen der Johanniter verstehen und teile sie. Wir sitzen im selben Boot, denn auch wir als Stadt sind auf die Gelder angewiesen, um Rettungskräfte auszubilden.“ Den Karton mit den Unterschriften nahm er gern von Diana Nellen entgegen, um ihn Sören Link zu überbringen. Dann heißt es abwarten, ob der Oberbürgermeister etwas bewegen kann.
Diana Nellen hofft – wie tausende weitere Rettungsdienstler – darauf, dass sich bald etwas bewegt und die Krankenkassen Einsicht zeigen, denn momentan fühlt sie sich unsicher und in ihrem persönlichen Werdegang ausgebremst.
Info
Wer sich für das Thema und die Petition interessiert, findet unter folgendem Link alle Informationen dazu und kann sich an der Diskussion beteiligen: https://www.openpetition.de/petition/online/lieber-herr-link-die-sanitaets-und-rettungskraefte-in-duisburg-brauchen-sie
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Autor:Andrea Niegemann aus Duisburg |
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