Dirk Bohlen (59) aus Hamminkeln
Wie der Traum vom Lehrersein platzte

Dirk Bohlen wollte als Seiteneinsteiger Lehrer werden. Nach sechs Monaten stieg er wieder aus. | Foto: Bohlen
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Nur etwa ein halbes Jahr dauerte sein "Gastspiel" an einer Hamminkelner Grundschule, dann schmiss Dirk Bohlen seinen Lehrerjob hin. "Zu ungesund", lautet seine Kurzfassung.

Der 59-Jährige wollte als Seiteneinsteiger in den so genannten Nebenfächern unterrichten. Als Voraussetzung diente sein Englischstudium, außerdem holte er privat sein silbernes Rettungsschwimmer-Abzeichen für die Abteilung Jugend nach, "denn qualifizierte Schwimmlehrer sind besonders rar". Aus Hineinschnuppern in den Unterricht wurde regelmäßiges Hospitieren, nach und nach übernahm der ehemalige Redakteur erste Unterrichtseinheiten, alles lief gut und mündete in einer Vollzeitstelle ab dem Schuljahr 2023/2024. "Die pädagogische Ausbildung sollte ich berufsbegleitend an eineinhalb Tagen pro Woche absolvieren", erinnert sich der Hamminkelner.

Personalnot war groß

Aber es kam anders, die Personalnot war zu groß, so dass die pädagogische Ausbildung auf Eis lag: Dirk sollte gemeinsam mit einer Kollegin eine erste Klasse unterrichten. Weil jedoch seine Coach-Kollegin kurzfristig Orga-Aufgaben übernehmen musste, geriet dieser Plan ins Wanken. Krankheitsbedingte Ausfälle zogen Umbesetzungen nach sich, die den Quereinsteiger täglich mit neuen, unerwarteten Aufgaben konfrontierten - quer durch alle Klassen, von der Eins bis zur Vier.

Wie geht man mit Verweigerern um?

"Das Unterrichten funktionierte, solange die Schüler mitmachten. War das aber nicht der Fall, geriet ich bisweilen in eine pädagogisch wertlose Schieflage." Wie geht man mit Kindern um, die nicht hören oder machen, was der Lehrer sagt? Wie setzt man sich pädagogisch richtig durch? Wie bekommt man die Lautstärke in der Klasse gesenkt, wenn der "Schweigefuchs" nicht zum Erfolg führt? Auf diese Fragen fehlten dem 59-Jährigen Antworten. Themen, die wohl in der pädagogischen Fortbildung behandelt worden wären, aber die fiel für den Seiteneinsteiger ja aus. Er wurde Vollzeit in der Schule gebraucht.

Anfängerfehler

Dirk schildert ein Beispiel: "Lennert (Name geändert) äußerte vehement seine Langeweile und trat binnen drei Minuten hundert Mal gegen seinen Tisch, Stuhl oder Schrank. Weil ich vorzugsweise Unterricht machte, statt mich minutenlang um den Störenfried mit medizinischer Indikation zu kümmern, schickte ich ihn zweimal vor die Klassentür, auf die er dann von außen eintrat." Diese Tür hätte er besser offen gelassen. „Verletzung der Aufsichtspflicht“, rief ihn die Schulleiterin beim nachfolgenden Strategiegespräch zur Raison.

Kurzfristiges Einspringen gehörte zum Alltag

Dieses Gefühl der Überforderung manifestierte sich. Dirk schlief schlecht, grübelte viel. Hinzu kam kurzfristiges Einspringen, wenn Kollegen sich am Abend oder auch am Morgen vor Unterrichtsbeginn krank meldeten. "Ich durfte weder Mathe noch Deutsch unterrichten, das dürfen nur Lehrkräfte, die diese Fächer studiert haben. Aber bevor der Unterricht ausfiel, wurde an dieser Grundschule der Vertretungslehrer eingeteilt. Und das war nun mal ich", berichtet Dirk.
Im Nachhinein weiß er, er hätte sich noch mehr Hilfe bei erfahrenen Kollegen holen müssen. Die hätte er bekommen, ist er überzeugt. "Ich wollte zu viel alleine regeln."

Zusammenbruch im Unterricht

Das bezahlte er mit seiner Gesundheit: Dirk, bislang fit und gesund, fiel im Unterricht in Ohnmacht. Er habe sich nicht schlecht gefühlt vorher, sagt er. Allerdings erinnert er sich weder an die 15 Minuten vor dem Zusammenbruch noch, wie er in den Rettungswagen gekommen ist. Die Untersuchung im Krankenhaus ergab einen viel zu hohen Blutdruck, vermutet wird eine psychosomatische Ursache. Fortan musste er Betablocker nehmen, die er inzwischen wieder absetzen konnte.

Nach seinem Zusammenbruch malten die Erstklässler Genesungswünsche für "ihren" Herrn Bohlen.  | Foto: Bohlen
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Ärztemarathon ohne neue Erkenntnisse

Der Zwischenfall machte ihn nachdenklich, Dirk startete einen Ärztemarathon. Alles ohne weitere körperliche Befunde. Nur ein Psychologe legte ihm eine Therapie nahe. Doch Dirk machte weiter wie bisher. Die Schulleiterin wurde langsam ungeduldig, die Schonzeit des Seiteneinsteigers war vorbei. "Sie legte mir eine Mängelliste mit meinen Defiziten vor, eine komplette DinA4-Seite, und empfahl eine Stundenreduzierung." Hätte Dirk vorher gewusst, dass er als Anfänger in diesem Job die Unterrichtsstunden mal zwei nehmen muss, um mit Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, Konferenzen, Elterngespräche und vielem mehr alle anfallenden Aufgaben gut zu erfüllen, hätte er vielleicht darüber nachgedacht, in Teilzeit zu starten. Aber sein Einkommen war fest eingeplant, und so wollte er weiter durchziehen. "Ich fühlte mich von den Verantwortlichen aufs Glatteis geführt", erinnert der 59-Jährige sich an das Gespräch mit der Chefin.

Körperliche Symptome

Nur wenige Tage später kündigte sich der nächste Kollaps an: "Mein Tinnitus schwoll an, ich konnte schlecht sehen, in der Nacht kam Herzrasen hinzu." Dirk meldete sich ab - zunächst vom Unterricht und dann, schleichend, gedanklich aus dem Schulsystem. "Als Redakteur war ich Überstunden und ungewöhnliche Arbeitszeiten gewöhnt. In dem neuen Job fehlte mir einfach die Strategie, um mit einem derart hohen Stresslevel unter nervlicher Anspannung und einem konfliktgeladenen Lärmpegel in Schwerlastverkehr-Lautstärke umzugehen."
Eines ist ihm aber wichtig zu betonen: "Weder die Kinder noch die Kolleginnen trifft eine Schuld! Es ist das mangelhafte Konzept für Quereinsteiger im Schuldienst, das mich überrollt hat!"

Dirk Bohlen wollte als Seiteneinsteiger Lehrer werden. Nach sechs Monaten stieg er wieder aus. | Foto: Bohlen
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Autor:

Miriam Dabitsch aus Velbert

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