Spaßbadliegenjagd - oder: Wie ich meine Mitmenschen lieben lerne

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Okay, mein Auto brauche ich auch höchstens eine Stunde täglich. Aber das hab’ ich vorher bezahlt. Es ist sozusagen meins. Sie verstehen nur Bahnhof? Es geht um Ruheliegen im Spaßbad. Moment noch - ich komme zur Sache ...

Es ist ein echter Schmuddeltag. Viel Regen, kalt, windig. Wir entscheiden uns für ein paar Stunden im Badetempel, 20 Kilometer nördlich von Wesel. Frisch abgeduscht, die chemischen Folgen der ersten Hitzeattacke in der Umkleide beseitigt, stehen wir im Entrée zum Schwimmbereich und halten Ausschau nach einer freien Liege.

Die Situation ist schnell gecheckt: 50 bis 60 Objekte der Begierde stehen zur Verfügung, ein rundes Dutzend befindet sich in Benutzung. Auf allen anderen liegen Handtücher und Taschen. Untrügliche, demonstrative Zeichen deutscher Besitzergreifung.

Nach zwei Komplettrunden durch die Einrichtung hat sich die Lage nicht geändert. Und zwar dergestalt, dass Mamas oder Omas auf den Familienbestand der ergatterten Liegen aufpassen, während Papa und die Kids sich beim Schwimmen vergnügen oder den Spaßbadimbiss belagern.

Beim Personal frage ich nach, ob es noch irgendwo freie Stühle oder Liegen gibt. „Alles belegt!“, erklärt mir ein hagerer Dreißiger hinterm Aufpassertresen. Ich finde, er hat die Realität klar verkannt. Meinen verärgerten Blick konternd, fügt er an: „Sie können sich am Sprungbecken auf die Marmorbank setzen. Die ist geheizt.“
Unbeeindruckt informiere ich meine Familie. Wir setzen uns auf die Popoheizung und gucken springenden Pubertierenden zu. Ich will nicht baden gehen, weil ich den Verlust unseres Platzes fürchte.
Eine halbe Stunde später sehe ich, wie am Spaßbeckenrand eine Mutter mit zwei Kindern eine (!) Liege frei macht. Als ich kurz danach an der Stelle aufschlage, ziehen schon zwei andere Väter enge Kreise um das Ding wie Haie ums Blut im Wasser.

Mittlerweile sind wir seit rund 60 Minuten hier. Ich war noch nicht im Becken und bin eher unentspannt. Es werden weitere 90 Minuten vergehen, in denen uns ein älteres Ehepaar, anwesend mit drei Enkelinnen, seine Liegen überlässt.
Und was lernt man als gefügiger Ehemann und toleranter Familienvater an so einem Tag? Frage nicht nach Sinn und Kosten, mach’ lieber Deine Familie glücklich.
Und denk’ nicht zu lange über Vom-Beckenrand-Springer und Pommesesser nach, die ihre Liegen so behandeln wie Du Dein Auto.

(erbitte viele Kommentare zu diesem Thema!)

Autor:

Dirk Bohlen aus Hamminkeln

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