Kindheit am Niederrhein - Die perfekte Kaffeetafel
Wenn ich heute an meine Kindheit zurückdenke, habe ich manchmal einen seltsamen Flashback ... dann kommt es mir so vor, als wäre alles rosarot gewesen, muckelig und irgendwie .... perfekt ....
************************************************************************************
Mit ein Grund dafür, warum mir meine Kindheit heute manchmal als "irgendwie perfekt" erscheint mag die Tatsache sein, dass meine liebe Mama sich immer mit allem so viel Mühe gegeben hat. So zum Beispiel bei der Vorbereitung eines Familien-Sonntag-Nachmittags-Kaffee.
Da kamen dann alle Onkel und Tanten mit unseren Cousins und Cousinen und es war immer ein großes Hallo.
Schon zwei Tage vorher machte Mama uns alle und vor allem sich selber verrückt mit einkaufen, Kuchen backen, Serviettenauswahl, Tischdecken in die Mangel bringen und wieder abholen, Silber polieren, sinnigerweise Oma's 'Erbgeschirr' aus dem Schrank nehmen und vorher nochmal abspülen und, und, und ...
Als kleines Mädchen fand ich diese Hektik geradezu elektrisierend. Aufgeregt sprang ich um meine routierende Mutter herum und habe ihr sicher manchesmal den letzten Nerv geraubt. Aber das machte nichts, wir hatten immer viel Spass in der Küche und ich half nach kräften, indem ich alle Rührschüsseln mit Kuchenteig restlos sauber leckte.
Mutter wäre natürlich am liebsten gewesen, wenn das Kuchen backen ein Familienspass gewesen wäre und rief immer wieder nach oben zu den Kinderzimmern hinauf meine Brüder, aber die ließen sich nur sporadisch mal blicken mit den Worten:"Backen ist doch Weiberkram, wir haben wichtigeres zu tun!" und dann gingen sie wieder nach oben und kitzelten sich gegenseitig an den Füßen.
Füße kitzeln war bei meinen Brüdern die "Währungseinheit" für ein Asterixheft oder einen sonstigen Comic. Die meisten davon gehörten Bernd, dem ältesten von uns und Andreas (das mittlere Kind) bekam sie nur zu lesen, wenn er Bernd für 10 Minuten an den Füßen kitzelte.
Aber zurück zu den Kaffeetafel Vorbereitungen.
Ich fühlte mich indessen immer etwas zwigespalten. Ich wäre auch gern nach oben gegangen, gucken was meine Brüder so treiben und selber mit meinen Puppen spielen oder auch ein Bild malen. Aber dann sah Mama mich immer so traurig an und so ich blieb bei ihr.
Am liebsten half ich immer beim Tischdecken, dies stellte eine besondere Herausforderung dar, denn meine Mutter legte dabei größten Wert auf Akkuratesse. Die Teller mussten alle den gleichen Abstand zum Tischrand haben und die Kaffeetassen in einem bestimmten Winkel zu den Kuchentellern stehen, den Henkel für die Zeigefinger 'griffbereit'. Die zuvor sorgfältig polierten Kaffeelöffel auf den Untertassen guckten ebenfalls alle in die selbe Richtung.
Zum Schluss wurden noch die Servietten kunstvoll um die Zinken der Kuchengabeln gewickelt, eine Kerze oder (je nach Saison) ein kleiner Strauß Maiglöckchen auf den Tisch gestellt. Selbst gebackener Kuchen kam erst auf den Tisch, wenn die Gäste bereits eingetroffen waren und dann wurde es laut im Haus. Mama und ihre Geschwister lachten und schwazten immer gern und viel, Papas Geschwister waren eher von der ruhigen Sorte, reihten sich aber höflichkeitshalber in das überschwängliche Begrüßungsritual mit ein. Wir Kinder sahnten, solange wir noch klein waren, stets ein bis zwei DM für die Sparbüchse ab.
Mutter war es immer so wichtig, dass beim großen Sonntags-Nachmittags-Kaffee keine Peinlichkeiten passierten und so hatten wir Kinder die strickte Anweisung erhalten uns auch ja anständig zu benehmen! Ob uns das immer so gelungen ist, überlasse ich der Fantasie der Leser ;o)
Autor:Imke Schüring aus Wesel |
23 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.