Sport bringt Inklusion ins Rollen: Badminton-Abteilung des Hamminkelner SV hat jetzt zwei neue Rollstühle
Christine Schuh (42) ist zufrieden. Sie hat gerade die erste Testfahrt absolviert im neuen Rollstuhl. „Läuft“, sagt die Österreicherin aus Blumenkamp, die seit ihrem elften Lebensjahr querschnittsgelähmt ist. Das sportliche Gefährt steht im Geräteraum der Turnhalle an der Diersfordter Straße und ist eines von zwei Neuanschaffungen der Badminton-Abteilung des Hamminkelner SV. Die hat sich zum Ziel gesetzt, den Sport auch Leuten zu ermöglichen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind.
Nach einem Schnupper-Training vor rund zwei Jahren ist ein halbes Dutzend Rollstuhlsportler dabei geblieben und hat seither erstaunliche Fortschritte am Netz gemacht. Mit den zwei neuen Rollis sollen's noch mehr werden, die trotz ihres körperlichen Handicaps in Bewegung kommen. „Wir hoffen, dass wir vor allem jungen Rollstuhl-Fahrern jetzt leichter vermitteln können, dass unser Sport für sie eine Chance ist“, sagt Abteilungsleiter Horst Fehlings. Er ist davon überzeugt, dass seine Rolli-Gruppe nun weiteren Zuwachs erfährt.
Überzeugt hat Fehlings im Vorfeld den Sponsor, der den materiellen Grundstein gelegt hat, damit die Idee der Badminton-Abteilung ins Rollen kam. Denn so ein Sport-Rollstuhl kostet um die 3500 Euro - ein Betrag, der einen Einzelnen schon mal überfordern kann und und auch für eine so kleine Abteilung im Sportverein kaum zu stemmen ist. Die helfende Hand ist leicht auszumachen. Die Schutzverkleidung der beiden auffällig schräg angebrachten Räder zeigt Format füllend das Logo der Volksbank Rhein-Lippe, die mit freundlicher Unterstützung des Weseler Sanitätshauses Luttermann die Anschaffung der beiden Sport-Rollis möglich gemacht hat.
Christine Schuh jedenfalls ist begeistert. Der Unterschied zu ihrem „Allrounder“ sei höchst erstaunlich. „Ich kann viel schneller drehen. Der ist total wendig“, lautet ihr Ersturteil. Doch der materielle Schub ist weniger in wettkampfsportlicher Hinsicht von Wert. Denn vor allem die Freude am anspruchsvollen Spiel mit dem federleichten Ball steht bei den Akteuren im Vordergrund. „Wir zählen keine Punkte“, sagt Nina Kühler (38). Badminton ist hier nah am Federball. Im Rollstuhl ist das aber schon eine koordinative Höchstleistung. Das Netz ist für Rolli-Spieler tiefer gehängt. So können sie das anfliegende Spielgerät besser erkennen. In der Tat entwickelt sich ein längerer Ballwechsel. Immer wieder fliegt der Ball übers Netz und findet den Weg zurück, ohne auf den Boden zu fallen.
„Das macht total viel Spaß“, sagt Nina. Die 38-Jährige ist seit ihrer Geburt querschnittsgelähmt. Der sportliche Funke ist auch auf ihren Vater Gerhard Kühler übergesprungen, der sie damals zum Schnupper-Training begleitet hat. „Seither bin auch ich dabei“, sagt er.
Einer der Eifrigsten beim Training ist Holger Frütel (62). Nach Komplikationen in Folge einer Operation ist dem begeisterten Sportler das linke Bein amputiert worden. In seinem Heimatclub TV Voerde hat der selbstständige Metallbau-Konstrukteur versucht, ein Sportangebot für Rollstuhl-Fahrer aus der Taufe zu heben. Vergeblich. Dann hat er von der HSV-Gruppe gehört, ist hingefahren und fehlt bei kaum einer Trainingseinheit.
Auch wenn der Mann mit dem präzisen Schmetterschlag ab und an der einzige Rolli-Mann in Halle ist, kommt er gehörig ins Schwitzen. „Dann spiele ich eben gegen einen von den Spaziergängern“, wie er die Spieler des Kreisliga-Mannschaft salopp nennt, die zeitgleich in der Halle trainieren. Er ist Teil des Teams. „Du musst mehr ins Rollen kommen und nicht nur auf der Stelle schlagen“, lautet die Anweisung von Trainer Horst Fehlings.
Wie wichtig es ist, aktiv zu sein und sich unter Menschen zu begeben, betont Daniel Fratz (34), der wie Nina Kühler nie die Chance hatte, laufen zu lernen. Er hat es mit mehreren aus seiner Rollstuhl-Tanzgruppe beim HSV auch mal am Badminton-Netz versucht und war gleich begeistert: „So kommt man viel leichter auch mit Nichtbehinderten ganz normal ins Gespräch und verbessert gleichzeitig auch körperlich seine Beweglichkeit. Das ist sehr gut.“ Und es macht selbstbewusst.
Auch wenn er es mit seinem Rolli bei dieser rasant schnellen Sportart auf dem rutschigen Hallenboden nie auf Augenhöhe mit Spielern schafft, die sich auf zwei gesunden Beinen bewegen. Das sei beim Bogenschießen, das der Mann aus Brünen ebenfalls betreibt, schon etwas anders. „Da sind wir beim Championat mit Pfeil und Bogen an der derselben Linie, und alle haben dasselbe Ziel.“ Das gilt beim Badminton naturgemäß nur recht eingeschränkt.
Mit den zwei neuen Rollis aber haben sich die Sportler beim HSV wieder ein Stückchen weiter aufeinander zubewegt.
Autor:Lokalkompass Kreis Wesel aus Wesel |
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