Kurz-Interview mit York Hovest
Wie man mit Tiefkühlkost, Cola und Lammfell feuchte 5000 Kilometer auf dem Atlantik durchsteht
Vor rund 80 Jahren gab's mal diesen Thor Heyerdahl und Kon-Tiki, sein Floß aus Balsaholz, mit dem er anno 1947 von Lima aus über den Pazifik segelte. Der Norweger wollte damit beweisen, dass die Besiedlung Polynesiens von Südamerika aus mit den technischen Möglichkeiten des präkolumbischen Perus schon vor der Zeit der Inka möglich war.
Wussten Sie, dass dem Schoß der Stadt Wesel ein ähnlich wahnsinniger Typ entschlüpfte? Zusammen mit zwei Freunden überquerte York Hovest den Atlantik in einem elf Meter langen Ruderboot aus Carbon. 5000 Kilometer in 50 Tagen. Unmöglich, sagen Sie? Doch, es hat geklappt - ganz gut sogar. Mit Gewichtsverlust und Hämathomen am Hintern - aber es ging. Lesen Sie mal ....
Wir sind im proppenvollen Scala-Kino, wo York Hovest von seinem Abenteuer erzählt und Bilder und Videos zeigt. Da steht der 42-Jährige im weißen Hemd, noch braungebrannt (oder ist er's immer?). Viele der Zuhörer kennen ihn, obwohl er seit geraumer Zeit in München lebt. Trotzdem stellt er sich brav vor, nämlich als reiselustiger, tauchaffiner Weltenbummler, der irgendwann wach wurde. Schon nach wenigen Bilder seiner Präsentation schnallt man: Unser Globus ist beeindruckend schön, aber zugleich beängstigend gefährdet. Wo Orkas, Haie und Rochen schwimmen, da zerstört industrieller Fischfang die Lebensgrundlage der Tierwelt. Wie lange kann das noch gutgehen?
York Hovest ist gern dort wo's wehtut. Körperlich und emotional. Und er hat verstanden, wie ambitionierte Projekte funktionieren. Mit Willensstärke, jeder Menge bedingungslosem Support - und mit Geld, viel Geld. Das hat er selber nicht, deshalb müssen Sponsoren her. Zur Freude aller Beteiligten gab es davon genügend, und das Trio Andreas Stollreiter (41), Rainer Ballwanz (60) und York konnte sein Atlantik-Abenteuer nach entsprechender Planung starten.
Die Zuhörer erfahren Wissenswertes über die Vorbereitung am Starnberger See, der Testphase für Mensch und Material. Dann wird's ernst - am 1. Dezember 2019: Das Ruderertrio beginnt sein Abenteuer und startet von den Kanarischen Inseln aus. Direkt in einen fiesen Meeressturm hinein, mit acht Meter hohen Wellen und Windstärke 110+. Sehr beängstigend, aber nicht lebensbedrohlich.
Schwein gehabt.
In der zweiten Woche wird's besser, die Männer gewöhnen sich an das tägliche Einerlei aus Rudern, Essen und schlechtem Schlaf. Tatsächlich passiert während dieser 50 Tage nichts wirklich Gefährliches. Außer, dass die Steuerrudervorrichtung bricht. Aber auch das bekommen die Abenteurer in den Griff. Was nach rund 100 Minuten Zuhören hängen bleibt, sind vor allem die Eindrücke von Strapazen, Fertigspeisen, drangvoller Enge und mangelnder Körperpflege. Doch der Vortrag driftet nie ab in Gejammer, denn Hovest reichert in genau im richtigen Maße an mit Späßchen und humorvoller Kommentierung. Das kommt an!
Am Ende wabert Bewunderung durch den Kinosaal. Aber nicht nur. Auf die kritische Frage einer Frau, warum er nicht intensiver auf dräuende Umweltprobleme hingewiesen habe, sagt der sympathische Abenteurer: "Darauf kam es uns in diesem Fall nicht an! Wir wollten ja nicht dort hin, wo die Küsten plastikversucht sind. Dort kann man auch gar nicht rudern!"
Dass Hovest sich bei anderen Gelegenheiten um eben diese Dinge kümmert, muss er nicht mehr beweisen. Unterm Strich weiß der Dokumentator, dass Hinweise auf Elend nur durch eine gelungene Kombination mit Werbung und Positivismus bei denen ankommen, die an dem Elend etwas ändern können. Der beste Beweis: sein Bildband "Helden der Meere", der die Realität der Ozeane zeigt, wie sie ist.
Und wenn einem dann am Ende die Mama vor dem schmunzelnden Auditorium küsst und sich ein Tränchen aus dem Auge reibt, dann ist sowieso alles in Ordnung ...
Interview
dibo: Lieber York, was und wen hast Du in den 50 Tagen am meisten vermisst?
York: Am meisten vermisste ich natürlich meine Frau und meinen Sohn, aber auch all die Entbehrungen, die so einen Reise mit sich bringt. Saubere Kleidung, ein Bett, die Dusche, frisches Obst usw.
dibo: Du betonst mehrfach, dass deine lockeren Sprüche vieles Erlebte verharmlosen. Wie schlimm war's denn tatsächlich?
York: Sobald man so eine Reise heil überstanden hat, neigt man dazu, alles positiv zu sehen und mit einer gewissen Euphorie zu schildern. Aber speziell der Tag 5, bei dem wir mit 8 Meter Wellen und über 100 kmh Sturm zu kämpfen hatten, war wirklich schlimm.
dibo: Redet man in 1200 Stunden unter drei Männern über Dinge, die einem sonst eher nicht über die Lippen kommen würden?
York: Mit Sicherheit gab es viele Gespräche, die in ihrer Intensität viel ausführlicher waren, als dass man sie so woanders hätte führen können. Auf dem Ozean hatten wir viel Zeit, um uns über alles mögliche Gedanken zu machen und auch über private Gefühle zu sprechen.
dibo: Hast Du das Gefühl, durch ein Buch und Fernsehauftritte auf die Menschen einwirken zu können?
York: Oh ja! Das Buch und die Fernsehauftritte sind meine Multiplikatoren und meine Mission, die globale Datenbank, das letztendliche Ziel zum Schutze der Ozeane, vermitteln zu können.
dibo: Du erzähltest von deinem Wunsch, mit einer Karawane die Sahara zu durchqueren. Was genau reizt dich an einer solchen Expedition?
York: Primär gesehen, reizt mich das Unbekannte. Die Wüste ist mir noch völlig fremd und so kann ich mir eine großangelegte Expedition in der Sarah für die Zukunft gut vorstellen.
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Video des Bayrischen Rundfunks
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Video der ARD-Sendung DAS!
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Alle Bilder zum Beitrag überließ uns York Hovest auf Anfrage.
Autor:Dirk Bohlen aus Hamminkeln |
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