Generalisierte Angststörung
Teil 1 Wie meine Angsterkrankung begann

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Text verfasst am 6.11.2020 um 10.10 Uhr vormittags

Wie meine Angsterkrankung begann

Hatte vorhin einen kleinen Tiefpunkt. Hab angefangen zu heulen und leicht zu verzweifeln an meinem verpfuschten Leben, das ja bereits zur Hälfte‚ rum ist. (Halb vorbei ist auch daneben.)

Ich bin eifersüchtig auf intelligente, gebildete Menschen, die eloquent diskutieren können und es schaffen, ihre eigenen Makel so geschickt zu umschreiben, dass jeder sie versteht und verzeiht.

Ich stelle in letzter Zeit immer häufiger fest, dass ich alles, was mich bewegt viel zu direkt ausspreche und dann leidig werde, wenn ich nicht verstanden worden bin.

Ich schaffe es einfach nicht zu „fesseln“, wie ich es mir wünsche, so wie diese intelligenten, gebildeten Menschen, die so eloquent diskutieren können.

Ich möchte euch gern von meiner generalisierten Angststörung erzählen, die mich schon mein ganzes Erwachsenenleben begleitet.
Aber nein, eigentlich bin ich schon als Kind sehr ängstlich gewesen, und ich hasse es nicht zu wissen, warum ich mein Leben lang vor allem und jedem Angst gehabt habe.Ich meine:
Was ist der Sinn bei diesem Leiden?

Aber ich wollte euch ja erzählen, wie es ist, wenn eine Angsterkrankung beginnt.Ich kann mich nämlich noch sehr gut an den ersten Tag erinnern das war 1991, ja sogar an die Stunde, als es richtig anfing.

Ich hatte gerade eine Ausbildung zur Krankenschwester angefangen und auch damals war ich sehr verzweifelt. Das lag daran, dass schon der erste Monat in der Krankenpflegeschule eine so immense Menge Lernstoff beinhaltete, dass ich mir gar nicht vorstellen konnte, wie ich mir das alles je merken sollte.
Es war, als stünde ich vor einem hohen Berg, der bereits in kurzer Entfernung immer steiler würde. Ich stand auch unter Druck, weil ich meiner Mutter versprochen hatte immer fleißig zu lernen.
Ich wollte eine gute Schülerin sein, weil mir die Arbeit im Krankenhaus in meinem sozialen Jahr zuvor so gut gefallen hatte.

Ja mein soziales Jahr davor war wirklich klasse gewesen. Voller positiver Energie und auch endlich voller guter Freundschaften. In meiner damaligen WG hatten wir so viele wirklich gute Gespräche geführt, hier fühlte ich mich sicher und geborgen.
Aber nach 365 Tagen war dieses Wohlgefühl vorbei, alle anderen hatten ihre Pläne und wir gingen getrennte Wege.

Auf einmal war ich ganz allein und langsam stieg diese Angst in mir hoch. Sie zog von den Knien über den Bauch, durch das Herz bis hinein in meinen Kopf. Und an diesem Tag, als es richtig los ging, sah ich keine Möglichkeit mehr dagegen anzugehen. Hoffnung schien tot in mir zu sein.Mausetot!

In der Stunde, als es losging, war ich felsenfest davon überzeugt, dass ich jetzt gleich sterben müsste.
Ich war mit meinen Mitschülern unterwegs zum Rhein. Es war ein spontaner Klassenausflug, der mich schon bei der Ankündigung ganz durcheinander gebracht hatte, denn ich brauchte schon immer einen festen und möglichst vorhersehbaren Tagesablauf, um mich sicher zu fühlen. Spontanität war noch nie so mein Ding.
Und jetzt kam eben dieser spontane Ausflug, das war der Tag an dem die Angst sich für sehr lange Zeit in meinem Kopf festsetzte.
Habt ihr schon mal echte Todesangst gefühlt? Man sagt das ja schnell mal so dahin: „Ich hatte eine Todesangst in dem Moment.“. Aber das ist oft nur, ein Schlagwort um gefühlte Gefahr zu verdeutlichen und echte Todesangst fühlt sich wirklich anders an ...

Was ich aber meine, ist das reale Gefühl gleich sterben zu müssen. Dass in meinem Kopf etwas nicht stimmt. Dass mich gleich etwas umbringen wird und die höllische Angst davor, was danach wohl kommt.

Zeitgleich dazu kam noch das Gefühl, alles vielleicht nur zu träumen, und zwar so intensiv, dass ich wirklich nicht mehr sicher war, dass das alles wirklich gerade passiert.
Das Gefühl der Todesangst, vermischt mit der Unfähigkeit Traum und Wirklichkeit auseinander zu halten – das ist unerträglich. So ließ ich mich an diesem Tag während des Ausflugs rücklings auf den Boden sinken, bis ich nur noch Baumkronen und den Himmel sah und die besorgten Gesichter meiner Mitschüler.Dann kam auch noch die Scham dazu, dass ich nicht mal mehr spazieren gehen konnte.

„Was denken die jetzt wohl von mir?“, schoss mir immer wieder durch den Kopf.
„Sie halten mich eh alle für einen Versager und jetzt habe ich ihnen den Beweis geliefert.“, dachte ich.
Als sie mir helfen wollten wieder aufzustehen, hielt ich das nicht für Zuneigung und echte Sorge, sondern für Mitleid im negativen Sinn.
(Noch so ein Beispiel dafür, dass Worte wie „Mitleid“ einen negativen Beigeschmack bekommen können.
„Die will doch nur Mitleid.“ ist definitiv beleidigend gemeint, obwohl das Wort ja eigentlich ausdrückt, dass man verstehen will, wie sich jemand fühlt.
Aber wenn man das Wort „nur“ davor stellt, steht es für Unwillig- oder Unfähigkeit des Sprechers sich damit überhaupt erst auseinander zu setzen.)

So ihr Lieben, nun wisst ihr, wie mein persönlicher Albtraum begann.
Hinzufügen möchte ich noch, dass ich ab diesem Tag buchstäblich nicht mehr in der Lage war, mich im Freien aufzuhalten. Allein schon nach unten zu gehen, um die Post zu holen, stellte von dem Zeitpunkt an einen unfassbaren geistigen Kraftakt dar.

Vielleicht schreibe ich morgen weiter daran, aber sicher bin ich mir dessen noch nicht.

Meine Befürchtung ist ja, dass ich kaum Reaktionen auf diesen Text bekomme, schon weil der Text mal wieder viel zu lang geraten ist.

Aber vielleicht habe ich auch Glück und ihr ein wenig Mitgefühl …

Mitgefühl im positiven Sinne ;-)

Autor:

Imke Schüring aus Wesel

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