Post Covid
Ständig lauert die Überlastung

Janine Marquard war vor ihrer Covid-Erkrankung eine aktive Frau. | Foto: Privat
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  • Janine Marquard war vor ihrer Covid-Erkrankung eine aktive Frau.
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Ich verabschiede mich von Janine Marquardt und Silvia Füting mit einem schlechten Gewissen. Unser Gespräch hat die Frauen so angestrengt, dass innerhalb der nächsten 48 Stunden womöglich wieder ein "Crash" droht.

Seit die Beiden an Corona erkrankt sind, ist nichts mehr wie es war. Sie leiden an Post Covid. So nennt man die chronische Krankheit, die in Folge einer Corona-Infektion entstehen kann. Ein Crash ist eine Art Zusammenbruch, der auf einer Überbelastung basiert. Ein längeres Gespräch kann genügen, um die Frauen wieder ans Bett zu fesseln.

Schwerer Verlauf 

Aber von Anfang an: Janine Marquardt erkrankte im September 2022 an Covid. "Ich habe drei Wochen nur im Bett gelegen, hatte Probleme mit der Lunge. Meine rechte Hand ist ausgefallen, ich konnte Wörter nicht finden und aussprechen. Mein Gedächtnis funktionierte nicht mehr, ich bekam Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme."
Der Test wurde wieder negativ, aber die Symptome blieben. Ein Jahr lang litt Janine Marquardt an Dauerkopfschmerzen, in dieser Zeit lernte sie den Begriff "brain fog" kennen. Dahinter steht eine Art Nebel im Gehirn, "ich komme mir betrunken vor, kann Gesprächen nicht folgen und mir Gesagtes nicht merken", schildert die 40-Jährige.

Ruhe, Ruhe und noch mehr Ruhe

Um ihren neuen Alltag zu meistern, lernte sie in einer Reha, den Tag so zu strukturieren, dass sie ihre neuen Grenzen nicht überschritt. Das heißt: Ruhe, Ruhe und noch mehr Ruhe. "Monatelang habe ich morgens meine Familie versorgt, und wenn die das Haus verließen, konnte ich noch die Spülmaschine ausräumen und musste dann erstmal wieder eineinhalb Stunden schlafen." Früher las sie zwei Bücher pro Woche. Seit der Erkrankung schaffte sie kein einziges mehr. Erst vor wenigen Wochen griff sie wieder zu einem Buch und brauchte dafür sechs Wochen. Selbst Fernsehen ist zu aufregend für ihr Gehirn. "Das mache ich vielleicht einmal pro Woche, und dann nichts actionreiches."

Silvia Füting (62) kann seit ihrer Corona-Erkrankung 2022 nicht mehr arbeiten.  | Foto: Foto: Privat
  • Silvia Füting (62) kann seit ihrer Corona-Erkrankung 2022 nicht mehr arbeiten.
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Totale Erschöpfung

Ähnlich erging es Silvia Füting (62). Die Corona-Symptome im Oktober 2022 verliefen leicht, und dann kam die totale Erschöpfung. "Es fühlte sich an, als hätte ich Blei in den Knochen. Um eine Treppe zu erklimmen, musste ich zweimal Pause machen und kam total erschöpft oben an."
Nach sechs Wochen fühlte sie sich wieder fit genug zu arbeiten. Am ersten Tag ging das ein paar Stunden gut. Mittags hat Silvia Füting aber panikartig das Büro verlassen. "Ich konnte nicht gucken, mich nicht konzentrieren." Seitdem ist die Diplom-Sozialarbeiterin krank geschrieben. "Ich wurde von jetzt auf gleich aus dem Leben gerissen."

Ein Crash kann Tage andauern

Monatelang lang sah sie ihre Freunde höchstens für eine Stunde. Stimmengewirr oder Radio konnte sie nicht zu ertragen. Einmal war ihr erwachsener Sohn ein Wochenende zu Besuch. "Ich lag nur im Bett, konnte nicht aufstehen." Auch da hatte Silvia Füting wieder einen Crash, ein Überforderungsmoment, das tagelang anhalten oder auch erst Tage nach der Überforderung auftreten kann. "Es lässt sich nicht vorhersehen."
Beide Frauen befanden sich auf dem langsamen Weg der Besserung, als sie beide Ende 2023 wieder an Corona erkrankten. "Und es ging wieder von vorne los", erzählt Silvia. Ergotherapie, Psycho- und Physiotherapie, Termine bei verschiedenen Fachärzten prägen heute den Alltag.

 Janine Marquardt (40) erkrankte ebenfalls 2022 an Covid und spürt die Folgen bis heute.  | Foto: Foto: Privat
  • Janine Marquardt (40) erkrankte ebenfalls 2022 an Covid und spürt die Folgen bis heute.
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MRT-Bilder des Gehirns sind "auffällig"

Janine Marquardt hat auffällige MRT-Bilder ihres Gehirns. Zwar hat noch kein Mediziner bestätigt, dass die eine Folge der Covid-Erkrankung sind, aber der Verdacht liegt nahe. Zudem hat sie an neuropsychologischen Testungen teilgenommen, die zeigten, dass ihre „gefühlten Defizite“ wirklich messbar sind.

Unterstützung in Selbsthilfegruppe

Beide Frauen finden Unterstützung in einer Selbsthilfegruppe für Post-Covid-Erkrankte. "Es tut gut, dort Menschen zu treffen, die nachempfinden können, wie es mir geht", sagt Silvia Füting. Sie habe da festgestellt, dass sie nicht spinnt. "Es ist ein grauenhaftes Gefühl zu erleben, wie einem plötzlich alles verloren geht." Janine Marquardt ergänzt: "Mir tut der Austausch gut. Zu erfahren, wie andere damit umgehen, was ihnen hilft." Beide Frauen waren dreimal geimpft, als sie an Covid erkrankten. Was sie Coronaleugnern entgegnen, möchte ich von ihnen wissen. "Dazu sage ich nichts", lässt sich Janine Marquardt nur entlocken. Ihr geht es darum, den vielen eine Stimme zu geben, denen es noch schlechter geht als ihr. "Es gibt es eine ganze Menge Menschen, die sich nicht in der Lage fühlen, über die Krankheit zu reden", ist sie überzeugt. Auch sie zahlt ihren Preis dafür, weiß sie. Das hat sie in den vergangenen eineinhalb Jahren gelernt.

Selbsthilfe 

Es gibt Selbsthilfegruppen "Post Covid" in Moers (derzeit voll belegt), in Hamminkeln und relativ neu in Rheinberg. Wer Interesse hat, kann weitere Informationen erhalten bei Anne Gawlik von der Selbsthilfe-Kontaktstelle im Kreis Wesel unter Tel. 02841/900016 oder im Internet auf www.selbsthilfe-wesel.de

Autor:

Miriam Dabitsch aus Velbert

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