Verbraucherzentrale NRW klärt auf
Pflegezusatzversicherung: Sinnvoll oder überflüssig?
Viele Menschen fürchten, im Alter zum Pflegefall zu werden und die Kosten für Pflegedienste zu Hause oder ein Heim nicht stemmen zu können – vor allem angesichts der aktuellen Debatte um Finanzierungsprobleme bei der gesetzlichen Pflegeversicherung. Da klingt es verlockend, eine Versicherung abzuschließen, die hilft, die Lücke zwischen den staatlichen Leistungen und den eigenen Kosten zu schließen. Teilweise gibt es sogar Zuschüsse vom Staat. Allerdings sollte man hier genau hinschauen: „Es stimmt: Pflege im Alter kann sehr teuer werden”, sagt Karin Bordin, Leiterin der Beratungsstelle Wesel der Verbraucherzentrale NRW. „Doch private Pflegeversicherungen haben auch Nachteile und sind nicht immer zu empfehlen.” Auf folgende Punkte sollte man achten:
• Wie viel decken Pflegezusatzversicherungen wirklich ab?
Die versicherten Leistungen sind meist sehr gering. Sie decken nicht annähernd den anzunehmenden finanziellen Bedarf. Häufig werden zwei Varianten angeboten: Pflegetagegeldversicherungen und Pflegekostenversicherungen. Bei Pflegetagegeldversicherungen erhalten Versicherte ein Tagegeld im Pflegefall. Den vollen Tagessatz gibt es meist erst ab Pflegegrad 5, darunter wird der Tagessatz nur anteilig gezahlt. Tarife ohne Leistungsanspruch bei ambulanter Pflege sind nicht zu empfehlen, da die meisten Menschen zu Hause gepflegt werden. Bei der Pflegekostenversicherung werden nur nachgewiesene Pflegekosten übernommen, also in der Regel Leistungen aus dem Katalog der gesetzlichen Pflegeversicherung. Die Versicherung übernimmt den Eigenanteil der Pflegebedürftigen entweder teilweise oder ganz. Kosten für Unterkunft und Verpflegung im Heim werden also meist nicht übernommen. Und häufig wird in Grad 1 nicht gezahlt.
• Was passiert, wenn der Pflegefall eintritt?
Dann wird die im Vertrag vereinbarte und vom Pflegegrad abhängige Summe ausgezahlt. Beispiel: Wenn es in Pflegegrad 3 pro Tag beispielsweise zehn Euro sind, macht das 300 Euro im Monat, bei einem höheren Tagessatz entsprechend mehr. Die tatsächlichen monatlichen Kosten können aber je nach Pflegebedarf vierstellig sein. Wie viel von den tatsächlichen Pflegekosten eine Zusatzversicherung wirklich abdeckt, kommt ganz auf den Einzelfall an. Das gilt auch ohne Pflegezusatzversicherung: Bei der Pflege zuhause ist die Lücke zwischen den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung und den tatsächlichen Pflegekosten abhängig vom individuellen Bedarf. Dementsprechend steigt bei höheren Pflegegraden der Betrag, der selbst zu zahlen ist, häufig an. Unter Umständen kann er mehrere Tausend Euro betragen. Bei stationärer Pflege ist der Eigenanteil ebenfalls von verschiedenen Umständen abhängig. Im Durchschnitt liegt er derzeit bundesweit bei 1.546 Euro – nur für Pflegeleistungen.
• Welche Ausschlussklauseln gibt es?
Die meisten Versicherer lehnen Anträge bei vorliegenden Vorerkrankungen ab. Auch im laufenden Vertrag können Ausschlüsse enthalten sein, zum Beispiel eine Leistung bei Pflegebedürftigkeit, wenn diese durch Suchterkrankungen entstanden ist, oder bei stationärem Aufenthalt. Weiterer Haken: Wenn die Versicherungsbedingungen keine Beitragsbefreiung im Pflegefall vorsehen, müssen die Versicherungsbeiträge auch im Pflegefall weiter gezahlt werden, denn es handelt sich in der Regel um eine lebenslange Versicherung. Und die Beiträge werden mit großer Wahrscheinlichkeit zukünftig steigen.
• Was bieten staatlich geförderte Versicherungen?
Aus Sicht der Verbraucherschützer sind die Vertragsbedingungen hier vergleichsweise schlecht. Verträge zum monatlichen Mindestbetrag von 15 Euro decken meist nur die gesetzlichen Mindestleistungen ab oder wenig darüber. Leistungsstarke Tarife sind entsprechend teurer. Versicherte müssen dann mit Monatsbeträgen von 30 Euro und mehr rechnen, abhängig vom Alter und Leistungsumfang. Zudem sehen die Verträge keine Beitragsbefreiung im Pflegefall vor, was bedeutet, dass die Leistungen tatsächlich noch geringer ausfallen. Auch eine Kombination aus geförderten und nicht geförderten Tarifen ist nicht ideal, denn hier sind die Nachteile beider Varianten vereint, wie etwa höhere Beiträge und Gesundheitsfragen, die beantwortet werden müssen. Vorteil: Bei der staatlich geförderten Pflegezusatzversicherung findet keine Gesundheitsprüfung statt. Damit ist sie auch für Menschen mit Vorerkrankungen verfügbar, die bei regulären Verträgen sonst meist ausgeschlossen sind. Ebenso gibt es keine Altersgrenze für den Abschluss und kein außerordentliches Kündigungsrecht des Versicherers. Wer bereits eine Pflegestufe hat, erhält einen solchen Vertrag jedoch nicht mehr.
• Wie kann man selbst vorsorgen?
Es ist empfehlenswert, die eigene finanzielle Situation im Alter frühzeitig im Blick zu haben und zu klären, welche Rente zu erwarten ist, ob Vermögen zur Verfügung steht oder ob Angehörige die Pflege ganz oder teilweise leisten können. Eine Immobilie kann bei stationärer Pflege verkauft oder vermietet werden.
• Beratung ist wichtig
Mit Pflegetagegeld-, Pflegekosten- und Pflegerentenversicherungen gibt es mindestens drei verschiedene Produkte auf dem Markt, die sehr unterschiedliche Leistungen bieten. Um den passenden Tarif zu finden, ist eine unabhängige Beratung wichtig. Unterstützung bieten die Verbraucherzentralen.
Weiterführende Infos und Links:
◦ Mehr zu Pflegezusatzversicherungen gibt es unter www.verbraucherzentrale.nrw/node/29435
◦ Mehr zu privaten Pflegeversicherungen mit staatlicher Zulage unter: www.verbraucherzentrale.nrw/node/54424
◦ Mehr zur persönlichen Beratung (kostenpflichtig) gibt es hier: www.verbraucherzentrale.nrw/node/14455
Für weitere Informationen
Verbraucherzentrale NRW in Wesel
Tel. (0281) 473684 01
wesel@verbraucherzentrale.nrw
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