Melanie Nowak wurde Witwe mit 37 Jahren
"Er hat immer gesagt, dass er keine 50 wird"

"Kai war kein Mensch, der gerne in der Öffentlichkeit stand", sagt seine Witwe Melanie Nowak. Und so respektieren wir, dass kein Bild des Paares in der Zeitung gezeigt werden sollen. Deshalb das Foto der beiden Schatten, das Melanie auf einem Ausflug gemacht hat.
 | Foto: M. Nowak
2Bilder
  • "Kai war kein Mensch, der gerne in der Öffentlichkeit stand", sagt seine Witwe Melanie Nowak. Und so respektieren wir, dass kein Bild des Paares in der Zeitung gezeigt werden sollen. Deshalb das Foto der beiden Schatten, das Melanie auf einem Ausflug gemacht hat.
  • Foto: M. Nowak
  • hochgeladen von Miriam Dabitsch

Melanie Nowak hat die Taschentücher schon bereit gelegt. Sie weiß, wenn sie über ihren Ehemann Kai spricht, wird sie sie brauchen. Er ist vor zwei Jahren an Krebs gestorben. Sie wurde mit 37 Jahren zur Witwe - einem Alter, in dem man glaubt, das Leben noch vor sich zu haben.

Sie erinnert sich gut an jenen Tag im Hospiz. Melanie erwartete Besuch von einer Freundin. "Ich verließ Kais Zimmer, wollte sie im Vorraum empfangen, war ein paar Minuten draußen. Dann schlug die Uhr sieben und ich dachte: Etwas ist komisch." Als sie wieder ins Zimmer kam, war ihr Mann gestorben. Es war der 28. Dezember 2021. Kai wurde nur 47 Jahre alt.

Andere gründen in dieser Lebensphase Familien

Plötzlich war Melanie allein. Sie ist es bis heute oft. Denn wer kann das schon verstehen, diesen Verlust mitten im Leben? Es ist eine Lebensphase, in der Familien gegründet und Kinder erzogen werden, Häuser gebaut werden. Es ist keine Lebensphase zu sterben. Eigentlich - denn allein ist Melanie nicht mit ihrer Situation. In der Selbsthilfegruppe "jung verwitwet", die sich regelmäßig in Wesel trifft, gibt es weitere Betroffene. Der Austausch mit ihnen tut Melanie gut, denn sie können nachempfinden, wie sie sich fühlt.

Melanie lernte Kai 2017 kennen

Als Melanie Kai 2017 kennenlernte, war es schnell das große Glück. "Als ich ihn zum ersten Mal zu Hause besuchte, hatte ich gleich das Gefühl, dass ich hierhin gehöre", beschreibt Melanie die Anfänge. Sie zog bei ihm ein, sie verlebten erlebnisreiche Monate, waren viel gemeinsam unterwegs, auf Fototouren, Oldtimertreffen, Konzerten.

Dann war da dieser Knubbel am Bauch

Bis sie sich im Mai 2019 umarmen und Melanie an Kais Bauch einen Knubbel bemerkt. "Ich hatte gleich ein schlechtes Bauchgefühl", erinnert sich die heute 39-Jährige zurück an den Tag, der das glückliche Leben des Paars für immer verändern sollte. Ob Kai ähnlich gefühlt hat? Melanie weiß nur, dass er den Arztbesuch rausgezögert hat. Und dass er mehrfach vorausgesagt hat, dass er keine 50 Jahre alt wird. Im Nachhinein ist das ganz schön unheimlich, findet Melanie. Aber sie weiß, woher diese Annahme stammte, denn Kais Eltern sind beide früh gestorben.

Metastase war schon sechs Zentimeter groß

Im Krankenhaus entpuppte sich der Knubbel als bösartige Metastase, schon sechs Zentimeter groß. Kai wurde auf den Kopf gestellt, schließlich der Primärtumor in der Lunge lokalisiert. Schnell sagten ihnen die Ärzte, dass Kais Lebenserwartung nur noch ein Jahr betrage. "Er hat zwei geschafft", sagt Melanie unter Tränen. "Er war immer so stark, bis zuletzt!" Die verbleibende Zeit nutzten sie, um zu heiraten. "Es war eine ganz persönliche, intime Hochzeit, mit Picknick im Stadtwald", erzählt die Witwe und lächelt beim Gedanken daran.

Zwischen Hoffen und Bangen

Aber insgesamt war es eine Zeit zwischen Hoffen und Bangen. Immer, wenn eine Chemotherapie anschlug und sich der Gesundheitszustand verbesserte, keimte in Melanie Hoffnung. Die schwand erst drei Monate vor Kais Tod. Inzwischen hatte er Metastasen im Kopf und bekam einen Krampfanfall. "Das war der Moment, als mir klar wurde, dass das kein gutes Ende nimmt." Melanie hörte auf zu arbeiten, konnte und wollte ihren "starken Highlander" nicht mehr alleine lassen. Auch später, im Hospiz, wich sie nicht von seiner Seite.

Melanie fühlt sich bis heute "als halber Mensch"

Heute, zwei Jahre später, fühlt sich Melanie immer noch als halber Mensch. "Meine andere Hälfte fehlt einfach jeden Tag." Oft hat sie gehadert: "Warum er, warum nicht ich? Warum sind wir nicht beide tot?" Herausgeholfen aus dieser Gedankenspirale hat ihr die Selbsthilfegruppe. Besonders wichtig ist ihr, dass die anderen Betroffenen ebenfalls im mittleren Alter sind. "Wenn du dein halbes Leben noch vor dir hast, ist es einfach anders, als wenn du mit Ende 70 deinen Partner verlierst."

Den Blick wieder nach vorne richten

Aus den Gesprächen mit anderen Betroffenen weiß Melanie: "Wir trauern alle jeden Tag. Aber wenn man sieht, dass andere nach einem Verlust wieder nach vorne blicken, dann merkt man, dass es okay ist." Und so hat auch Melanie allmählich wieder angefangen zu leben. Sie setzt Pläne, die sie als Paar hatten, nun alleine um: die Badrenovierung oder das H-Kennzeichen für Kais VW Jetta. Sie besucht das Musikfestival "Castle Rock" alleine, campt dort mit dem gemeinsamen VW Bulli, in dem sie zusammen nur einen Urlaub verbracht haben. "Ich versuche, unsere Träume zu leben", sagt Melanie. Und das im Hier und Jetzt. "Ich plane nicht mehr weit voraus. Wie Kai früher schon wusste, sollte man schöne Erlebnisse jetzt leben und nicht aufschieben. Kai war so spontan. Ihm war viel bewusster, dass das Leben so kurz sein kann."

Kontakt 

Wer weitere Infos zur Selbsthilfegruppe "Jung verwitwet" erhalten möchte, wende sich an die Selbsthilfe-Kontaktstelle Kreis Wesel, Telefon 02841/900016, Mail: selbsthilfe-wesel@paritaet-nrw.org, Website www.selbsthilfe-wesel.de. Die Gruppe trifft sich einmal monatlich freitags.

Auf https://www.koskon.de/ finden Sie Selbsthilfeunterstützungsstellen in ganz NRW.

"Kai war kein Mensch, der gerne in der Öffentlichkeit stand", sagt seine Witwe Melanie Nowak. Und so respektieren wir, dass kein Bild des Paares in der Zeitung gezeigt werden sollen. Deshalb das Foto der beiden Schatten, das Melanie auf einem Ausflug gemacht hat.
 | Foto: M. Nowak
Kais VW Jetta hat inzwischen ein H-Kennzeichen. Das hat Kai leider nicht mehr erlebt. | Foto: M. Nowak
Autor:

Miriam Dabitsch aus Velbert

Miriam Dabitsch auf Facebook
Miriam Dabitsch auf Instagram
Miriam Dabitsch auf X (vormals Twitter)
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

260 folgen diesem Profil

2 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.