Darmspiegelung - ein Tabuthema für Männer?
Endoskopie im Verdauungstrakt: Erlebnisbericht über eine Hafenrundfahrt, die den Namen verdient
Spricht Mann von der Vorsorgeuntersuchung beim Urologen, nennt er's gerne scherzhaft die "Hafenrundfahrt". Dieser Begriff trifft allerdings nicht annähernd den Inhalt der Sache. Prostata und Skrotum abtasten, dann dreimal husten - das war's in der Regel.
Was für'n Hafen soll das sein? Der vom Baggerloch um die Ecke? Die Bezeichnung "Rundfahrt" griffe schon eher, wenn die Rede von einer Darmspiegelung ist. Dauert zirka 20 bis 30 Minuten und die Hafenanlagen werden genauestens unter die Lupe genommen. Kaffee und Kuchen gibt's allerdings nicht, im Gegenteil: am Tag vor der Untersuchung heißt der Smutje Schmalhans! Das Unterhaltungsprogramm ist nix für Warmduscher, der Käpt'n und seine Crew sind digital affin: sie hantieren mit hochsensiblen elektronischen Gerätschaften.
Doch machen wir lieber Schluss mit der Bildersprache, denn das Thema ist bierernst. Männer ab Mitte Fünfzig (und Frauen eigentlich auch) sollten bei der Krebsvorsorge Darmspiegelungen mit einplanen, denn sie können Leben retten! Der Verdauungstrakt des Menschen, nämlich Mast- und Dickdarm sowie der Endabschnitt des Dünndarms, sind anfällig für Krankheiten. Divertikel (Ausstülpungen der Darmwand) können zu Abszessen oder Darmverschlüssen führen. Im schlimmsten Fall entwickelt sich ein Darmkrebsleiden, das längere Zeit unentdeckt bleibt. Dann wird's gefährlich für die Betroffenen.
Ohne den Teufel an die Wand zu malen: Frühe Vorsorge macht Sinn und ist halb so schlimm, wie Sie es sich vielleicht vorstellen! Der mitunter härteste Teil ist die Vorbereitung, der Darmtrakt muss nämlich gereinigt werden. Heißt als Erstes: Ab dem fünften Tag bis zur Untersuchung kein Körnerbrot mehr, keine Kiwis oder Johannisbeeren. Am letzten Tag davor leichtes Frühstück, mittags klare Brühe, kein Abendessen.
Stattdessen Darmspülung: Dafür gibt Ihnen der Facharzt ein Abführmittel mit nach Hause, das Sie in zwei Schüben trinken müssen. Lecker geht anders, aber das kennen wir doch alle aus unserer Jugend: gute Hustensäfte sind halt ekelig. Dieses "Phospholax" schmeck leicht fruchtig, ungefähr wie ein verwässerter Partydrink, ist aber unterm Strich gut zu genießen. Ist dies (mit viel Begleitwasser) geschehen, sollten Sie sicherstellen, dass die Toilette immer binnen einer Minute erreichbar ist, denn das Zeug drückt alle verbliebenen Darminhalte spürbar Richtung Ausgang. Am Morgen des Eingriffs muss die zweite Ladung geschluckt werden - mindestens vier Stunden vor der Untersuchung.
Das passiert im OP ...
Wenn Sie dann auf dem Behandlungstisch liegen, können Sie - wenn Sie wollen - alle Schritte der Untersuchung auf dem Monitor mitverfolgen. Der Arzt führt das Endoskop - eine winzige Kamera an einem langen Drahtkabel - durch Ihren After in den Darm ein. Dann geht's Stück für Stück weiter. Um besser sehen zu können, wird zugleich Luft in den Darm gepumpt, um ihn im jeweiligen Abschnitt zu weiten. Stoßen die Operateure auf einen Knoten (Experten sagen "Polyp"), so wird dieser sofort und schmerzlos mittels Drahtschlinge entfernt.
Weniger als eine halbe Stunde dauert die "Rundfahrt". Wer's möchte, kann dem untersuchenden Team Fragen stellen. Was immer Sinn macht, denn von dem Bericht, den Sie später zur Weiterleitung an Ihren Hausarzt ausgehändigt bekommen, verstehen Sie wahrscheinlich nicht allzu viel. Also: Frech gefragt ist zumindest halb verstanden!
Ich persönlich würde Ihnen zum Darmcheck ohne Schmerz- und Narkosemittel raten. Aber nur, wenn Sie nicht empfindlich sind! Meiner Meinung nach ist es immer besser, die vorgehenden Dinge bei vollem Bewusstsein mitzubekommen und schließlich kann man dabei 'ne Menge lernen. Doch das müssen Sie natürlich selber wissen. Ich würd's immer wieder so machen! Außerdem hätte ich im Dämmerzustand womöglich den witzigen Wortwechsel auf dem Gang verpasst ...
Kurzversion: Leitender Arzt sagt etwas zu einer Krankenschwester (so 'ne coole mit Armtattoo). Leider kann ich's nicht hören. Sie antwortet in etwa: "Sie wissen, dass das jetzt nicht besonders schön für mich war?!" Der Chef darauf: "Wenn Sie etwas Schönes hören wollen, gehen Sie zu ihrem Mann oder Freund. Von mir hören Sie nur die Wahrheit!" (grinst schelmisch)
Wenig später händigt der Doc mir meinen Untersuchungsbericht aus. Für weitere Worte bleibt wohl keine Zeit. Schon klar, der Flur ist proppenvoll mit Menschen, hier ist Arbeit eng getaktet. Mit dem vorläufigen Befund (drei colorektale Polypen ektomiert und geborgen) in der Hand verlasse ich das Haus.
Halb so wild, so 'ne Darmspiegelung!
Ein Haken mehr auf dem Vorsorgeplan.
Autor:Dirk Bohlen aus Hamminkeln |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.