Alle Ausländer raus oder warum ist mein Nachbar ein Choleriker?

Es ist früher Morgen und die Familie schläft noch. So habe ich die Zeit, einige Artikel über “Stress” auf meinen “Lieblings-Psychologie-Webpages”, insbesondere auf einigen amerikanischen, zu lesen.

Wir sprechen über Stress als wäre es etwas “von da draussen”, was uns ständig trifft gegen unseren Willen. Die Wissenschaft sagt uns da genau das Gegenteil: Es ist unsere Reaktion, eine besondere Art und Weise auf andere Menschen oder Ereignisse zu reagieren.

Die Beurteilung von Menschen und Ereignisse ist das, was zu Stress führt. Offensichtlich ist dies nicht was von “aussen her” geschieht. Zum Beispiel beurteilen Sie jemanden als stressig, aber in dessen Familie ist er eine Quelle der Ruhe und Geborgenheit.
Be- oder Verurteilung ist nichts anderes als ein Teil unseres natürlichen Verteidigungssystemes. Unsere Vorfahren spähten in den Savannen nach drohender Gefahr, bereit den dann auftretenden Stress als Auslöser zur Flucht oder zum Kampf zu nutzen.
Heute, in dieser doch etwas sichereren Welt, wird Beurteilung überbewertet. Wir verurteilen - nun genannt “Meinung” - alle Dinge, auch die kleinsten, die uns in irgendeiner Weise treffen. Wir verurteilen Politiker, Berühmtheiten, den Nachbarn als gut oder böse - ohne das wir sie wirklich kennen oder was ihre Motivation ist. Das sind alles spontane Verurteilungen oder Beurteilungen.
Über die Jahre sammeln sich so einige Spontanbeurteilungen an und es wird immer schwieriger sie wieder loszulassen, den sonst würden wir ja uns und insbesondere andere, verwirren mit unserem Sinneswechsel - das geht ja gar nicht.
Das geht soweit, dass wenn wir weiter an diese Spontanbeurteilungen festhalten sie zu einer Selbstidentifikation werden ( Alle Ausländer müssen raus, alle Kinder nerven, alle Politiker lügen, alle Männer oder Frauen sind schlecht und unendlich mehr...)
Sie werden das, was wir sind. Halbwahrheiten.
Da ist es uns dann egal, ob diese Meinungen am Ende gut oder schlecht, wahr oder unwahr sind. Und das Festhalten an diesen Beurteilungen, Vorurteilen, Urteilen, verursacht Stress.

Der Punkt eines reflektiven Lebensstiles ist, - was Sokrates “Kenne dich selbst” nannte - diese “Meinungen” zu sehen, als das was sie sind: Eine Reaktion in jenem Moment auf eine bestimmte Person oder ein Ereignis. Nichts anderes und nicht mehr.

Vielleicht sollten wir mal über unsere “Urteile” über andere nachdenken. Vielleicht merken wir bei einigen dann, dass sie überholt und falsch sind. Das bringt uns selbst weniger Stress und anderen auch.

Autor:

Rolf Tschochohei aus Wesel

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