Zum ›Tag der Arbeit‹ : Recht auf sichere Existenz von Lohnarbeit entkoppeln

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Der 1. Mai ist ›Tag der Arbeit‹. Um die Zukunft der Arbeit geht es auch in Europa. Dazu erklärt Julia Reda, Spitzenkandidatin der PIRATEN für die Europawahl:

»Wir stehen auch in Europa vor großen Herausforderungen, was die Zukunft der Arbeit betrifft. Angesichts der gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen ist es an der Zeit, das Recht auf sichere Existenz wieder von der Lohnarbeit zu entkoppeln. Das Recht auf sichere Existenz und das Recht auf gesellschaftliche Teilhabe sind unveräußerliche Grund- und Menschenrechte. Auch in Europa soll niemand in Armut leben. Wenn dies nicht mehr durch Lohnarbeit gewährleistet werden kann, brauchen wir andere Konzepte. Wir setzen uns deshalb für ein europäisches Bedingungsloses Grundeinkommen ein, das jeder Bürgerin und jedem Bürger ein Existenzminimum und gesellschaftliche Teilhabe garantiert.

Wir sind der Überzeugung, dass die überwältigende Mehrheit der Menschen das Bedingungslose Grundeinkommen dazu nutzen wird, sich ohne Existenzangst im Rücken wirtschaftlich und sozial einzubringen. Bis zur Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens brauchen wir europaweit einen Mindestlohn. Nur so lassen sich Lohnwettbewerbe eindämmen und menschenwürdige Arbeits- und Lebensverhältnisse schaffen.

Doch auch darüber hinaus gibt es viel zu tun: Wir wollen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in dem EU-Land leben und arbeiten können, in dem sie wollen. Wir möchten erreichen, dass bei jeder Arbeit, die irgendwo in Europa verrichtet wird, niemand aufgrund seiner Herkunft oder seines Geschlechts niedriger bezahlt wird. Wir wollen, dass die EU wirksame Maßnahmen in Angriff nimmt, um Sozialdumping zu verhindern. Wir wollen der Jugendarbeitslosigkeit in Europa mit einem wirksamen Paket aus Bildungsangeboten, sinnvoller Infrastruktur und einem Programm zur Förderung einer modernen Wirtschaft begegnen.

Auch europaweit brauchen wir mehr Mitbestimmung im Arbeitsleben. Wir setzen uns deshalb für starke Gewerkschaften und ein Recht auf Gewerkschaftsvertretung in den arbeitsrechtlichen Vorschriften der EU ein.«

Thomas Küppers, Themenbeauftragter Sozialpolitik der Piratenpartei Deutschland, wirbt am 1. Mai für mehr Engagement der Mitarbeiter:

»Für gute Löhne brauchen wir starke Betriebsräte und Gewerkschaften - die Arbeitgeber zahlen gute Löhne nicht freiwillig. Am ›Tag der Arbeit‹ fordere ich daher die Menschen auf, sich stärker in ihren Firmen zu organisieren. Zusammen sind wir stark! Nur starke Betriebsräte und Gewerkschaften können auch gute Löhne verhandeln.«

Quellen:
[1] Europawahlprogramm der Piraten im Bereich Arbeit und Soziales: https://wiki.piratenpartei.de/Europawahl_2014/Wahlprogramm#Arbeit_und_Soziales

2 Kommentare

Klaus Weil aus Wesel
am 01.05.2014 um 16:53

Nur ein großes Kuddelmuddel
Vom bedingungslosen Grundeinkommen profitieren vor allem Gutverdiener, die es nicht brauchen. Es wird eine sinnlose Umverteilungsmaschine in Gang gesetzt.
In der Tat: Das einfachste Argument gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen ist auch schon das beste - seine Finanzierung. Wenn man allen 80 Millionen Menschen in Deutschland ein Grundeinkommen von, sagen wir, 1.000 Euro gäbe, machte das knapp 1.000 Milliarden Euro pro Jahr. Da Kinder weniger verbrauchen, dürften 800 Milliarden reichen.

Aber mindestens 40 Millionen Deutsche brauchen das Grundeinkommen gar nicht, weil sie genug verdienen oder eine ausreichende Rente beziehen. Diesen in keiner Weise Bedürftigen gäben wir 480 Milliarden Euro im Jahr (40 Millionen Menschen mal 1.000 Euro monatlich). Das ist mehr als die Hälfte aller heutigen Steuereinnahmen. Damit wiederum sparen wir vielleicht 20 Milliarden pro Jahr - was sicher hoch gegriffen ist - an Bürokratie sowie die unsichtbaren Kosten für die Überprüfung der Bedürftigkeit.

Der Punkt ist: Selbst wenn man 320 Milliarden der 800 Milliarden aufrechnet gegen das heutige Sozialbudget sowie die Einsparung von 20 Milliarden Euro berücksichtigt, bleiben 460 Milliarden Euro, die von allen zusätzlich aufgebracht werden müssen. Wir müssten also die Steuern um 50 Prozent erhöhen, um auch den wohlhabenden Teil der Bevölkerung mit einem Einkommen auszustatten, dass dieser gar nicht braucht.

Nun könnte man die Einkommensteuern nur für die hohen Einkommen anheben, damit der Teil der Bevölkerung, der tatsächlich vom Grundeinkommen lebt, nicht an der Finanzierung für den Teil beteiligt wird, der das Grundeinkommen gar nicht braucht. In diesem Fall produzierte das Grundeinkommen lediglich eine irrsinnig hohe Steuerquote und ein gewaltiges Umverteilungskuddelmuddel in der oberen Hälfte der Einkommenspyramide. Gleichzeitig formierte sich aber eine gewaltige Steuersenkungslobby, die nichts anderes im Sinn hätte, als die Steuern wieder zu senken. Das absehbare Argument: Zu hohe Steuern würde den Leistungsträgern die Leistungsbereitschaft auch dann nehmen, wenn die Steuereinnahmen sofort wieder an die Leistungsträger zurückfließen.

Vorsorglich haben einige Befürworter des Grundeinkommens die Mehrwertsteuer ins Spiel gebracht. Man könne doch die Mehrwertsteuer so weit anheben wie notwendig, ohne die Leistungsanreize zu stören. Dumm ist auch hier nur die Arithmetik. Um die 460 Milliarden aufzubringen, die an die zu zahlen sind, die es eigentlich nicht brauchen, muss man die Mehrwertsteuer um fast 70 Punkte auf etwa 90 Prozent erhöhen. Folglich würden sich die Preise aller von der Mehrwertsteuer erfassten Güter fast verdoppeln. Das hat nicht nur eine Flucht in die Schwarzarbeit zur Folge, sondern sorgt auch dafür, dass Einkommen in noch nie da gewesener Weise von unten nach oben umverteilt werden. Jetzt zahlen ja diejenigen, die wirklich bedürftig sind, kräftig mit an diejenigen, die das Grundeinkommen nicht brauchen.

Noch absurder wird es, wenn die Unternehmer das garantierte Grundeinkommen nutzen, um die normalen Löhne entsprechend zu kürzen. Dann sinken die Realeinkommen aller Arbeitnehmer drastisch und auch ihre Nachfrage nach Konsumgütern. Da nach der Erfahrung der vergangenen Jahre niemand erwarten kann, dass Beschäftigungsgewinne den Reallohnverlust ausgleichen, wird die Konjunktur einbrechen, die Arbeitslosigkeit steigen und die Unternehmen zwingen, die Preise trotz der immensen Mehrwertsteuerbelastung zu senken. Dann sind die Gewinne wieder futsch, die sie zunächst eingesteckt haben. Nur im Ausland wird die deutsche Wirtschaft noch mehr als ohnehin schon reüssieren, weil Exporte ja von der Mehrwertsteuer befreit sind. Das werden unsere Handelspartner aber zum Anlass nehmen, ihre Grenzen für derart subventionierte Waren dicht zu machen oder selbst ähnlich irrsinnige Deflationsexperimente in die Wege zu leiten.

Manfred Schramm aus Wesel
am 01.05.2014 um 21:42

Schön zitiert.

Schöner hätte ich es gefunden, wenn Sie sich mit dem Gedanken eines Grundeinkommens auseinander gesetzt hätten, Herr Weil.
Aber vielleicht haben ie das ja auch.

Die aufgeführten Berechnungsgrundlagen finden Sie in keinem der über 30 verschiedenen Finanzierungsansätze des BGE.

> Das einfachste Argument gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen
> ist auch schon das beste - seine Finanzierung. Wenn man allen
> 80 Millionen Menschen in Deutschland ein Grundeinkommen von,
> sagen wir, 1.000 Euro gäbe, machte das knapp 1.000 Milliarden Euro
> pro Jahr. Da Kinder weniger verbrauchen, dürften 800 Milliarden reichen.

Nehmen wir das mal an.

> Aber mindestens 40 Millionen Deutsche brauchen das Grundeinkommen
> gar nicht, weil sie genug verdienen oder eine ausreichende Rente
> beziehen. Diesen in keiner Weise Bedürftigen gäben wir 480 Milliarden
> Euro im Jahr (40 Millionen Menschen mal 1.000 Euro monatlich).

Nehmen wir auch das mal an.

> Damit wiederum sparen wir vielleicht 20 Milliarden pro Jahr - was sicher
> hoch gegriffen ist - an Bürokratie sowie die unsichtbaren Kosten für die
> Überprüfung der Bedürftigkeit.

Es gibt zwar Schätzungen, die von 30 Milliarden ausgehen, aber ok, Ihr Zitat stammt ja auch aus 2006.

> Der Punkt ist: Selbst wenn man 320 Milliarden der 800 Milliarden aufrechnet
> gegen das heutige Sozialbudget sowie die Einsparung von 20 Milliarden
> Euro berücksichtigt, bleiben 460 Milliarden Euro, die von allen zusätzlich
> aufgebracht werden müssen.

Richtig gerechnet.
Sind darin die 3xx.- Euro je Kind enthalten, die aktuell durchschnittlich über mehr als 300 unterschiedliche Leistungen für knapp 11 Mio. Kinder aufgewendet werden? (Summe ~ 40 Milliarden)

Wenn Sie nun noch in Betracht ziehen, dass die BGE-Zahlungen ganz normal der Einkommensbesteuerung unterliegen, können Sie nocht ausrechnen oder abschätzen, wieviel vom BGE über die Einkommenssteuer zurückfliesst.
Spätestens hier wird - abseits jeder Überlegung zur Finanzierbarkeit - klar, dass Ihre Aussage "Vom bedingungslosen Grundeinkommen profitieren vor allem Gutverdiener, die es nicht brauchen." so nicht nicht stimmt.

Es war keine Vorsorge von Befürwortern, die MwSt ins Spiel zu bringen. Es ist lediglich eins von über 30 unterschiedlichen Finanzierungsmodellen. (Und es ist das Modell, dass ich nicht preferieren würde. Hier teile ich Ihre Argumente gegen ein MwSt-finanziertes Grundeinkommen.)

Das Argument "Noch absurder wird es, wenn die Unternehmer das garantierte Grundeinkommen nutzen, um die normalen Löhne entsprechend zu kürzen." ehrt den Autor. Vermutlich ist er ein fleißiger Mensch und sorgt sich um die armen Geringverdiener. Und Mechanismen, wie Unternehmen Lohndumping zu Lasten der Allgemeinheit betreiben, finden wir in unserer Realität ja durchaus.

Es gibt jedoch auch Beschreibungen anderer Entwicklungen.
Menschen, die (alleine oder mit Familie) nicht mehr in Existenznot sind, müssen ihre Arbeit nicht mehr für Dumpinglöhne verkaufen. Auch, weil sie nicht mehr den unwürdigen Folgen der ALG-II-Verwaltung ausgesetzt sind.

Auf die von Ihnen in Folge Ihrer zitierten Annahme der Auswirkungen auf das Verhältnis Unternehmer/Beschaftigter gemachten Überlegungen gehe ich nicht ein, weil ich nur sachlich Ihrer Herangehensweise folgen will ohne soziopsychologische Folgenabschätzung zu betreiben. Das kann und will ich nicht.

Nach der von Ihnen zitierten Herangehensweise müssen also durch ein BGE entsprechend der Annahmen Milliarden Euro durch die Allgemeinheit aufgebracht werden.

Ich erlaube mir, anzunehmen, dass die Transferleistungen für Kinder dabei noch nicht berücksichtigt wurden.
Dann blieben 420 Milliarden, die die Allgemeinheit aufbringen müsste.

Wenn, wie Sie zitieren, 40 Millionen Menschen durch abhängige Arbeit Einkommen erzielen (durchschnittlich sind es ca. 39.000 Euro je beschäftigter Person jährlich) und nun berechnen, wieviel Einkommensteuer aus den zusätzlichen von Ihnen in den Raum gestellten 1000 Euro monatliches BGE resultieren, können Sie die Zahl von 420 Milliarden um den Betrag reduzieren.

Ich mache das der Einfachheit einmal auf Basis ihrer Zahlen und des bekannten Durchschnitteinkommens in Deutschland abhängig beschäftigter Personen ohne irgendwelche Steuerfreibeträge ausser dem Grundfreibetrag.
40 Millionen Beschäftigte * (39000 Euro - 8900 Euro) * 13,04 % ESt ~= 150 Milliarden Euro.

Demnach sind es nur noch ~270 Milliarden Euro / Jahr, die von der Allgemeinheit aufgebracht werden müssen.
Und das sind ~280 Euro / Monat je Mensch.

Man könnte nun sagen: ~280 Euro Kosten bringen 1000 Euro (steuerpflichtiges) Einkommen. (Ich weiss, ziemlich an den Haaren herbeigezogen.)

Das obige Rechenbeispiel basierend auf den von Ihnen zitierten Annahmen ist sicher fehlerhaft. Ich habe es nur gemacht, um zu veranschaulichen, dass die Kosten für ein BGE nicht einfach mittels dem Produkt aus 80 Mio Menschen * 1000 Euro * 12 Monate berechnet werden kann, wenn man es ernsthaft kritisieren will.