Vom Wert eines Koalitionsvertrags oder 'Versprochen - gebrochen'

Wer hier jetzt etwas über die aktuellen Koalitionsverhandlungen in Berlin erwartet: sorry, NRW tut's auch.

Im <a href="http://www.gruene-nrw.de/fileadmin/user_upload/gruene-nrw/politik-und-themen/12/koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2012-2017.pdf" target="_blank">Koalitionsvertrag der SPD und der GRÜNEN zur Regierungsbildung der NRW-Regierung 2012</a> vereinbaren die beiden Fraktionen (Seite 13):

"<em>Wir dürfen kein Kind mehr zurücklassen. Daher ist für uns klar: Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein.
<strong>Wir werden schrittweise die Elternbeitragsfreiheit in den Kindertageseinrichtungen einführen.</strong></em>"

Am gestrigen Donnerstag wurde genau diese Vereinbarung im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend des Landtags NRW behandelt.

Die Fraktion der Piratenpartei hatte einen Antrag “<a href="http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument?typ=P&Id=MMD16/4019&quelle=alle&wm=1&action=anzeigen" target="_blank">Keine Bildung ist viel zu teuer!” – Beitragsfreie Kinderbetreuung in das neue Kinderbildungsgesetz aufnehmen!</a>” gestellt.
Beitragsfreie Kita-Plätze sind eine Forderung der Piratenpartei - in NRW und bundesweit.
Die Regierungskoalition in NRW hat die schrittweise Elternbeitragsfreiheit im Koalitionsvertrag angekündigt.

Jetzt wurde also mal nachgefragt und zu konkreten Handlungen aufgefordert.

Die Reaktionen von Rot-Grün waren deutlich und in ihrer Art aussagefähig.
Sie lauteten grob umrissen: "<em>Wir stehen selbstverständlich hinter diesem Ziel. Aber: dazu ist kein Geld da.</em>"

Nun könnte man sagen "Ja, klar, in Zeiten knapper Kassen ..." und über den finanziellen Schaden vorenthaltener guter Bildung streiten.

Aber darum ging es in dem Antrag der Piratenpartei gar nicht.
Die Forderungen des Antrages lauten:
a) zu prüfen unter welchen Umständen und in welchem Zeitraum beitragsfreie Kinderbetreuung zu realisieren ist.
b) Die Schritte zu beitragsfreier frühkindlicher Bildung aufgrund der oben genannten Prüfung im nachfolgenden Kinderbildungsgesetz festzuschreiben.

Es wurde also lediglich das gefordert, was - solides Handwerk vorausgesetzt - vor dem Fassen eines Versprechens hätte geprüft sein müssen (ich erinnere: "<em>Wir werden schrittweise die Elternbeitragsfreiheit in den Kindertageseinrichtungen einführen.</em>").
Nämlich die belastbare Prüfung und Festschreibung der Schritte zu beitragsfreier frühkindlicher Bildung - also der Elternbeitragsfreiheit in Kitas - durch die NRW-Regierung.

Frau Ministerin Schäfer hatte zum Zeitpunkt der Koalitionsvereinbarung schon über ein Jahr Zeit, sich in die finanzielle Gesamtsituation der Kindertagesbetreuung in NRW einzuarbeiten und musste also die finanziellen Folgen des Versprechens "Elternbeitragsfreiheit" sicher einschätzen können. Auch die neue Situation mit dem Rechtsanspruch auf U3-Betreuung zum 1. August 2013 konnte für ihr Ministerium keine finanzielle Unbekannte darstellen. Schließlich ist dieser Rechtsanspruch seit Jahren bekannt, Frau Schäfer hatte dazu mit allen Seiten gesprochen und verhandelt und Krippengipfel abgehalten.

Wenn nun also die Forderung nach Prüfung und Festschreibung eines Zeitplans zur Umsetzung des Versprechens der NRW-Regierungskoaltion mit den lapidaren Worten "<em>Dazu ist kein Geld da.</em>" abgewehrt wird, lässt das mehrere Schlüsse zu.

  • Die Regierungskoalition hat ihr Versprechen nicht ernst gemeint und will sich nun nicht in die Pflicht nehmen lassen.
  • Die Regierungskoalition hat ihr Versprechen gegeben,obwohl sie die nötigen Voraussetzungen für die EInhaltung des Versprechens nicht solide geprüft hat.

Der von Frau Kraft im Wahlkampf einer Monstranz ähnlich vorangetragene Satz "Kein Kind zurück lassen!" war ein Slogan ohne Substanz.
So, wie Frau Löhrmann das 9. Schulrechtsänderungsgesetz ('Inklusion in Schulen') lange vor sich her schob und kürzlich mit einem faulen Kompromiss so beschliessen liess, dass es für die Kommunen wie ein finanzielles Damoklesschwert wirkt, so schiebt Frau Schäfer die Frage der Elternbeitragsfreiheit vor sich hin.

Die Regierung an ihre Aufgaben und Versprechen zu erinnern, auch dazu braucht es die Piratenpartei im Landtag NRW. Und auch in den anderen Parlamenten in diesem Land.

Zum Schluß komme ich doch noch auf die Berliner Koalitionsverhandlungen zu sprechen, da das Thema Kindertagesbetreuung ja auch im Bund auf der politischen Agenda steht.
Gelingt es der SPD in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU auf Bundesebene, den oft zitierten Finanzierungsbedarf für Qualitätsausbau und Beitragsfreiheit der Kindertagesbetreuung zu realisieren?

Und zurück nach NRW: Werden der Wähler in NRW sich im Jahr 2017 an die nicht gehaltenen Versprechen der Regierung erinnern?

Autor:

Manfred Schramm aus Wesel

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