Replik zur Stellungnahme der Grünen Fraktion in Wesel zur Schulpolitik

Foto: Michael Wähnelt / LK-Archiv
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Die schulpolitischen Entscheidungen des „Linksbündnisses“ in Wesel wurden deshalb von vielen Seiten kritisiert, weil sie aus ideologischen Gründen gefällt wurden. Was Wesel und v.a. die Weseler Schüler brauchen, sind jedoch pragmatische Lösungen für die durch bisherige linke Fehlentscheidungen entstandenen Probleme: Die Schließung der innenstädtischen Haupt- und Realschule hat zu einer Lücke in der Versorgung von Kindern mit Haupt- oder Realschulempfehlung geführt.
Die Grüne Fraktion beruft sich direkt am Anfang ihres Schreibens auf einen 50 Jahre alten ideologischen Grabenkampf um die Bildungspolitik und erklärt ihre aktuelle Haltung zur Fortsetzung dieses alten Streits. Dies entlarvt die Rückwärtsgewandtheit und ideologische Ausrichtung der grünen Bildungspolitiker. Man hat 23 Hauptschüler zu einer Schulkarriere an einer Realschule gezwungen, die weder von ihnen, noch von ihren Eltern gewünscht war. Dies geschah, weil nicht das aktuelle Schicksal dieser Schüler zählte, sondern weltanschauliche Dogmen aus den 70er Jahren. Was die betroffenen Schüler gebraucht hätten, ist eine ihren individuellen Bedürfnissen entsprechende Beschulung, so wie sie jedem Kind zusteht. Den Befürwortern des gegliederten Schulsystems wird sogar vorgeworfen, mit „bedarfsgerechter Beschulung“ zu argumentieren, als wäre dies etwas Schlimmes. Dabei wird auch an einer Gesamtschule bedarfsgerecht unterrichtet, in getrennten Lerngruppen, nur unter einem Dach.
Die Stellungnahme der Grünen offenbart die Vorstellung eines binär gepolten Richtungskampfes in der Weseler Bildungspolitik. Dabei geht es tatsächlich nicht um die grundsätzliche Entscheidung zwischen einem dreigliedrigen Schulsystem und einem flächendeckenden Einheitsschulsystem in Form der Gesamtschule. Diese Haltung kommt 50 Jahre zu spät. Denn die aktuelle Schullandschaft in NRW ist ein gemischtes, vier- bis fünfgliedriges System, in dem die Gesamtschulen und Sekundarschulen neben Gymnasien, Real- und Hauptschulen bestehen. Nur wenige Schüler mit Gymnasialempfehlung und ihre Eltern entscheiden sich, überall dort wo auch Gymnasien existieren, für eine Gesamtschule. Dieses Verteilungsmuster spiegelt sich im Abschneiden der Gesamtschulen in Bildungsvergleichen. Das Leistungsniveau der Schüler an Gesamtschulen liegt im Durchschnitt nicht zwischen Gymnasium und Realschule, sondern zwischen Hauptschule und Realschule. Die Gesamtschule hat das dreigliedrige Schulsystem in NRW also nicht ersetzt, sondern existiert als Option in einem mehrgliedrigen System. Mit einer deutlich unterrepräsentierten Leistungsspitze ist die Gesamtschule aber eben kein „Abbild der Gesellschaft“. In Wesel damit zu argumentieren, man habe Hauptschüler an der Gesamtschule ablehnen müssen, um ein solches Spiegelbild der Gesellschaft herstellen zu können, ist daher unehrlich.
Der Bezug auf die Menschenrechte und das Grundgesetz in der Diskussion um eine zweite Gesamtschule ist eine rhetorische Geste, es handelt sich um eine weltanschaulich gefärbte Interpretation dieser Maßstäbe. Selbstverständlich kann auch ein gegliedertes Schulwesen diese Werte für sich in Anspruch nehmen. Gleichbehandlung im Sinne von Chancengleichheit und einer transparenten Leistungsbewertung ist im nordrhein-westfälischen Schulwesen unabhängig von der Schulform gegeben, was die Grünen fordern, ist nicht Gleichbehandlung, sondern schlichte Gleichmacherei.
Die Grünen verkennen in ihrer Utopie nämlich, dass in einer Differenzierung nach Leistung und in der differenzierten Wahrnehmung von Förderungsbedarf an sich keine „Beschämung“ liegt. Dies gilt für Schulen wie auch für Sportvereine und andere Lebensbereiche. In der Stellungnahme der Grünen scheint an dieser Stelle eine fatale Leistungsfeindlichkeit durch, die letztlich den sozialen Aufstieg durch Bildung erschwert. Wenn nicht die Chancengleichheit angestrebt wird, sondern die Gleichheit im Ergebnis, wird die Gesamtheit nach unten nivelliert und es wird Kindern aus bildungsfernen Familien schwerer fallen, sich durch Leistung von der Masse abzuheben und hochzuarbeiten. Dies ist die Erfahrung in Großbritannien, wo der von links vorangetriebene weitgehende Umbau eines gegliederten staatlichen Schulsystems zu einem Gesamtschulsystem während der 60er und 70er Jahre zu einem stetigen Wachstum der teuren Privatschulen und damit zu einer Vertiefung von Klassengegensätzen geführt hat.
Die Anwürfe gegen die Realschule, sich für „etwas Besseres“ zu halten, sind vollkommen unsachlich und ohne argumentativen Wert. Die aus diesen Unterstellungen abgeleitete und auf die Realschule in Wesel gemünzte Forderung, dass eine Schule, die nicht starke und schwache Schüler gleichermaßen fördere, weil dies ihre gesellschaftliche Aufgabe sei, aufgelöst werden müsse, ist grotesk. Hier legt die Grüne Fraktion die Maßstäbe ihrer Sicht des Auftrags von Gesamtschulen an lediglich eine einzelne Schulform des dreigliedrigen Systems an. Sie vergleicht daher Äpfel mit Birnen, ohne dies jedoch offen zu legen. Richtig wäre es, die Gesamtschule mit dem gesamten dreigliedrigen System zu vergleichen. Dieser Vergleich würde aber nicht im Sinne der Grünen ausfallen. Die Schulen in NRW fördern und fordern ihre Schülerschaft individuell und mit einem Bewusstsein für Heterogenität. Es ist die gesellschaftliche Aufgabe des Schulsystems, der Schullandschaft des Landes in ihrer Gesamtheit, alle Kinder mit allen ihren Begabungen und Bedürfnissen entsprechend bestmöglich zu fördern. Dies kann selbstverständlich auch in einem gegliederten Schulsystem geschehen. Die von der Grünen Fraktion impliziert formulierte Sicht, dass jede einzelne Schule jede Art von Schüler zu fördern hat, ist zudem kein manifester „gesellschaftlicher Auftrag“. Im Gegenteil, der Wählerwille in NRW hat gerade bei der letzten Landtagswahl der von Frau Löhrmann geführten grün-roten, „vollinklusiven“ Bildungspolitik eine krachende Absage erteilt.
Zudem gibt es keine rechtliche Grundlage im Schulgesetz dafür, den vom Rat beschlossenen „Hauptschulzweig“ an der Realschule einrichten zu müssen. Wie bereits von Frau Gaastra in der Schulausschusssitzung erläutert, sieht § 132c des NRW Schulgesetzes zur Sicherung von Schullaufbahnen vor, dass ein Bildungsgang, der zum Hauptschulabschluss führen kann, in der Realschule erst ab Klasse 7 eingerichtet werden darf und dass zudem die betroffenen Kinder im Klassenverband gemischt mit den Kindern mit Realschulempfehlung unterrichtet werden. Hier hat sich der Stadtrat über das Schulgesetz hinweggesetzt.
Dass die Grünen sich auf angeblich bessere wissenschaftliche Belege der eigenen Position durch Studien berufen, ist nichts weiter als eine Nebelkerze. Die Ergebnisse des zitierten John Hattie sind wissenschaftlich nicht unumstritten. Es gibt schlichtweg keinen eindeutigen wissenschaftlichen Beleg für die grundsätzliche Überlegenheit der Einheitsschule bzw. des von links stets beschworenen „längeren gemeinsamen Lernens“. Im Gegenteil beweisen internationale Studien, dass ausgerechnet in den wenigen Ländern mit einem gegliederten Schulsystem und einer dualen Ausbildung die Jugendarbeitslosigkeit signifikant niedriger ist, als in Ländern mit „längerem gemeinsamen Lernen“.
Die abschließende Feststellung im Schreiben der Grünen Fraktion, man wolle sich weiterhin dafür einsetzen, dass Eltern ihre Kinder an einer Gesamtschule anmelden dürfen, ist zynisch. Denn die erklärte Stoßrichtung der grünen Bildungspolitik zielt ja auf die Abschaffung alternativer Schulformen, um letztlich Eltern zu zwingen, ihr Kind, mangels Alternativen, an einer Gesamtschule anmelden zu müssen.
Es bleibt zu hoffen, dass die Wählerinnen und Wähler in Wesel diese ideologisch motivierten Manöver der Grünen und ihrer Partner in der lokalen Schulpolitik durchschauen und sich bei der nächsten Wahl daran erinnern werden.
Claus-Dieter Schmidtke, Wesel

Autor:

Claus-Dieter Schmidtke aus Wesel

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