Nichtraucherschutz? - Ja, natürlich, aber...

Hinterfragt: Nichtraucherschutz in NRW | Foto: CC-BY: Gerd Altmann_Shapes, Pixelio.de
  • Hinterfragt: Nichtraucherschutz in NRW
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(Ein Kommentar von Andreas Rohde)

Um eines ganz klar vorweg zu sagen: Die Überschrift ist absolut ernst gemeint. Der Autor steht hinter der Notwendigkeit von Nichtraucherschutzregelungen in unserer Gesellschaft. Diese sollen wirksam sein. Jedes Kind und jeder Nichtraucher hat ein hohes Recht auf Schutz. Dieser Artikel wendet sich also keineswegs gegen den Nichtraucherschutz an sich, sondern hinterfragt lediglich eine Art der Umsetzung, die viele Verlierer produziert und bewusst eine Spaltung der Gesellschaft forciert.

Nun ist es also beschlossen, das neue Nichtraucherschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen. Lange wurde es sehr kontrovers - jedoch eher an der Oberfläche - diskutiert. Jedenfalls in der Öffentlichkeit. Es gab da stets weit auseinanderliegende Positionen, von denen aus sich die Kontrahenten ihre Argumente und gerne auch mal Beschimpfungen zu warfen. Jeder, der das ganze Spiel genau beobachtet hatte, kann sagen, dass eines hier leider nicht statt fand:
Die Suche nach einem gesellschaftlichen Konsens. Die Suche nach den nicht so einfachen Wegen. Die Suche nach Lösungen, die möglichst keine Verlierer zurücklassen. Die Suche nach Regelungen, die ausschließlich der Gesetzesintention - dem reinen Nichtraucherschutz - dienen.

Schauen wir uns doch mal genau an, was da nun im NRW-Landtag mit der Rot-Grünen Mehrheit durchgedrückt wurde. Fangen wir mit dem Offensichtlichsten an:
Die Regelungen vom 2007, die 2009 um von Schwarz-Gelb in Hinsicht auf Eckkneipenregelungen und Raucherräume gelockert wurden, sind ersatzlos gestrichen. Es ergibt sich also jetzt ein totales Rauchverbot in der kompletten Gastronomie. Das werden viele sehr gut finden, viele andere aber auch nicht. Möglicherweise wird das auch wirtschaftliche und kulturelle Folgen haben. Ein Investitionsschutz für all die Gaststätten, die sich im Vertrauen auf die Gültigkeit der Raucherraumregelungen verlassen und viel investiert hatten, gibt es nicht. Teure Belüftungsanlagen und räumliche Umbauten, um beiden Bevölkerungsgruppen ihre Teilhabe am Gatro-Leben zu erhalten, sind jetzt - wie viele Wirte sagen - für die Tonne gewesen. Ob das tatsächlich die von Vielen befürchteten Folgen wie z.B. ein Sterben der kleinen Einraumkneipen oder eine Unterversorgung im ländlichen Bereich auslösen wird, das werden wir alle in absehbarer Zeit sehen können.

Nachdem erste Karnevalsveranstalter ihre geplanten Sitzungen schon abgesagt hatten, da sie glaubten ohne die Raucher tief in die roten Zahlen zu rutschen und sich als ehrenamtliche Brauchtumspfleger von diesem Gesetz zu Hilfssheriffs der Ordnungsämter gemacht fühlten, wurde man in der SPD doch hellhörig. Um nicht den völligen Zorn der Brauchtumsveranstalter auf sich zu ziehen, wurde also von den Sozialdemokraten kurz vor Toresschluss noch eingefügt, dass das Gesetz erst nach den kommenden Karnevalsveranstaltungen wirksam wird. So weit, so gut. Auch hier werden wir in Zukunft sehen, welche Befürchtungen eintreten und welche nicht.
Als Randnotiz weise ich noch auf die Tatsache hin, dass Bewohner von Pflegeheimen demnächst das Gelände der Einrichtung zum Rauchen verlassen müssen. Da staunt der Beobachter auch nicht schlecht, dass eine ganze Reihe SPD-Abgeordneter sich direkt nach der Abstimmung im Parlament zu einer entschuldigenden Erklärung verpflichtet fühlte. Zwar fände man das Gesetz auch nicht gut gemacht, müsse aber aus Koalitionsräson zustimmen. So viel zur Gewissensfreiheit unserer gewählten Volksvertreter.

Völlig aberwitzig wird es hier aber, wenn man ganz genau hinschaut. Denn dann treten die massiven Kollateralschäden durch diese Haudrauf-Gesetzgebung zu Tage. Es gibt einige beliebte Geschäftsmodelle in der Gastronomie, die sich vornehmlich dem Rauchen verschrieben haben. Das sind z.B. so genannte Raucherlounges, in denen hauptsächlich Zigarren und Pfeifen im Kreise Gleichgesinnter genossen werden. Und Shishabars, in denen Wasserpfeifen geraucht werden. Hier hält sich ganz sicher kein Nichtraucher auf, den es zu schützen gilt. Und Kinder schon gar nicht. Dennoch kommt das neue NRW-Nichtraucherschutzgesetz für diese Betriebe einer Schließungsverfügung, einem Berufsverbot gleich. NRW-Gesundheitsministerin Steffens spricht hierbei lakonisch von Einschränkungen, die diese Betriebe wohl tragen müssten.

Noch irrwitziger wird es, wenn man sich des Themas E-Zigarette annimmt. Die nämlich wird hier jetzt per Gesetz der Tabakzigarette gleichgestellt, obwohl die bis auf die Namensähnlichkeit wirklich kaum etwas gemein haben. Irrwitzig deshalb, weil die Dampfer - so der selbstgewählte Bezeichnung - eben in der Regel der sehr gesundheitsschädlichen Tabakzigarette abgeschworen haben um ihren Nikotinkonsum mit diesen Liquidverdampfern auf weniger schädliche Füße zu stellen. Und reihenweise Studien und Gutachten belegen, dass das 'dampfen' der E-Zigaretten erstens für den Nutzer enorm weniger Gesundheitsgefährlich ist und es zweitens keinen schädlichen 'Passivdampf' gibt, den man dem Passivrauch bei der Tabakverbrennung gleichstellen könne. Derzeit schauen Millionen dieser Dampfer in Deutschland fassungslos Richtung NRW-Landtag und verstehen die Welt nicht mehr. Per Gesetz werden sie als eigentliche Neu-Nichtraucher mit ihren Dampfen zurück in die Raucherecke geschickt. Das ist widersinnig, meinen sie? Verzeihung, 124 Angeordnete von Rot-Grün sehen das - mit dem bereits erwähnten beigefügten Entschuldigungsschreiben an den Wähler – anders.

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass dieses neue NRW-Nichtraucherschutzgesetz auch einen Dammbruch in der diesbezüglichen Handhabung des Themas enthält: Erste Rauchverbote sogar unter freiem Himmel.
"Die Kinder, ach, denken sie doch an die Kinder!" Ja, mit diesem Universaltotschläger-Argument wurde schon so Manches in der Politik zustimmungsfähig geredet, dass mit der eigentlichen Intention eines Gesetzes wirklich nichts mehr zu tun hatte. Nicht nur auf Kinderspielplätzen sind Zigaretten jetzt tabu, obwohl dort vornehmlich Jugendliche in den Abendstunden ihre Zeit auch mal rauchend verbringen. Auch die Studenten werden - wie die schon erwähnten Senioren im Pflegeheim - zukünftig den Campus für ihre Zigarette komplett verlassen müssen. Begründung: Die Zahl jugendlicher und somit zwingend zu schützender Studenten sei so enorm gestiegen. Belege dafür? Fehlanzeige. Ja, da muss man schon ein Märchenfan sein, um da noch folgen zu können. Da wird die pure Begründungsnot der Zustimmung durch die SPD unübersehbar.

Das Nichtraucherschutzgesetz soll Nichtraucher schützen. Richtig. Sehr gut. Als Fazit bleibt aber leider zu ziehen, dass es hier nur noch bedingt um den reinen Nichtraucherschutz geht. An vielen Stellen bekommt plötzlich die Vorbildfunktion den Vorrang vor jeder Selbstbestimmtheit des Bürgers. Und hier wird bereitwillig jede Menge Kleinholz gemacht, weil man sich nicht zutraute differenziertere Regelungen zu finden.
Die Piratenpartei im Landtag, die einzigen, die sich in diesem Gesetzgebungsprozess mit echten Lösungsvorschlägen und differenzierten Ideen heranwagten, wurden nur belächelt und abgetan. Sie mussten erkennen, dass es mit der Grünen Gesetzesinitiative von Anfang an nicht nur um Nichtraucherschutz ging. Was jetzt beschlossen wurde, ist eher ein handfester Schritt dahin, den Raucher an sich aus der öffentlichen Wahrnehmung zu entfernen. Und wer sich die hier zugrunde gelegten langfristigen WHO-Richtlinien und Pläne anschaut, denen Ministerin Steffens gerne folgt, der weiß, das all das erst der Anfang war. Es geht um Prohibition als Fernziel und da sträubt sich mir als Pirat alles. Denn die hat noch nie in der Vergangenheit bewirkt, was Politiker damit angeblich erreichen wollten.

Info:
Der Autor dieses Beitrags (@Andi_nRw) ist Mitglied der Piratenpartei und dort Koordinator/Sprecher der Bundes-AG-Drogenpolitik und des AK-Drogenpolitik-NRW.

Autor:

Andreas Rohde aus Wesel

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