Nichtraucherschutz - bald auch in NRW normal

Foto: Regina Kaute/pixelio.de
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Seit dem strikten Nichtraucherschutz in NRW liest man viele Kommentare, die meist wenig Fakten beinhalten. Ich möchte versuchen, einige der aufkommenden Fragen hier zu beantworten, um die Mythen zu beseitigen.

1) War das alte Gesetz nicht vollkommen ausreichend? Werden Raucher denn jetzt nicht diskriminiert?

--> nein, war es eben nicht, denn lediglich eine kleine Minderheit meist rücksichtsloser und egoistischer Raucher konnte natürlich gut damit leben, weil sie schließlich an fast allen Orten hemmungslos weiter rauchen konnten und somit andere Gäste und Angestellte schädigen konnten. Es gab kaum eine rauchfreie Kneipe oder Diskothek. Festzelte ebenso nicht. Das war in Spanien und in Bayern vor den strikten Gesetzen genauso. Außerdem verbietet niemand den Rauchern das Rauchen.

Auch wurde z.B. bei 17 von 25 Kinder-Karneval-Veranstaltungen noch 2012 geraucht. Sollen die Kinder gefälligst so "tolerant" sein, sich schädigen zu lassen, oder ansonsten eben dem Spaß in der Gruppe fern bleiben? http://www.dieter-mennekes-umwelt.de/DIMUS-Fotostudie-Kinderkarneval.pdf

Sieht so die "Toleranz" aus? Wer ist denn der Verursacher der krebserregenden Stoffe in den Innenräumen? Kein Nichtraucher hätte 100% rauchfreie Räume verlangt, wenn sich alle Raucher an die Ausnahmen gehalten hätten - doch sie wurden ausgeweitet, weil man es einfach als legitim und selbstverständlich erachtet hat. So konnte sich kein Bewusstsein ändern - der Wettbewerb wurde verzerrt. Wer sich so verhält, muss bevormundet werden, denn in einer Gesellschaft gelten nun einmal gewisse Regeln zum Schutz Dritter.

Wird erst einmal in öffentlich zugänglichen Innenräumen nicht mehr geraucht, ändert sich das Bewusstsein auch generell und man raucht daheim weniger, wo sich ja oft auch Kinder aufhalten:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/nach-verbot-in-kneipen-raucher-qualmen-auch-zu-hause-weniger-a-815146.html

Ist es denn zu viel verlangt, für 5 Minuten vor die Tür zu gehen? Wird man denn auch "ausgegrenzt", wenn man zum Pinkeln auf die Toilette gehen muss? Wer es nicht einmal eine halbe Stunde ohne Nikotin aushält, der hat ein riesiges Problem. Rauchen ist das Problem! Und es kann nicht sein, dass darunter noch Dritte leiden müssen, wenn sie Abends weggehen wollen.
Und noch zum Punkt Toleranz: fast täglich liest man in den Medien von Fällen, wo ein Nichtraucher halb tot geschlagen wird, nur weil er einen Raucher in der S-Bahn darum bittet, damit aufzuhören!

In Berlin wird noch immer in 92 von 100 Diskotheken geraucht:
http://www.bz-berlin.de/aktuell/berlin/drei-viertel-der-clubs-ignorieren-rauchverbot-article1644719.html

Abgetrennte Raucherräume schützen auch nicht:
http://kurier.at/chronik/oesterreich/studie-beweist-oesterreichs-nichtraucherschutz-wirkt-nicht/12.465.794
Außerdem - wo es Raucherräume gibt, muss es laut BVerfG auch Raucherkneipen geben. Das Urteil von 2008 war ein "schwarz oder weiß" Urteil.

2) warum kümmert man sich nicht um den Alkohol?

--> jeder kann sich ja gerne in dem Bereich engagieren - es bezweifelt niemand, dass sowohl Alkohol als auch Tabak Milliardengräber für die Gesellschaft sind. Die Tabaksteuer kann das nicht ausgleichen. Doch durch Passivrauch werden auch Dritte geschädigt. Und der Tabakanbau ist eine immense Belastung für die Umwelt. Und es gibt wohl kaum eine Industrie, die lange Zeit Wissenschaft und Politik so sehr unterwandert hatte, wie die Tabakindustrie. Das ist bis heute nicht viel anders. Lesen Sie sich hier ein: http://legacy.library.ucsf.edu/

3) Jetzt schließen die Kneipen reihenweise und viele Arbeitsplätze gehen verloren!

--> wer jetzt schon schließt, der hatte andere Probleme, gewiss nicht das Rauchverbot. Wer seinen Wirt nur wegen der Tabak-Sucht im Stich lässt, auf den kann man ohnehin nicht bauen. Wirte werden sich auch neue Konzepte überlegen müssen. Nichtraucher kommen zurück, aber bestimmt nicht sofort - schließlich hat man zu lange auf sie wenig Wert gelegt. Trotzdem: die Zahlen aus Bayern und auch internationale Studien zeigen deutlich, dass die Umsätze auch in der Getränke-Gastronomie eher steigen, als sinken:

http://www.aerzteinitiative.at/GastroUmsatz11.pdf

http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMST16-84.pdf

Auch in Bayern gab es 2008 einen kleinen Einbruch bei den Umsätzen - doch zu der Zeit waren die meisten Kneipen komischerweise bereits Raucherclubs, also kann es nicht am Rauchverbot liegen. Das gilt erst seit 2010 (vom Volk mit großer Mehrheit beschlossen und heute breit akzeptiert und vollkommen normal) - die Umsätze steigen seitdem. Dabei gingen sie in den letzten 20 Jahren ganz ohne Rauchverbot stetig zurück.

Meiner Meinung nach ist es auch kurzsichtig, allein nach "Arbeitsplätzen" zu schauen - es gibt viele Tätigkeiten, die die Menschheit eigentlich nicht braucht, weil sie mehr Schaden bringen als Nutzen. Dazu gehört z.B. der Tabakanbau, der die Bauern von den Konzernen abhängig macht und den Boden für Jahrzehnte unbrauchbar macht.

4) Wie sieht es denn mit der E-Zigarette aus?

--> Die E-Zigarette fällt je nach Rechtsmeinung NICHT unbedingt unter das jetzige Nichtraucherschutzgesetz. Ministerin Steffens könnte hier vor Gericht scheitern. Wenn man davon ausgeht, von der E-Zigarette gingen ebenso (wenn auch viel geringere) Gefahren aus, müsste man dazu ein eigenes Gesetz erlassen. Derzeit ist die Studienlage dazu aber sehr dünn. Das Thema muss objektiver und unter Berücksichtigung sowohl von Vorteilen als auch von potentiellen Gefahren oder sonstigen Problemen angegangen werden.

5) warum gibt es keine Shisha-Bars mehr?

--> Shisha-Rauch enthält noch wesentlich mehr Schadstoffe als normale Zigaretten. Vor allem der CO-Gehalt ist viel höher, was auch schon zu direkten Vergiftungen geführt hat. Das können SIe googeln, wenn SIe es nicht glauben. Diese Shisha Kultur ist bei uns noch recht jung. Sogar in der Türkei ist Shisha-Rauchen inzwischen verboten. Shisha-Bar Betreiber werden sich ein neues Konzept suchen müssen, weil man in dem Bereich keine Ausnahme zulassen kann. Denn sonst würde sich jeder eine Shisha ins Lokal stellen. Aus Verfassungsrechtlichen - und Wettbewerbsgründen kann man diese Ausnahme nicht zulassen. Schuld daran ist der Raucher selber, der bisherige Ausnahmen ausgenutzt und ausgedehnt hat, und so die Akzeptanz insgesamt verhindert hat.

6) Warum wurde Rauchen beim Friseur nicht verboten? Das ist doch inkonsequent!

--> Friseure sind Arbeitsplätze mit Publikumsverkehr und der Bundesgesetzgeber (der für den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zuständig ist) hat (getrieben von der Tabakindustrie, die das Bundesnichtraucherschutzgesetz 1:1 (inkl. Rechtschreibfehler) der Regierung vorgeschrieben hat) bisher diese absurde Ausnahme "mit Publikumsverkehr" nicht abgeschafft, damit man schön in der Gastronomie weiter rauchen kann! Man hat den schwarzen Peter diesbezüglich an die Länder weiter geschoben, um viele unterschiedliche Regelungen zu bekommen. Der Landesgesetzgeber kann daran nichts ändern - aber je nach Ergebnis der nächsten BTW wird der Bund diesen Unsinn endlich ändern, so dass Angestellte überall die gleichen Rechte bekommen.

7) Kümmert Euch doch mal um die Tabakwerbung!

--> Zigarettenwerbung verleitet Jugendliche zum Rauchen: http://www.uena.de/nachrichten/norddeutschland/3783586/studie-tabakwerbung-verleitet-jugendliche-zum-rauchen
Daher wird Zigarettenwerbung auch verboten werden. Deutschland ist das letzte Land der EU, das sich bisher gegen ein Verbot sträubt, obwohl das gegen internationale Verpflichtungen verstößt. Warum? Auf Druck der Tabakindustrie natürlich! Doch das ist Bundesangelegenheit und die nächsten Wahlen stehen ja vor der Tür...

8) wir kippen das Rauchverbot in NRW wieder!

--> viel Erfolg beim Volksbegehren! Jedoch sollte man bedenken, dass viele Menschen nicht mehr in die Alten Zeiten zurück wollen, wenn sie erst einmal "frische Luft" gerochen haben. Das sieht man auch an mehreren Abstimmungen in schweizer Kantonen. Außerdem dürfte in den nächsten Jahren ohnehin ein bundesweites oder sogar ein EU-weites Gesetz zum Schutz der Arbeitnehmer gelten. Die können sich nämlich nicht immer aussuchen, wo sie arbeiten! Außerdem werden sie inzwischen fast überall besser geschützt und gerade dort wo es so einfach wäre, ihre Gesundheit zu schonen, sollten sie weiter gefährdet werden? Nein, so wird das nichts.

Autor:

Eberhard Freise aus Wesel

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