Erste Weseler Ratssitzung nach dem Zweiten Weltkrieg Vor 75 Jahren am 27. März
Neben Trümmern vor 75 Jahren

Dr. Anton Ebert hatte als erster Bürgermeister den Vorsitz des Rates der Stadt Wesel inne. Nach wenigen Jahren wurde er wegen seiner nationalsozialistischen Vergangenheit von der britischen Militärregierung abgesetzt. | Foto: Stadtarchiv Wesel
  • Dr. Anton Ebert hatte als erster Bürgermeister den Vorsitz des Rates der Stadt Wesel inne. Nach wenigen Jahren wurde er wegen seiner nationalsozialistischen Vergangenheit von der britischen Militärregierung abgesetzt.
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1946 glich die Stadt Wesel einer Krater-Landschaft des Mondes. Gut ein Jahr zuvor überquerten Streitkräfte der Alliierten den Rhein bei Wesel. Ihnen vorausgegangen waren heftige Bombardierungen der Stadt Wesel. Dabei wurden etwa 97 Prozent der Stadt zerstört. Nur wenige Gebäude blieben weitestgehend verschont.

Eines davon war die Reitzenstein-Kaserne in der damaligen Artilleriestraße, der heutigen Friedenstraße. Da es kein Rathaus mehr gab, wurde das Offizierskasino der Reitzenstein-Kaserne als provisorisches Verwaltungsgebäude genutzt. So tagte auch der Weseler Stadtrat zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg am 27. März 1946 in den Räumen des Offizierskasinos. Anders als heute waren die Mitglieder des Rates nicht gewählt worden, sondern von dem Vertreter der britischen Militärregierung in Wesel, Major Adam Duncan Chetwynd of Bearhaven, bestimmt worden.

Wiederaufbau der Stadt im Mittelpunkt

Von den 21 Sitzen im Rat der Stadt Wesel wurden nur neun von Mitgliedern der politischen Parteien besetzt. Bereits 1945 bildeten und gründeten sich erste Gruppen der Parteien in Wesel, unter anderem KPD, CDU und SPD.
Zwölf Plätze des neuen Stadtrats entfielen auf Vertreter der Industrie, des Handels und des Gewerbes in Wesel. Drei der 21 Mitglieder waren Frauen; zu dieser Zeit ungewöhnlich.
Vor allem die SPD sowie die KPD bemängelten die Zusammensetzung, da sie sich benachteiligt sahen. Doch ihr Protest verstummte gegenüber der britischen Militärregierung. Diese verfolgte mit der Zusammensetzung wie bereits beim Vorläufer des Stadtrats, dem Finanz- und Vertrauensausschuss, das Ziel „der Bevölkerung und den Parteien ein Forum der Einübung demokratischer Verhaltensweisen unter der Obhut der Militärregierung zu geben“ (Bernhard 1954: …dann brach die Hölle los – Kriegstagebuch des Niederrheins, S. 32). Daher war es wichtig, dem Handwerk und der Wirtschaft eine „angemessene Vertretung einzuräumen“ (Roelen/Rulofs-Terfurth 2009: Der Wiederaufbau der Stadt Wesel, S. 10 ff.).
Aus Sicht der Briten waren politische Belange in der Situation der Stadt zweitrangig. Vielmehr standen die Not der Menschen sowie der dringend notwendige Wiederaufbau der Stadt im Mittelpunkt. Als Bürgermeister wählten die Ratsmitglieder Dr. Anton Ebert von der CDU. Seine Wahl belastete zusätzlich das ohnehin angespannte Klima im Stadtrat. SPD und KPD demonstrierten heftig gegen seine Wahl, da er Mitglied der Nationalsozialisten gewesen sei.

Gute Beziehungen innerhalb Wesels

Dr. Anton Ebert stritt das ab und behauptete, dass Freunde von ihm in seinem Namen eine Mitgliedschaft bei der NSDAP 1933 in Koblenz beantragt haben. Geboren wurde er im Landkreis Kattowitz (Oberschlesien) und arbeitete später in Koblenz. Vor dort wurde er 1934 nach Wesel versetzt. Bis zu seiner Absetzung durch die Militärregierung 1948 sorgte das Thema immer wieder für Zündstoff im Stadtrat. Für die Briten war er zunächst ein wichtiger Akteur, da er gute Beziehungen in der Stadt pflegte. Zudem war er in der Bevölkerung beliebt. Zu der Absetzung kam es, als ihm nachgewiesen werden konnte, dass er jahrelang Mitgliedsbeiträge an die NSDAP zahlte. Solche Fälle ereigneten sich in den frühen Nachkriegsjahren häufiger. Auch auf Seiten der SPD gab es ähnliche Vorwürfe, die mitunter zu Parteiausschlüssen und Rücktritten führten.
Die konstituierende Ratssitzung am 27. März 1946 war inhaltlich von formalen und weniger von politischen Tagesordnungspunkten geprägt. Unter anderem verabschiedete der Rat eine Hauptsatzung und stockte die Gemeindevertretung auf 30 Mitglieder auf. Zudem bildete er seine Ausschüsse. Diese wurden in der Folge von Ratsmitgliedern und sachkundigen Bürgern, die von den Parteien vorgeschlagen wurden, besetzt. Anders als heute gab es zum Beispiel einen Wohnungsausschuss. Viele Menschen verloren im Krieg ihr Hab und Gut. Häuser und Wohnungen waren größtenteils nur noch Schutt und Asche. Notdürftig wurden in den wenigen verbliebenen Gebäuden wie in Teilen der Zitadelle Wohnungen eingerichtet.

Wichtiges Etappenziel zur Eigenständigkeit

Die Amtszeit des neuen Rates war relativ kurz. Mit den ersten Kommunalwahlen nach dem Zweiten Weltkrieg am 15. September 1946 wurde ein neuer Rat einberufen. Für Wesel begann damit eine neue Ära; auch wenn noch Jahre vergehen sollten bis der Rat tatsächlich eigenständig (ohne Genehmigung der Militärregierung) agieren durfte. Für die zerstörte Stadt war es ein wichtiges Etappenziel auf dem steinigen Weg zum Wiederaufbau der Stadt. Bis heute wählen die Menschen in der Hansestadt am Rhein den Rat der Stadt Wesel. Inzwischen setzt sich dieser nur aus Vertreter von Parteien und Wählergemeinschaften zusammen. Wie vor 75 Jahren tauschen die Ratsmitglieder ihre Argumente aus, streiten in der Sache und gestalten gemeinsam die Zukunft der Stadt Wesel.

Autor:

Lokalkompass Wesel aus Wesel

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