Was sagen die CDUler im Kreis Wesel zum Hick-Hack um die Bundesvorsitz-Wahl?
Laschet (mit Spahn), Merz oder Röttgen - wer bekommt am Niederrhein die meisten Sympathien?
Schon bei der SPD endete vor rund einem Jahr eine Findungstortur sondergleichen. An deren Ende stand die Wahl von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans als neue Bundesvorsitzende der Sozialdemokraten. In diesen Tagen schickt sich die Bundes-CDU an, Mitglieder und Wähler mit einem ähnlich langwierigen Verfahren zu nerven.
Vor rund einer Woche erging der fast einvernehmliche Beschluss, die delegiertenbasierte Wahl aufs Frühjahr zu verschieben - mittlerweils fest terminiert auf Januar 2021. Damit entgingen die Konservativen einer Diskussion um Missachtung der Coronaregeln, weil das Wahltreffen ursprünglich Anfang Dezember sein sollte. Auch eine digitale Lösung (Videokonferenz) wurde abgelehnt.
Das schmeckte vor allem dem Wirtschaftspolitiker Friedrich Merz nicht, der seine Umfragewerte derzeit als hoch einschätzt und seinen Parteikolleg(inn)en im Zuge der Verschiebung vorwarf, diese gereiche vor allem Armin Laschet zum Vorteil.
Nicht schön, so ein Hick-Hack in Zeiten von Politverdruss und darbender Glaubwürdigkeit. Und was meinen die CDU-Politiker am Niederrhein zu dem wenig rühmlichen Geplänkel?
Wir hörten uns um ...
Die Statements
Sascha van Beek (Gemeindeverbandsvorsitzender Alpen): "Die Entscheidung des Bundesvorstandes finde ich absolut richtig. Wer daran zweifelt verkennt den Ernst der Lage. Ich denke das einstimmige Ergebnis im Präsidium der CDU Deutschlands unterstreicht die Korrektheit dieser Entscheidung.
Jetzt kommt es als Delegierter für den Bundesparteitag ja einzig auf meine persönliche Entscheidung an und es wäre somit einfach meinen Favoriten zu benennen. Jedoch sehe ich mich als Parteivorsitzender eines CDU-Gemeindeverbandes, mit über 260 Mitgliedern auch deren Meinung gegenüber verpflichtet und muss vor Ort allen Meinungen gegenüber ausgleichend sein. Daher möchte ich durch meine persönliche Meinung auch nicht zu sehr in ein Lager tendieren. Vielmehr will ich die jetzt gewonnene Zeit nutzen, um die Stimmung vor Ort aufzunehmen.
In der Vergangenheit habe ich vor Ort tendenziell eher eine gegenüber Merz positiv gelagerte Stimmung wahrgenommen. Ob das nach dem, meiner persönlichen Meinung nach, für das Amt des Bundesvorsitzenden disqualifizierende Verhalten durch Herrn Merz immer noch so ist, wage ich zu bezweifeln. Wir brauchen an der Spitze der CDU vor allem einen Brückenbauer. Wir sind eine Volkspartei, in der sich jedes Mitglied in dem sehr breiten Spektrum links und rechts der Mitte wiederfinden können muss. Herr Merz repräsentiert ein Lager innerhalb der CDU und muss es schaffen, alle anderen für sich zu gewinnen, wenn wir Volkspartei bleiben wollen. Wenn er jetzt schon einen Großteil der Partei inklusive des derzeitigen Präsidiums gegen sich verbündet sieht, dann bezweifle ich, dass ihm das gelingt. Ich finde die wirtschaftliche Kompetenz von Herrn Merz beeindruckend und kann auch den Wunsch nach Aufbruch, der mit ihm verbunden wird, nachvollziehen. Ein Brückenbauer ist er leider aber absolut nicht, wie die letzten Tage gezeigt haben. Ich bin auf den Austausch mit meinem Vorstand gespannt."
Jürgen Linz (Fraktionsvorsitzender Wesel): "Ich begrüße die Entscheidung über die Verschiebung der Wahl aufs Frühjahr 2021. Die Bevölkerung und wohl auch die meisten Parteimitglieder haben derzeitig aufgrund der Pandemie dringendere Probleme als die Durchführung der Wahl eines neuen Parteivorsitzenden. Wir alle sollten zunächst einmal schauen, gesund und möglichst bald durch diese besondere Zeit zu kommen, die jetzt wichtigen und dringenden Probleme der Menschen, des Pflegepersonals, der Krankenhäuser, der Gastronomie, der Veranstaltungsbranche und vieler weiterer Bereiche zu lösen und uns danach mit der Wahl eines neuen Parteivorsitzenden beschäftigen.
Ich habe keinen persönlichen Favoriten. Geeignet sind für mich alle Bewerber. Mir wäre es wichtig, die unterschiedlichen Gruppierungen und Strömungen innerhalb der CDU, in den Sachfragen zusammen zu bringen, und mit ihnen gemeinsam die Herausforderungen anzunehmen, um den Menschen in Deutschland eine gute Zukunft zu ermöglichen."
Wilhelm Windszus (Gemeindeverbandsvorsitzender Hünxe): "Angesichts der Corona-Pandemie halte ich es für richtig, dass die Wahl des neuen Vorsitzenden der Bundes-CDU auf das Frühjahr 2021 verschoben worden ist. Einen Bundesparteitag Anfang Dezember durchzuführen, wäre angesichts der derzeitigen Pandemie-Situation mit dem neuen Teil-Lockdown der Öffentlichkeit nicht vermittelbar gewesen.
Ich war lange hin- und hergerissen zwischen Friedrich Merz und Armin Laschet. Beide sind hervorragende Politiker und bringen die entsprechenden Fähigkeiten mit. Allerdings bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass Armin Laschet der richtige Mann für die Funktion des CDU-Vorsitzenden ist. Er kann sehr gut zwischen verschiedenen Meinungen vermitteln und tritt ausgleichend auf. Armin Laschet wirkt überzeugend in seiner Argumentation und er hat Standing, was er schon als NRW-Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzender NRW bewiesen hat. Die Funktion eines CDU-Bundesvorsitzenden würde Armin Laschet auch automatisch in seinem Amt als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen weiter stärken.
Ein Vorsitzender Friedrich Merz, ein absoluter Wirtschaftsfachmann, würde voraussichtlich, weil er konservativer als Armin Laschet ist, etwas polarisierend wirken. Das kann zwar zunächst die eigenen Reihen unter Umständen stärken, aber auch den politischen Gegner. Damit wären Risiken verbunden, wie die CDU in der Wählerschaft insgesamt ankommt und wie koalitionsfähig sie dann wäre. Mit der FDP gewiss. Die Frage wäre dann: Reicht das?
Norbert Röttgen hat seinerzeit für mich etwas überraschend seine Kandidatur erklärt. Er ist zwar ebenfalls ein profilierter Politiker. Aber nach meiner Einschätzung hat er keine großen Chancen, CDU-Vorsitzender zu werden. Das hat auch damit zu tun, dass er als Vorsitzender der CDU NRW vor einigen Jahren nicht wirklich erfolgreich und überzeugend war.
Jens Spahn hat bekanntlich erklärt, dass er Armin Laschet unterstützt und auf eine eigene Kandidatur verzichtet. Mir liegen keine konkreten Informationen vor, dass er möglicherweise doch die Absicht hat, selbst für das Amt des Vorsitzenden zu kandidieren. Deshalb zähle ich ihn nicht zu den Vorsitzenden-Kandidaten."
Justus Janßen (Vorsitzender der Jungen Union Xanten): "Eine Verschiebung des CDU-Parteitags halte ich für vollkommen falsch. Die Bundes-CDU hat es versäumt in den letzten Monaten online oder Briefwahlmöglichkeiten zu schaffen, um die wichtigste Wahl der Partei durchführen zu können. Gerade weil der nächste CDU-Vorsitzende auch als Kanzlerkandidat gesetzt ist, handelt es sich bei der Wahl nicht um eine einfache Vorsitzendenwahl, sondern um eine Wahl mit extremer Tragweite.
Als starken Wirtschaftspolitiker unterstütze ich Friedrich Merz. Gerade jetzt in der Krise brauchen wir jemanden der dazu fähig ist, die Weichen für eine gute Zeit nach der Pandemie zu stellen - das ist für mich: Friedrich Merz.
Aus vielen Gesprächen in der Parteibasis hört man den Wunsch heraus, dass wieder mehr debattiert und offen über Themen gesprochen werden soll. Genau diesen Kurs müssen wir in der Zukunft einschlagen und schnellstmöglich den neuen Kapitän der CDU Deutschlands wählen und eine noch längere Hängepartie vermeiden."
Rainer Hagenkötter (Stadtverbandsvorsitzender Dinslaken): "Aufgrund der dynamischen Corona-Entwicklung findet die Terminierung im Januar meine persönliche Zustimmung. Aktuell eine Veranstaltung mit 1000 Delegierten abzuhalten halte ich für ein falsches Zeichen an die Öffentlichkeit. Wir sind alle aufgefordert, Kontakte deutlich zu vermindern, gar zu vermeiden.
Grundsätzlich halte ich alle Bewerber für geeignet. Wichtig für mich ist, dass der neue Vorsitzende persönlichen Fähigkeiten mit sich bringt, um alle Gruppierungen innerhalb der CDU zusammenführen zu können, Deutschland braucht eine geeinte und starke Union.
Persönlich favorisiere ich das Team Armin Laschet und Jens Spahn. Armin Laschet zeigt als Ministerpräsident: starke Führung und zugleich verbindende Fähigkeiten, diese müssen nicht konkurrieren.
In der heutigen Zeit darf nicht polarisiert werden, hier sind Brückenbauer gefordert und damit eine Person der Mitte. Wenn ich mir angucke, wie Laschet in Nordrhein-Westfalen die Junge Union und die Frauen Union einbindet sowie den Wirtschaftsflügel als auch den Arbeitnehmerflügel der Union, dann ist dies genau die richtige Person, die die Bundes-CDU zusammenführen kann. Spahn ist von seiner Persönlichkeit und von seinem Profil her die passende Ergänzung zu Laschet.
Ingo Brohl (Landrat Kreis Wesel): "Wir alle haben es verpasst, die Sommermonate zu nutzen, um die Führungsfrage in der CDU zu entscheiden. Dies gilt auch für jeden der Kandidaten um den Parteivorsitz. Die einstimmige Entscheidung des Parteivorstandes, den Bundesparteitag im Dezember nicht durchzuführen, ist jetzt vollkommen richtig. Es geht jetzt darum, Deutschland weiterhin gut durch die Krise zu steuern - ich empfehle einen Blick in unsere Nachbarländer, um die bisherige Leistung von uns allen einzuschätzen. Wir waren bislang dabei sehr erfolgreich, auch wenn man einzelne Maßnahmen durchaus kritisch sehen kann. Es geht um Menschenleben, es geht um den Schutz der Gesundheit. Es geht auch darum, die Pandemie, möglichst bevor sie unbeherrschbar wird, wieder in den Griff zu bekommen und es ist wesentlich, dadurch auch die wirtschaftlichen Folgen abzumildern und Arbeitsplätze zu sichern. Jetzt ist nicht die Zeit für Personaldebatten. Deshalb beteilige ich mich definitiv auch nicht an diesen. Ein tragender Grundwert der CDU ist, erst das Land, dann die Partei und dann die Person - und zwar von vorne gelesen!"
Charlotte Quik (Brünen, Mitglied des NRW-Landtags): "Ja. Es ist der in derzeitigen Infektionslage nicht angemessen, einen Präsenzparteitag mit 1001 Delegierten durchzuführen. Absolute Priorität hat der Gesundheitsschutz und nicht die Wahl eines CDU-Bundesvorsitzenden. Ich unterstütze die Bewerbung des Teams aus Armin Laschet und Jens Spahn. Ich halte es für wichtig, dass auch die künftige Parteiführung für eine Union der Mitte steht und denke, dass Armin Laschet und Jens Spahn das gut repräsentieren. Armin Laschet kenne ich aus über drei Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit zwischen Landesregierung und NRW-Koalition und weiß seine moderierende und ausgleichende Arbeitsweise zu schätzen. Genau wie Jans Spahn als Bundesminister für Gesundheit hat er unser Nordrhein-Westfalen sicher durch die derzeitige Krise geleitet. Ich bin sicher, dass unsere Union bei Armin Laschet und Jens Spahn in den besten Händen ist."
Norbert Neß (Parteivorsitzender Hamminkeln): ") Dass der CDU-Parteitag im Dezember nicht stattfindet, ist völlig richtig. Gerade in der aktuellen Corona-Lage passt ein Delegiertentreffen mit 1.000 Teilnehmern nicht in die Zeit. Die Menschen haben andere Sorgen, zu Recht! Deutschland und die CDU werden in der Krise gerade gut und sicher geführt. Die Verschiebung auf Mitte Januar ist der richtige Weg. Dann wissen wir zu Anfang des Jahres, mit welchem Spitzenpersonal wir ins Wahljahr 2021 starten. Mein Favorit ist das Team Armin Laschet und Jens Spahn. Sie zeigen als erfolgreicher Ministerpräsident und als erfolgreicher Gesundheitsminister Taten statt Worte."
Frank Steenmanns (Stadtverbandsvorsitzender Voerde): "Der Zeitraum ist mir persönlich deutlich zu weit. Allerdings deuten jüngste Nachrichten vom vergangenen Wochenende daraufhin, dass ein wie auch immer organisierter Bundesparteitag Mitte Januar 2021 durchgeführt werden soll. Die CDU sollte die Frage des Bundesvorsitzes jetzt zügig zu Jahresbeginn entscheiden, da eine noch längere Hängepartie als bisher schon weder für die CDU selbst gut ist noch im Hinblick auf das Wahljahr 2021 mit sechs Landtagswahlen und der Bundestagswahl organisatorisch hilfreich ist. Einen Parteitag mit 1.000 Delegierten just in dem Moment durchzuführen, in dem die eigene Kanzlerin einen erneuten Lockdown für erforderlich hält und veranstaltungs- sowie versammlungsmäßig nahezu nichts mehr stattfinden kann, wäre allerdings auch keine Lösung gewesen, die Otto-Normal-Bürger noch verstanden hätte.
Jeder der Kandidaten hat Stärken und Schwächen wie jeder Mensch, inhaltlich und von der Persönlichkeit her. Insofern ist auch eine Entscheidung zu dieser Frage letztlich immer ein Kompromiss, was überwiegt? Bei den drei sich bewerbenden Personen würde ich mich wohl für Armin Laschet entscheiden.
Friedrich Merz ist zwar in Sachen Wirtschafts- und Finanzpolitik zweifellos kompetent, hat aber gerade in jüngerer Zeit ob seiner Vorgehensweise immer wieder Zweifel aufkommen lassen, ob er wirklich der Richtige wäre, die CDU zusammenzuhalten und ob er mit einer schwarz-grünen Zukunft im Bund wirklich zurecht kommen würde. Merz verkörpert zwar für viele einen Konservatismus, der vielfach vermisst wird, in Teilen kann ich das verstehen. Dennoch glaube ich, dass sein Gesellschaftsbild gerade in den Städten viele (auch jüngere) Menschen eher abschrecken und sie noch verstärkt in die Arme der Grünen treiben würde. Merz verkörpert für viele Wähler nicht das Zukunftsbild (auch der CDU), das sie sich erwarten. Die CDU tut sich ja derzeit schon, trotz aller in der Vergangenheit gesetzten Akzente, mit den Großstädten sehr schwer. Söder hat das in Bayern auch akzeptieren müssen und die CSU neu ausgerichtet.
Laschet traue ich eine schwarz-grüne Option im Bund schon eher zu. Er vertritt zudem ein Gesellschaftsbild, das mir persönlich näher liegt als das von Friedrich Merz. Und zur Frage der Kompetenz schlechthin. Was hat man nicht alles gesagt und geschrieben als Angela Merkel Bundesvorsitzende und später Kanzlerin wurde. Heute sehen wir, sie hat sich prima eingearbeitet und kann mit ihrem Wissen und Können heute souverän umgehen. Ich denke, man sollte jedem Menschen zutrauen, mit der Aufgabe stetig dazu zu lernen."
Autor:Dirk Bohlen aus Hamminkeln |
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