Kreis-Veterinär Dr. Antonius Dicke zu den Gefahren der Afrikanischen Schweinepest

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Der Kreis Wesel ist alarmiert - auch wenn die Afrikanische Schweinepest bislang noch nicht über die bundesdeutsche Grenze zu Tschechien geschwappt ist. Amtsveterinär Dr. Antonius Dicke steht der Redaktion Rede und Antwort zu diesem brisanten Thema.

Auf unsere Anfrage hin erklärt er die Hintergrunde ausführlich ...

Redaktion: Wie bewerten Sie die Problemlage?
Dicke: Die Afrikanische Schweinepest (ASP) ist eine Viruserkrankung der Haus - und Wildschweine, die als anzeigepflichtige Tierseuche staatlich bekämpft wird. Die Krankheit ist nicht auf den Menschen übertragbar. Die ASP ist in Deutschland noch nicht aufgetreten, kommt ursprünglich in Afrika vor und seit langem auch auf Sardinien, ohne bisher Mitteleuropa zu erreichen. 2007 wurde sie über das Schwarze Meer nach Georgien und von dort aus weiter bis in die baltischen Staaten und Ostpolen damit in die EU weiterverbreitet. Hier hält sich die Seuche seit 2014, ohne dass ein Ende in Sicht ist. Die beiden erwarteten Szenarien, dass sich die ASP entweder weiter zügig in Richtung Mittel- und Westeuropa ausbreitet oder wegen der hohen Todesrate bei infizierten Tieren in sich zusammenfällt, sind nicht eingetreten. 2017 hat die Infektion mit Ausbrüchen in Tschechien und auch Rumänien ohne erkennbare Zwischenschritte große Strecken überwunden. Mit dem Auftreten der ASP bei Wildschweinen in Tschechien ist die Seuche nunmehr nahe an Deutschland herangerückt. Die genaue Verbreitungsursache ist noch nicht bekannt. Vermutungen gehen derzeit dahin, dass Lebensmittel eine Rolle spielen könnten.
Es gibt eine qualitative Risikobewertung seitens des Friedrich- Löffler- Institutes (FLI), die neben anderen öffentlich zugänglichen Dokumenten auf der Homepage des FLI zu finden ist: www.fli.bund.de. Danach wird das Risiko des Eintrags von ASP nach Deutschland durch illegale Verbringung und Entsorgung von kontaminiertem Material als hoch eingeschätzt. In nicht durcherhitzten Lebensmitteln vom Schwein oder auch Wildschwein kann etwaig vorhandenes Virus monatelang infektiös bleiben.
Die allgemeine Gefahreneinschätzung für Deutschland ist zumindest mittelfristig eher pessimistisch. Derzeit wird über Vorsorgemaßnahmen versucht, das Risiko der Einschleppung so gering wie möglich zu halten und über Monitoringmaßnahmen, eventuelle Infektionen so früh wie möglich zu erkennen.
Tritt die Seuche in Deutschland auf, greifen EU- Vorschriften in Verbindung mit den Regelungen der Schweinepest- Verordnung. Bei Infektionen in Hausschweinehaltungen wird der Bestand getötet, desweiteren dürften diese Maßnahmen in Kontakt- und sonstigen Verdachtsbetrieben unausweichlich sein. Um Ausbruchsbetriebe werden Sperrbezirke und Beobachtungsgebiete eingerichtet, die bis zur Sicherstellung, dass die Seuche nicht verbreitet wurde und erloschen ist, aufrecht erhalten werden. Über diese Gebiete hinaus wird die EU Handelsbeschränkungen verhängen, die zunächst sehr großräumig sind und bei günstigem Verlauf eingegrenzt werden können (Regionalisierung). Gelingt es, die Krankheit im Bereich der Hausschweine zu halten und und erfolgreich zu bekämpfen, dürfte ähnlich wie 2006 bei der Klassischen Schweinepest in den Kreisen Recklinghausen und Borken, die Seuche nach einigen Monaten erloschen sein. Die wirtschaftlichen Folgen für die Schweinehaltung sowie vor- und nachgelagerte Wirtschaftsbereiche wären katastrophal.
Noch dramatischer verhält es sich mit Infektionen in der Wildschweinepopulation, denn das Beispiel der baltischen Staaten zeigt, dass es schwer wird, ein solches Infektionsgeschehen in absehbarer Zeit endgültig zu beenden. Derzeit wird international gespannt verfolgt, ob und wie dies in Tschechien gelingt. Bei Ausbrüchen in der Wildschweinepopulation werden nämlich ebenfalls und großräumige sowie lang andauernde Restriktionsgebiete eingerichtet, in denen Hausschweinehaltungen starken Einschränkungen unterliegen und strenge Vorschriften für Produkte von Schweinen gelten. Absehbar sind neben den EU- Beschränkungen massive Einbrüche beim Export, der eine nicht unbedeutende Rolle in deutschen Schweinefleischproduktion spielt. Drittländer reagieren sofort auf das Auftreten relevanter Tierseuchen und sperren unverzüglich betroffene Staaten vom Handel aus. Man kann zumindest anfänglich nicht damit rechnen, dass Drittstaaten eine hiesige Regionalisierung akzeptieren; ein Ausbruch bei Wildschweinen im Osten oder Südosten der Bundesrepublik dürfte somit auch die niederrheinische Schweinehaltung unmittelbar treffen.
Als eine wichtige Vorsorgemaßnahme wird allgemein angesehen, dass die Wildschweinedichte in einem Gebiet ein bestimmtes Maß nicht überschreiten sollte. Diese Dichte wird in vielen Gegenden vielfach überschritten. Milde Winter und ein damit verbundenes ganzjähriges Futterangebot sind wichtige Ursachen für eine nahezu explosionsartige Vermehrung der Wildschweine in den letzten Jahren. Derzeit wird über jagdliche Regelungen und die Subventionierung bestimmter Trichinenuntersuchungen versucht, Anreize für die Jäger zu schaffen, insgesamt mehr und vor allem junge Tiere zu schießen, bevor sie die Geschlechtsreife erreichen.
Die Landwirte sind gehalten, die Biosicherheitsvorschriften für ihre Betriebe strikt zu beachten und sonstige Risikofaktoren für eine mögliche Einschleppung zu minimieren. Die Nichtbeachtung von Vorschriften kann auch zu empfindlichen Kürzungen bis hin zum Versagen von Entschädigungen und weiteren Leistungen der Tierseuchenkasse und des Landes im Seuchenfall führen; das ist im Ernstfall existenzbedrohend.

Redaktion: Sind Ihnen Zuchtbetriebe im Kreis Wesel bekannt, deren Betreiber/Inhaber sich des Problems annehmen oder Schutzmaßnahmen ergreifen?
Dicke: Die Landwirtschaft ist sich der Problematik bewusst. In der landwirtschaftlichen Fachpresse wird seit Jahren und in letzter Zeit zunehmend über die drohende Gefahr berichtet. Auch der Fachdienst Veterinär- und Lebensmittelüberwachung des Kreises Wesel weist seit Jahren in Veranstaltungen und bei Betriebskontrollen immer wieder auf die Gefahrenlage und betriebsspezifische Risikofaktoren hin.

Redaktion: Was sagen Sie zu dem Vorwurf (Bezug auf TV-Berichte), die Jäger seien zum Teil verantwortlich für die Weiterverbreitung der Seuche?
Dicke: In der Risikokoanalyse des FLI wird als eine mögliche Einschleppungsgefahr der Jagdtourismus aufgeführt. Schuldzuweisungen, vor allem pauschale, sind trotzdem fehl am Platz; es handelt sich um eine der möglichen Einschleppungsquellen. Höher eingestuft wird das Risiko durch virushaltige Lebensmittel, die entlang der Verkehrsinfrastruktur (Fernstraßen, Schifffahrtstraßen etc.) beispielsweise auf Wildschweinen zugänglichen Parkplätze unsachgemäß entsorgt werden.
Alle Beteiligten bzw. im Ernstfall Betroffenen sind gehalten, ihren Teil zu einer angemessenen Vorsorge beizutragen. Dazu zählen die Biosicherheit der landwirtschaftlichen Betriebe, Risikobewusstsein in Landwirtschaft und Jagd, die Wildbrethygiene beim Erlegen von Wildschweinen und anderes mehr. Wichtig sind zwischen Landwirtschaft und Jägerschaft abgestimmte, gute und dauerhaft wirksame Konzepten zur Reduzierung der Schwarzwilddichte. Hierzu tragen insbesondere aufklärende und entsprechend motivierende Veranstaltungen bei, wie sie vor einigen Wochen der Fachdienst Naturschutz, Landwirtschaft, Jagd und Fischerei des Kreises Wesel mit dem beratenden Berufsjäger des Landes NRW, Herrn Markett im Kreishaus durchgeführt hat.


Hier lesen Sie die Statements der Kreisjägerschaft und der Kreisbauernschaft Wesel.

Dr. Antonius Dicke | Foto: privat
Autor:

Lokalkompass Kreis Wesel aus Wesel

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