Auf den Spuren von Hauke Haien: Deichverband probt den Ernstfall
Das Wasser des Rheins ist seit Tagen dramatisch hoch und hat die alten Deiche aufgeweicht. „Wie Pudding wabert es, wenn man drüber läuft, denn die bislang noch nicht sanierten Deichabschnitte haben einen Kern aus Lehm und Erde. Tagelanger Dauerdruck des anstehenden Wassers machen die Substanz mürbe, jederzeit kann ein Durchbruch mit dramatischen Folgen drohen...Nicht auf einem Schimmel kommt er daher, der Deichgräf Herbert Scheers, sondern leuchtende Sicherheitswesten, Frontlader und Lautsprecheranlage gehören 133 Jahre nach der Veröffentlichung von Theodor Storms Novelle 'Der Schimmelreiter' zur Ausrüstung der Teilnehmer...
Zwar melden die Wettberichte derzeit in Wirklichkeit ein Jahrhundert-Niedrigwasser und die Rheinschifffahrt ist wegen der niedrigen Pegelstände eingeschränkt, dennoch fand am Freitag Mittag eine mit der Bezirksregierung abgestimmte Hochwasserschutz-Übung des Deichverbandes Bislich-Landesgrenze statt.
Das Szenario, das Geschäftsführer Holger Friedrich und Deichgräf Herbert Scheers auf dem Gelände der Kiesbaggerei Hülskens entwarfen, könnte jederzeit eintreten. Dann müssten Kommunikation und Maßnahmen perfekt funktionieren, um die Katastrophe eines Deichdurchbruchs erfolgreich zu verhindern. Gemeinsam mit einem weiteren ehrenamtlichen Mitglied des Verbandes schaufelte etwa die Reeser Bauamtsleiterin Elke Strede in Rekordarbeit große Mengen Rheinsandes in die Jutesäcke, wurden Stacheldrahtzäune geöffnet, Weidenstämmchen mit dem Frontlader angeliefert und Dichtungsfolie entrollt. Kurze Kommandos, oft reicht eine Geste, ein Blick, und schon weiß jeder der knapp 40 Anwesenden, was er zu tun hat. Derweil sprudelt es munter aus einer Handteller großen Öffnung in der Grasnarbe am Fuße des Deiches. Unaufhörlich klar und plätschernd, irgendwie idyllisch... und am Fuße des Deiches hat sich ein feines Rinnsal gebildet. Im Ernstfall sind diese alarmierenden Anzeichen eines drohenden Durchbruchs.
Vor dem Beginn der praktischen Übung, an der Landwirte, haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter des Deichverbandes und Mitarbeiter der Stadtverwaltungen aus Rees, Wesel, Emmerich und Isselburg teilnahmen, gab es eine kurze Einführung ins Thema durch Holger Friedrich. In einer Querschnittzeichnung veranschaulichte er die unterschiedliche Bauweise der alten, noch nicht sanierten Deiche mit dem Aufbau der bereits sanierten und erläuterte, worauf die Beobachter im Ernstfall achten müssen. Landseitig signalisierten kleine Quellen, dass das Hochwasser sich bereits einen Weg durch den Schutzwall gebahnt habe. Auch das Grundwasser, das durch natürliche Hydraulik landseitig an die Oberfläche drücke, berge die Gefahr der Unterspülung und des Dammbruchs.
Friedrich erläuterte die Kommunikationskette im Falle der Gefahr, die von den Beobachtern an die Heimräte in die Geschäftsstelle nach Emmerich und von hier aus zur Bezirksregierung verlaufe. Hier würden dann im engen Austausch mit dem Deichverband die entsprechenden Maßnahmen eingeleitet, so Friedrich. Nach dieser theoretischen Erläuterung skizzierte Deichgräf Herbert Scheers die Übungen, die es in drei Gruppen zu absolvieren galt: Das Verschließen der Quelle, die Sicherung der aufgeweichten Böschung und der Bau eines wasserdichten Sandsack-Damms. Mit dieser Übung wurde zudem Wissen vertieft, das einige Mitglieder des Deichverbandes im Frühjahr im Rahmen einer Schulung in Hamburg erworben haben. Rund 45 Kilometer Deiche befinden sich in der Verantwortung des Deichverbandes Bislich-Landesgrenze, wovon bereits etwa die Hälfte saniert sind. Diese mit einem Sandkern versehenen, höheren und im Winkel flacheren neuen Schutzwälle sind sicher. „Unsere Sorgenkinder sind die noch nicht sanierten Deichabschnitte“, ist Holger Friedrich angesichts des bevorstehenden Winters nicht ganz unbesorgt.
Autor:Caroline Büsgen aus Emmerich am Rhein |
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