Viel Leid auf Deutschlands Straßen
99 von 100 Katzen sind krank
Straßenkatzen sind in Deutschland ein kaum wahrgenommenes Problem: „Straßenkatzen leiden im Verborgenen; ihr Leben ist qualvoll und vor allem kurz!", sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.
Das kann Karin Obbink nur bestätigen. Die Tierschützerin hat mit einer Handvoll Katzenfreunde im Jahr 2010 den Verein "Straßenkatzen Wesel und Hamminkeln" gegründet. Sie haben es sich damals zur Aufgabe gemacht, streunende Katzen einzufangen, zu kastrieren und - je nach Sozialisation des Tiers - zu vermitteln oder wieder auszuwildern. Dabei hat Obbink viel Leid gesehen. "Sehr viele Tiere sind krank. Katzenschnupfen ist an der Tagesordnung, Parasiten haben fast alle", erzählt sie.
Der neue Katzenschutzreport des Deutschen Tierschutzbundes unterfüttert diese Erfahrungen mit Zahlen: 99 Prozent der aufgefundenen Straßenkatzen sind krank, haben die zugrunde liegenden Online-Umfragen unter Mitgliedsvereinen des Tierschutzbundes mit Kontakt zu Straßenkatzen ergeben.
Drei Monate auf der Lauer gelegen
Dabei lassen sich die Tiere oft nicht gerne helfen. "Es braucht sehr viel Geduld, eine verwilderte Katze einzufangen", weiß Karin Obbink. In einem Fall, so berichtet die Tierschützerin, hat sie drei Monate lang auf der Lauer gelegen, bis die Katze in ihre Falle tappte. Eine kaum mehr zu stemmende Aufgabe für den Verein am Niederrhein, dem sowohl die Gelder als auch die Manpower wegbrechen. "Im vergangenen Jahr war ich die einzige Aktive, die Katzen eingefangen hat. Das kann ich alleine nicht mehr stemmen. Bedarf wäre aber da", sagt Obbink. Denn neben dem Einfangen müssen die Katzen nach der medizinischen Behandlung und Kastration auch in Kurzzeitpflegestellen betreut werden.
Kastration: ein teures Unterfangen
In Spitzenzeiten hat der Verein "Straßenkatzen Wesel und Hamminkeln" mehr als 300 Tiere pro Jahr kastriert. Dafür gibt es Fördermittel vom Land NRW, so berichtet Obbink. Aber nur etwa 40 Euro der Kastrationskosten, die im Schnitt zwischen 120 und 150 Euro pro Tier betragen haben, wurden bezuschusst. "Da benötigen wir Tierschützer folglich noch jede Menge Spenden."
Auch damit stehen die Weseler nicht alleine da. "Fast jedes dritte Tierheim erhält keine finanzielle Unterstützung von Ländern oder Kommunen für die Kastrationen", heißt es in dem Report.
In 89 Prozent der Gemeinden gibt es keine Kastrationspflicht
Froh ist Obbink über die 2019 eingeführte Kastrationspflicht von Freigänger-Katzen im Kreis Wesel. Das ist aber immer noch eher die Ausnahme: Von 10.781 Gemeinden in Deutschland haben nach Recherchen des Deutschen Tierschutzbundes lediglich circa 1.150 Städte und Gemeinden (Stand: Mai 2023) eine Kastrationspflicht erlassen. Damit haben rund 89 Prozent der Städte und Gemeinden in Deutschland keine Kastrationspflicht. Der Präsident des Tierschutzbundes fordert: "Um den Teufelskreis der unkontrollierten Fortpflanzung zu durchbrechen und das Leid zu stoppen, braucht es dringend eine bundesweite Regelung für mehr Katzenschutz, die eine Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht beinhaltet." Bislang schultern Tierschutzvereine die Verantwortung meist alleine; sie kämpfen täglich dafür, das Leid der Tiere zu mindern. „Ein Unding“, so Schröder - angesichts des Staatsziels Tierschutz. „Die Tierschutzvereine und Tierschützer müssen endlich die ihnen zustehende Unterstützung erhalten.“
Verein hat fast aufgegeben
Der Verein aus Wesel hat fast aufgegeben. "Seit 2022 wurde unsere Arbeit stark zurückgefahren, der Mangel an Helfern und Geldern bei steigenden Kosten, zum Beispiel für die Behandlung beim Tierarzt, ist zu groß geworden", sagt Obbink.
Wer den Verein unterstützen möchte, findet Infos auf der Website https://tron1509.wixsite.com/strassenkatzen
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