Droht unserer Region eine Klima-Entwicklung in Richtung mediterraner Verhältnisse? Peter Malzbender:
"Wenn wir es nicht schaffen, die steigende Erderwärmung (...) auf 1,5 Grad Celsius zu drosseln, wird auch der Niederrhein weiter versteppen!"

Ausgetrockneter Boden bei Xanten.  | Foto: Rena Wirth
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Sie meinen, es hätte doch jetzt wirklich genug geregnet? Und Sie freuen sich auf einen weiteren heißen Sommer, damit Sie schön oft mit Familie und Freunden zusammen grillen können? Entschuldigung - aber Sie haben eine arg verknappte Sichtweise auf die Dinge! Wenig Regen und viel Sonne sind nämlich schlecht für die Umwelt. Und für die Welt. Und überhaupt.

Entscheidende Faktoren für unsere aller Zukunft hat zum Beispiel Peter Malzbender im Blick, der Vorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) im Kreis Wesel. Ihn baten wir, unter Berücksichtigung der aktuellen Wetterlage ein Klima-Szenario für den Niederrhein zu formulieren. 
Und dies sind seine Ausführungen ...

Das dritte Jahr in Folge ist der Niederrhein von einer Dürre betroffen. Auch mit nicht zu unterschätzenden Auswirkungen auf die heimische Tier- und Pflanzenwelt.
Ökologisch wertvolle Blänken, Flachwasserbereiche, Kolke und Woyen waren in den vergangenen Jahren über Monate komplett trockengefallen.

Die Droste Woy in Wesel-Bislich zeigte ihren knochenharten, gerissenen Schlammgrund wie eine Mondlandschaft. Nicht nur alle Fische, Pflanzen und unzählige Kleinstlebewesen hatten keine Existenzgrundlage mehr. Dies führt zwangsläufig zu ökologischen Kettenreaktionen; beispielsweise Futter wird für Vögel knapper.

Die Blänken im Naturschutzgebiet Dingdener-Heide führten und führen ebenfalls kein Wasser mehr. Großer Brachvogel, Kiebitz und Co. können kaum noch mit ihren Spezialschnäbeln im Boden nach Nahrung stochern. Die Nachwuchsrate fällt entsprechend gering aus. Wasserschwankungen sind für viele Gewässer weniger problematisch, allerdings das totale Trockenfallen kann nachhaltige Folgen für ganze Lebensgemeinschaften haben.

In unseren Wäldern und in der Feldflur ist seit 2018 augenfällig, dass viele Bäume und Sträucher der langwierigen Trockenheit nicht gewachsen sind. Insbesondere sehr viele Flachwurzler wie Fichten sind bereits abgestorben. Diese Bäume werden dann bevorzugt vom Borkenkäfer invasionsartig in Beschlag genommen. Selbst Herzwurzler wie die Buche geben vielerorts bei uns ihren Geist auf. Sie gelangen nicht mehr an ausreichend Wasser aus dem Boden. Für Eichen mit ihrer Pfahlwurzel sieht es wesentlich besser aus. Noch.

Der Grundwasserpegel ist für unsere landwirtschaftlich geprägte Region seit drei Jahren auf einem ungewöhnlich niedrigen Niveau. Nicht flächendeckend gleich, sondern sehr unterschiedlich. Schon im Frühjahr zeigten sich bei uns viele Wiesen und Weiden in einem verdorrten Zustand. Es ist sehr wahrscheinlich, dass in Zukunft Schäfer und andere Nutztierhalter Probleme bekommen, noch ausreichend Grünfutter für ihre Tiere zu haben.

Wissenschaftler haben für den Niederrhein berechnet, dass es drei Wochen lang Tag und Nacht durchregnen müsste, um für unsere Breiten wieder auf ein annähernd „normales“ Niveau zu gelangen.
Viele Faunisten und Botaniker prognostizieren, dass wir am Niederrhein über kurz oder lang wahrscheinlich mit einem Mittelmeerklima zu rechnen haben. Viele bei uns jetzt heimischen Tier- und Pflanzenarten würden dabei auf der Strecke bleiben. Andere Arten werden unsere Region neu besiedeln. Dies bedeutet allerdings erst einmal zumindest über Jahrzehnte eine Verarmung der Biodiversität.

Trinkwasser wird weltweit und auch bei uns zu einem der kostbarsten Güter werden. Mich würde nicht wundern, wenn dies auch zu einer Rationierung des Trinkwassers für Privathaushalte führt.
Der ausbeuterische Umgang natürlicher Ressourcen hat zum Klimawandel geführt. Wir alle sollten unseren gedankenlosen Konsumverbrauch massiv einschränken. U.a. muss sich bei uns auch die „moderne“, industriell praktizierte Landwirtschaft ändern; sie ist ein maßgeblicher Faktor beim Klimawandel und beim katastrophalen Rückgang der Artenvielfalt auf landwirtschaftlichen Flächen.
Wenn wir es nicht schaffen, das globale Klimaziel, die steigende Erderwärmung in den nächsten Jahren auf 1,5 Grad Celsius zu drosseln, wird auch der Niederrhein weiter versteppen. Weiter so geht absolut nicht mehr. (Peter Malzbender)
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Im Vorfeld hatten wir mehrfach versucht, auch von der Kreisbauernschaft Wesel und von der Hamminkelner Revierförsterei jeweils ein Statement zu bekommen. Diese Absicht ist leider aus unerfindlichen Gründen gescheitert (die Reaktion drauf lesen Sie hier).

Autor:

Dirk Bohlen aus Hamminkeln

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