Kiesabbau am Niederrhein - Wahlprüfsteine für Heimatfreunde
Niederhein: Eine Diskussionsrunde am 30. April sollte man meinen ist nicht unbedingt optimal platziert. Vom anstehenden Tanz in den Mai ließen sich aber viele Interessierte nicht davon abhalten, die hochrangig besetzte Veranstaltung des Aktionsbündnisses Niederrhein-Appell in der Kamp-Lintfordter Stadthalle zu besuchen.
"Wieviel Auskiesung verträgt der Niederrhein?" lautete der Titel der Podiumsdiskussion. Hiermit waren noch alle Diskutanten einverstanden. Am Untertitel bereits - "Natur- und Kulturlandschaft im Spannungsfeld zu Profitdenken" - schieden sich bereits die Geister.
Die Kiesindustrie sieht sich als Teil des Niederrheins, so Michael Schulz, Vorsitzender des Wirtschaftsverbandes der Baustoffindustrie und der Initiative Zukunft Niederrhein. Schließlich vertritt der Verband Firmen, die teils über 100 Jahre vor Ort präsent sind.
Den Einstieg in die Veranstaltung bildete zunächst der Kurzfilm der Bürgerinitiative EDEN e.V. (steht für Erhaltet den einzigartigen Niederrhein) aus Rees, der aus der Vogelperspektive den Bestand an Abgrabungen, den Umfang vorhandener Genehmigungen und die zusätzlich geplanten Gewässer sichtbar macht. Da blieb dem einen oder anderen Gast doch erst mal die Luft weg.
Die professionelle Veranstaltungsleitung von Andreas Vollmert vom Journalistenbüro Best Words in Düsseldorf ließ alle Teilnehmer zu Wort kommen - auch für Einwürfe und direkte Fragen aus dem Publikum blieb Zeit genug.
Der FDP-Vertreter Holger Ellerbrock, Umweltpolitischer Specher seiner Landtagsfraktion, der bereits lange im Vorfeld der Diskussion mit Visionen vom "Ijsselmeer am Niederrhein" und mehr noch von "Kalkar bis Kalkutta" für Unruhe sorgte, hatte es naturgemäß schwer. Er erntete häufig Widerspruch unter den Zuhörern.
Neben ihm waren die SPD mit dem verkehrspolitischen Sprecher der Landtagsfraktion Bodo Wißen, die Grünen mit ihrem umweltpolitischen Sprecher Johannes Remmel und die CDU mit dem umweltpolitischen Sprecher der Kreistagsfraktion Wesel, Udo Bovenkerk, Teil des politischen Podiums.
Direkt zum Einstieg der weiteren Diskussion verdeutlichte Andreas Vollmert, dass die Haltung zu bestimmten Fragen mit der Nähe zur Thematik auch innerhalb einer Partei durchaus verschieden sein kann. Die CDU im Weseler Kreistag ist beispielsweise in Sachen Auskiesung durchaus nicht immer d´accord mit ihrer Landespartei.
Die aktuellen Genehmigungen bzw. Festsetzungen im Gebietsentwicklungsplan verleihen der Kiesindustrie (nicht allerdings jedem einzelnen Unternehmen) eine Perspektive von 30 Jahren, ein Planungshorizont, von dem die Opelaner - so Bodo Wißen - sicherlich nur träumen können.
Eine Ausweitung des Planungszeitraums darüber hinaus in dem Sinne, dass mit dem wertvollen Rohstoff sparsamer umgegangen wird, wurde heiß diskutiert. Dass die Anmerkung aus dem Publikum, dass Kies zu einem hohen Prozentsatz unter Wert verbraucht wird, unwidersprochen blieb, gibt in dieser Frage zu Denken. Einigkeit herrschte auf dem Podium, dass eine Ausweitung der Recyclingquote auf dem Bausektor und die Verwendung alternativer Baustoffe letztlich eine Normungsfrage in Sachen Baustoffe und im Holz- und Stahlbau sei.
Zum Thema wurde in dem Zusammenhang auch der sogenannte Kieseuro, der praktisch eine Sonderabgabe auf jede Tonne Kies darstellt und die Umweltfolgen der Auskiesung mit einpreisen könnte. Dazu zählen Eingriffe ins Grundwasser und die Trinkwasserqualität, Verkehrsbelastung, der Verlust erdgebundener Tier- und Pflanzenarten usw. Mit einem Teilerlös könnte die Gewinnung und Verarbeitung von Recyclingmaterialien als Baustoff (Sekundärrohstoff) gefördert werden.
Eine breite Zustimmung schien es zu geben, als es im Vergleich zur veränderten Kiespolitik unserer Niederländischen Nachbarn um die Frage ging, Kiesabbau nur dann zuzulassen, wenn der Abbau im Sinne eines integrierten Projektes stattfindet. Soll heißen, Kiesabbau nur dort, wo ohnehin Eingriffe stattfinden, wo eine Geländevertiefung zum Hochwasserschutz hergestellt werden soll oder ein Eingriff im Sinne des Natur- und Umweltschutzes sinnvoll ist. Die Diskussionsteilnehmer sprachen dabei häufiger von einem "Gesellschaftlichen Mehrwert". Auf eine ausschließlich Bindung von Abgrabungsgenehmigungen an solche Vorgaben wollten sich die Vertreter der Politik und der Abgrabungswirtschaft jedoch nicht festlegen.
NABU und BUND, beide schwergewichtig vertreten durch ihre Landesvorsitzenden Josef Tumbrinck und Paul Kröfges erinnerten an die Position der Landwirtschaft, der erheblich Flächen bester Böden verloren gehen. Die Kiesindustrie argumentiere zwar häufig mit Arbeitsplätzen, beim Flächenverlust in der Landwirtschaft gehen dort aber auch Arbeitsplätze verloren. Aus dem Publikum kam denn auch provozierend die Frage, warum denn die Kiesindustrie nicht selbst in die Tourismusbranche investiert, die dank der neuen Gewässer boomen soll. Johannes Remmel ergänzte hierzu, dass die Naturschützer von der Landwirtschaft für jeden noch so kleine Eingriffsregelung Prügel bezögen, die tatsächlichen wirklich existenzbedrohenden Flächenverluste kommen jedoch durch die Auskiesung.
Gegen Ende der Veranstaltung blieb trotz vieler beantworteter Fragen die Furcht zurück, dass die Landschaft am unteren Niederrhein sich weiter massiv verändert und letztlich den Anwohnern die Heimat unter den Füßen weggebaggert wird.
NABU-Landesvorsitzender Josef Tumbrink fasste nochmals so zusammen, dass für den Kiesabbau ein gesellschaftlicher Konsens für die Zukunft nur im Rahmen eines durch die Politik zu organisierenden Dialoges herbeigeführt werden könne.
Einigkeit bestand in der Frage, dass der Umgang mit der Auskiesung am unteren Niederrein zum Wahlprüfstein am 9. Mai werden sollte. Da die Fragestellung im Wahl-o-mat der Bundeszentrale für politische Bildung nicht vorkommt, lohnt sich ein Blick in die Seite www.niederrhein-appell.de. Hier sind die Antworten der auf dem Podium vertretenen Parteien auf 21 Fragen aufbereitet. Ein Blick hinein lohnt sich für alle Niederrheinischen Heimatfreunde.
Autor:Uwe Heinrich aus Wesel |
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