Wandel im Herzen von Wesel
Fußball-Weltmeisterschaft 1990. Nach dem Abpfiff des Finalspiels gegen Argentinien toben die Massen, Deutschland ist Weltmeister. Jubel ist kaum zu überhören, und das Zentrum der Feierlaune ist schnell gefunden: Der Kornmarkt im Herzen von Wesel.
Vor Ort bekommen alle die Freude über das gewonnene Spiel zu spüren, auch Weseler Polizeibeamte. Hunderte friedlich jubelnde Fans tragen einen Polizeiwagen, samt Besatzung, quer über den Kornmarkt und lassen ihrer Hochstimmung freien Lauf.
Eine Anekdote von vielen, und ein Bild, welches Christian Peters nicht vergessen wird. Als Gitarrist der Weseler Band „Johnnys Leidenschaft“, die sich 1993 in Wesel gründete, lebte er 14 Jahre unmittelbar dort, wo im Mittelalter tatsächlich noch Getreide gehandelt wurde. In Kneipen wie dem „Irish Pub“ oder der „Erdnuss“, sowie unter freiem Himmel, wurden etliche Konzerte gespielt, die in Erinnerung bleiben.
Heute gibt es keine der beiden Kneipen mehr. Lokale wie „Undercover“ (heute „Babydoll“) oder „Streets of London“ (heute „Müllers“), sind weitestgehend aus den Köpfen verschwunden.
Abgesehen von einigen wenigen Kneipen, bestimmen seitdem Besitzerwechsel das Bild des Kornmarkts. Doch an was fehlt es?
„Wichtig ist ein gutes Konzept und vor allen Dingen Herzblut.“, rät jemand, der es wissen muss. Jörg Bluhm, Inhaber des Lokals „Kornmarkt by Blühmi“, eröffnete im September 1991 , als damals 23-jähriger, seine Kneipe am Kornmarkt, und führt sie seit über 20 Jahren erfolgreich. „Wenn ein Lokal heute bestehen möchte, muss es ein großes Angebot haben. Die Eckkneipe von damals ist Geschichte.“
Es glich einem Ameisenhaufen: Jedes Wochenende erneut pilgerten hunderte Menschen zum Kornmarkt. Vor überfüllten Lokalen, teilweise trotz heftigem Regen,warteten sie auf Einlass. „Einer raus, einer rein“, mahnte der Wirt, während er den geduldigen Besuchern das ein oder andere Freigetränk bis vor die Tür brachte. „Die Stimmung war mitreißend“, erinnert sich Christian Peters.
Kaum vorstellbar, wenn man die heute teils leerstehenden Lokale betrachtet. An den Ansturm der neunziger Jahre erinnern heute nur noch Bilder und Erinnerungen.
Es hat sich ohne Zweifel viel verändert. Doch ein Wandel sei vollkommen normal und man müsse mit der Situation umgehen, findet Jörg Bluhm. Besucher des Kornmarkts stimmen der Aussage größtenteils zu, befinden jedoch mehrheitlich: „Trotzdem schade.“
Autor:Moritz Lohmann aus Wesel |
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