Heiligabend 2017 am Lauerhaas - eine wahre Geschichte
Tatü,Tata - das Christkind ist da!
Wie all die Jahre zuvor schaute ich am frühen Nachmittag des Heiligabends aus dem Fenster des Pfarrhauses, um das geschäftige Treiben um die Kirche herum zu begutachten.
Jetzt im Vorfeld des beliebten Gottesdienstes, in dem wie üblich ein Weihnachtsmusical des Kinderchores dargeboten werden sollte, konnte ich beobachten, wie sich Auto um Auto auf der Suche nach Parkplätzen rund um Kirche und Pfarrhaus in Zeitlupentempo gegenseitig durch die Straßen schoben. Keine Frage, es hatte sich herum gesprochen, dass dieser weihnachtliche Gottesdienst vor allem auf Familien mit Kindern geradezu eine magnetische Wirkung hatte. Der Zauber von Weihnachten – wie konnte er nicht besser durch Kinder selbst in Szene gesetzt werden – dazu mit der passenden Musik, der Krippe aus Bethlehem und dem festlich geschmückten Weihnachtsbaum in der gemütlichen und natürlich picke packe vollen Kirche.
Eineinhalb Stunden später sah man dann glückliche und erwartungsvolle Gesichter von Jung und Alt aus der Kirche strömen. Nun auf dem Weg zu den Autos und mit Gedanken schon längst auf die Bescherung und das gute Essen in der Familie hin orientiert. Für diese Familien hatte der Heiligabend schon den gewünschten Verlauf genommen.
Aber so ruhig sollte es nicht weitergehen. Der Heiligabend am Lauerhaas nahm abrupt einen ganz unerwarteten weiteren Verlauf.
Es dämmerte schon allmählich und der nächste Gottesdienst stand an. Jener, der mehr die Erwachsenen ansprechen sollte. Der mit den klassischen Weihnachtsliedern durch Kirchenchor oder Gemeinde mit Inbrunst gesungen. Der Gottesdienst, den man die Chistvesper nannte, wo die Predigt noch eine große Rolle spielen sollte und natürlich die Weihnachtsgeschichte nach Lukas gelesen und nicht gespielt wurde. Ich trat also eine Dreiviertelstunde vor dem Gottesdienst in die Sakristei ein, also in den Nebenraum der Kirche. Flüchtig legte ich meine Sachen – Talar und Bücher – hinein, um mich danach direkt in die Kirche zu begeben. Denn es galt immer, in großer Eile die Musicalbühne, die dann den Altar ersetzte, zu beseitigen und wieder die „klassische“ Ansicht des Chorraums hervortreten zu lassen. Natürlich musste auch die Kanzel wieder an ihren angestammten Platz geschoben werden, die Liedblätter verteilt werden usw.
Aber irgendetwas hatte mich beim Betreten der Sakristei irritiert. Ich fragte mich was. Nein, der Tresor war nicht aufgebrochen gewesen, wie mal vor vielen Jahren, in dem tatsächlich jemand die Dreistigkeit besessen hatte, während einer Pause zwischen zwei Weihnachtsgottesdiensten, in die Sakristei einzudringen und die Weihnachtskollekte mitgehen zu lassen. Das war es nicht. Aber jetzt, während ich in der Kirche anfing Stühle von der Musicalbühne wegzuschleppen, ging es mir durch den Kopf. Es war der Geruch, der mich irritiert hatte. Der Geruch, der … Gasgeruch, der mir beim flüchtigen Betreten in die Nase gedrungen war. Und das war der Moment, in dem bei mir die Alarmglocken schrillten.
Ich ließ den Stuhl fallen und eilte sofort in die Sakristei, die in diesem Moment verwaist war, denn alle konzentrierten sich auf die Umgestaltung der Kirche. Und tatsächlich – ich brauchte gar nicht groß zu schnuppern: Es roch nach Gas – und zwar extrem! Ich krabbelte auf allen Vieren in dem kleinen Raum, direkt an die Heizkörper um die mögliche Quelle des Geruches möglichst genau herauszubekommen. Vielleicht lag es an der Heizung, die mit Gas betrieben war! Vielleicht, nein offensichtlich war Gas ausgetreten – an Heiligabend. Im Nebenraum von unserer Kirche! Kurz vor dem nächsten Gottesdienst, in dem wieder 400 Menschen in einer eng besetzten Kirche zu erwarten waren.
Was jetzt, mein Puls ging erst einmal gewaltig hoch! Ich schnappte mir einen Mitarbeiter in der Kirche und bat ihn, mir in die Sakristei zu folgen. Ich fragte ihn nach seinem Eindruck. Und siehe da - auch er roch es. Eindeutig – es war Gas, es war Gas!
In dem Moment öffneten wir schnell die Fenster und verließen unverzüglich den Raum, um nach nebenan in die Kirche zu gehen. Dort sprach ich den Kirchenchor und die schon anwesenden Gemeindeglieder in der Kirche an. Was sollte ich schon anderes sagen als dieses: „Wir haben einen Gasgeruch in der Sakristei festgestellt. Ich rufe jetzt die Feuerwehr. Alle müssen die Kirche aus Vorsichtsmaßnahme sofort verlassen!“
Während ich dann meinen Notruf abgab, leerte sich die Kirche erstaunlich ruhig, ohne dass irgendwelche Panik auftrat. Der Chor räumte die Empore, wir begaben uns nach draußen, der Pastor war innerlich außer sich, die Feuerwehr war alarmiert. Es waren nicht einmal 5 Minuten vergangen, als die Küsterin einen Verdacht äußerte, woher der Gasgeruch auch stammen könnte.
Vielleicht hing es nicht mit der Heizung sondern mit einem gasgefüllten Feuerzeug zusammen? War es nicht gerade erst noch von jemanden nachgefüllt worden?
Ja so war es wohl auch gewesen, stellte sich bald durch Nachfragen heraus. Und es hatte sich auch dabei ein kleiner „Unfall“ ergeben. Das Flüssiggas sei möglicherweise ausgetreten und hätte vielleicht zu dem Geruch beigetragen.
Da schwante auch mir, dem Pastor, dass hier wohl die Ursache liegen könnte, aber die Feuerwehr war doch schon unterwegs. Ein Versuch bei der Leitstelle, die Alarmierung abzublasen, schlug natürlich fehl. Und es dauerte auch nicht einmal mehr zwei Minuten, bis die erste Einsatzmannschaft die Kirche erreichte.
In voller für Gaseinsätze vorgesehener Montur eilten nun die ersten Feuerwehrfrauen und –-Männer zur Sakristei, um sich informieren zu lassen. Nach einem kurzen Wortwechsel und einen schnellen Inspektion der Sakristei, war das Resultat schnell gefunden – und auch die Ursache für die Gas-Geruchsbelästigung an Heiligabend. Das Feuerzeug war es tatsächlich gewesen! Kleine Ursache – große Wirkung! Selten war dieses Sprichwort wahrer als in diesen Momenten.
In den wenigen Minuten, in denen die Ahnung zur Gewissheit wurde, steigerte sich die Feuerwehr und Polizeipräsenz am Lauerhaas um das Zehnfache. Die gesamten Straßen um die Kirche erleuchteten im Blaulicht – ganze vollbesetzte Mannschaftswagen waren angerückt wie Rettungswagen und Polizeibeamte. „Tatü,Tata – kommt das Christkind heute mit großem Trara?“ So mussten viele Gottesdienstbesucher wohl denken als sie sich auf dem Weg zum Spätgottesdienst an Heiligabend machten.
Und viele ließen sich auch gar nicht davon abhalten, direkt in die Kirche zu gehen, denn alles schien ja so ruhig zu sein trotz des Lichterspektakels, den der Fuhrpark von Feuerwehr und anderen Einsatzkräften verursachte.
Schon an Ort und Stelle wurden eifrig Dankesworte gesprochen und Weihnachtsgrüße ausgetauscht. Auf die Feuerwehr war Verlass gewesen, die Chance den Gottesdienst noch pünktlich zu beginnen war auch noch mit einem Mal drin.
Und so kam es dann auch. Wie schon seit vielen Jahren läuteten die Glocken kurz vor 17 Uhr und danach erklang der erste Weihnachtschoral vielleicht noch etwas inbrünstiger als sonst! Dieses Mal wurde ganz besonders im Gebet der Feuerwehr und der Rettungskräfte an Heiligabend gedacht. Und so wurde es dann auch noch ein frohes Weihnachtsfest am Lauerhaas. Tatü, Tata das Christkind war da!
Autor:Albrecht Holthuis aus Wesel |
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