Kultursonntag in Wesel
Perlen der Kleinkunst an besonderen Orten

Joe Bennick - Stimme und Musik erinnern ein wenig an Chris de Burgh
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Regen und Gewitter hatten die Vorhersagen prophezeit. Davon blieb der von Wesel-Marketing organisierte Kleinkunstreigen zwar verschont, aber so mancher Interessent hat sich den Besuch dann wohl doch verkniffen. Der eine oder die andere Besucher*in freute sich allerdings, sich noch auf den Weg gemacht zu haben. So auch ich. Meine Eindrücke (höchst persönlich natürlich und damit ebenso subjektiv) will ich im Folgenden schildern:
Ich bin zu spät gestartet, um mir das Kinderprogramm an der Musik- und Kunstschule sowie der Stadtbücherei am Bühnenhaus anzusehen. Auch vom Auftritt des Scala Jazz-Trios im Garten des Wasserturms erlebte ich nur noch einen Hauch. Die letzten drei Stücke waren aber klasse und der Abschluss mit "Bei Mir Bistu Schejn" hinterließ ein begeistertes Publikum. Beim rausgehen bekam ich mit, dass einige Besucherinnen eigentlich schon längst woanders hätten sein wollen - etwas schöneres kann man Kulturschaffenden wohl kaum wünschen. Ich jedenfalls war begeistert genug, um einen Besuch des Konzertes der Jazz-Band (also die Große Besetzung) im Scala am 24. September in Erwägung zu ziehen.

Weiter ging es in den Kasinogarten. Frisch ausgebaut und umgestaltet ist er noch neu in Wesels Kulturszene aber bestens geeignet für Kleinkunst aller Art.
Vor Ort erwartete mich Singer/Songwriter Joe Bennick. Seine Stimme und seine Melodien erinnerten mich ein wenig an Chris de Burgh, doch er hat auch etwas Eigenes. Als Lesekonzert war die Veranstaltung angekündigt und so kam ich gerade an, als Joe Bennick einen Ausschnitt aus seinem Buch "Erlensee" vortrug und anschließend mit einem passenden Song aus seinem großen Repertoir untermalte. Er ergänzte seine Lesungen immer wieder auch mit persönlichen Amerkungen. So erfuhr ich auch, dass er seine Texte als deutsche Gedichte schreibt und ins Englische übertragen lässt, bevor er sie vertont. Diesen Werdegang seiner Musik kann man übrigens gut verfolgen, wenn man in seine Alben hineinhört - zu ihnen gehört ein Booklet mit dem Urtext und der vertonten Übersetzung.
Mit dem Buch haben die Songtexte nicht direkt zu tun, vermitteln aber Stimmungen, die zur Handlung passen. Das Buch selbst handelt von Pauls Begegnung mit seinem Vater Albert, der die Familie 30 Jahre zuvor unvermittelt verlassen hatte und nun wieder in sein Leben tritt. Der Weg auf der Suche nach Antworten führt von einem Bonner Pflegheim bis ins Namengebene Erlensee...
Auch Joe Bennick hat in der Vergangenheit gegraben, gefunden hat er einen Gedichtband, den sein Großvater bereits 1920 veröffentlichte. Die Vertonung eines der Gedichte brachte ihm den Mann näher, den er nie kennenlernen konnte, da er erst vier Jahre nach dessen Tod geboren wurde. Das zum Abschluss des Konzertes vorgetragene Lied offenbart eine Seelenverwandtschaft über Generationen.
Ich hoffe nicht zu viel zu verraten, wenn ich schreibe, dass Joe Bennick infolge des heutigen Konzerts möglicherweise demnächs auch einmal indoor im Scala spielen wird. Ich könnte mir vorstellen (Sie ahnen es sicher schon), dass ich dann dabei bin. Empfehlen könnte ich es jedenfalls all denen, die wegen des Wetters, bei dem ich diese Zeilen schreibe, heute nicht kommen wollten.

Nur wenige hundert Meter weiter erwartete mich ein weiteres Novum der Weseler Kulturszene. Wesel Marketing hatte zum Piano-Picknick im Zitadellenviertel geladen. Das Piano war da, bestens besetzt mit Piano-Man Christian Spelz. Nur vom Picknick war nicht viel zu merken, da lediglich die Eheleute Schicktanz sich - dem Aufruf folgend - mit Leckereien versehen hatte. Christian Spelz ließ sich von dieser Programmabweichung nicht beirren und spielte teils bekannte Melodien wie etwa aus "Die wunderbare Welt der Amelie", ergänzte sie aber auch mit eigenen Kompositionen, die vom Publikum genauso beklatscht wurden. Letzteres hielt sich räumlich leider sehr zurück und blieb zumeist lieber im Randbereich sitzen.
Auch das Angebot mit Musikbegleitung Boule zu spielen, wurde nur spärlich in Anspruch genommen. Dafür besonders begeistert, denn der dreijährige Piet konnte die meisten Siege für sich verbuchen.

Als letzte Veranstaltung des Tages startete der Poetry-Slam an der Hortmannstege. Dort erwartete das im Schnitt jüngste Publikum des Tages vier Slammer aus Düsseldorf, Paderborn und Essen, darunter unter anderem Sandra da Vina, NRW-Meisterin des Poetry Slam 2014. Sie, kürzlich erst Mutter geworden, entführte dann das Publikum auch gleich an den Ort des Geschehens - einen Spielplatz. Dorthin, wo Kinder im Sandkasten Löcher in den Ausmaßen einer Tiefgarage buddeln, Väter unvermittelt selbst wieder zu Kindern werden und Mütter Angst bekommen, wenn die Tochter ankündigt, am nächsten Tag bis ins Weltall schaukeln zu wollen.
Mit nachdenklichen Selbsbetrachtungen und Diskussionen mit dem Spiegelbild sowie Ergebnissen aufmerksamer Beobachtung ihrer Mitmenschen konnten auch die drei anderen Slammer begeistern. Neben Sandra da Vina waren dies Alex Paul, Marius Hanke alias Zwergriese und Max Raths.

Beliebtes Beiwerk nebenbei war übrigens auch die Bierkultur. Am Wasserturm und an der Hortmannstege hatten die Braukünstler vom Projekt 777 die Getränkeversorgung übernommen.

Mein Fazit des Tages: Alle Veranstaltungen hätten vorab eine bessere Wetterprognose und damit bedeutend mehr Besuch verdient. Alle Veranstaltungsorte sollten als lauschige Ecken der Kleinkunst immer mal wieder bedacht werden. Und alle, die heute nicht gekommen sind, sollten mit mehr Mut bedacht werden, wenn sie zukünfig den Wetterbericht verfolgen!

Autor:

Uwe Heinrich aus Wesel

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