Jesus in der Märchenwelt - viele Schüler zweifeln heute an der bloßen Existenz von Jesus von Nazareth

Als Religionslehrer an einer Realschule erlebt man nicht selten Sternstunden in Sachen Skeptizismus gegenüber allem, was mit "Glauben" zu tun hat. Man ist auch mittlerweile nicht überrascht, wenn einem nur noch selten eine überzeugte Glaubenshaltung von Schülern bei der Frage nach der Auferstehung der Toten oder den Wundern in der Bibel begegnet. Neu ist allerdings die offenbar weit verbreitete Meinung vieler Schüler, die Person Jesus von vornherein als Märchenwesen einzuordnen. Jesus sei im Grunde wie der Weihnachtsmann oder auch der Nikolaus eine Erfindung von Erwachsenen aus früheren Zeiten. Pauschal wird keck behauptet: Niemand habe ihn je gesehen, es gäbe für seine Existenz keine Beweise und deswegen habe er auch nicht gelebt. Eine Abstreitung der Tatsache, dass Jesus wirklich gelebt habe, ist dann so etwas wie eine Befreiung von einer kindlichen Welt. So wie der Weihnachtsmann nach überwundenen Kindheit ausgedient hat, so ergeht es offenbar auch Jesus im Blick auf die Meinung von 13 bis 15-jährigen Jugendlichen.

Versuche des Religionslehrers den Schüler nahezubringen, dass die heutige ernstzunehmende historische Wissenschaft eigentlich keinen Zweifel an der Existenz von Jesus von Nazareth hege, sind mitunter daher sehr mühselig. Bei einigen ist die Skepsis bei der Frage nach der historischen Existenz nicht auszutreiben.

Ob es der Traditionsabbruch der Religion insgesamt ist, der sogar dazu beiträgt, jegliche wissenschaftliche Erkenntnis zu leugnen? Ob es überhaupt die Tendenz von jungen Menschen ist, sich mehr mit Äußerungen von YouTubern, Verschwörungen und Fake News zu beschäftigen in der Zerstreuungsvielfalt der digitalen Welt? Es scheint inzwischen bei der Vergleichsfrage, ob nun Mohammed oder Jesus tatsächlich gelebt habe Jesus mehr und mehr ins Hintertreffen zu gelangen. In meiner Umfrage unter Schülern ist es wahrscheinlicher, dass Mohammed gelebt hat als Jesus selbst. Das ist wirklich erstaunlich, zumal die Wissenschaft der letzten 150 Jahre vor allem im Blick auf Jesus und seine Zeit enorme Fortschritte bei den Erkenntnissen gemacht hat, während der Islam und sein Religionsgründer kaum einer historisch-kritischer Forschung unterzogen werden. Und hier geht es nicht um Theologie oder "Glauben" sondern allein um historisch-wissenschaftlich fundiertes Wissen.

Wie kann es sein, dass Jesus bei vielen evangelischen und katholischen Schülern trotzdem eher als Märchengestalt wahrgenommen wird? Spiegelt sich in dieser Wahrnehmung auch ein gewisser Überdruss der Jugend von heute, von den alten Glaubensdingen doch endlich mit der Pubertät in Ruhe gelassen zu werden?

Hier zur Erläuterung ein Beispiel aus der 9. Klasse an einer Realschule: Nach mehreren Stunden verzweifelten Bemühens den Skopus der Bergpredigt zu durchdringen (Jesu Haltung zur Frage der Gewalt) schaltet der Lehrer mehrere Gänge zurück:

"Was denkt Ihr eigentlich persönlich über die Frage, ob Jesus als historische Person gelebt hat?" War er sozusagen nur eine Erfindung - ein Phantom- oder war er tatsächlich ein Mensch, der auf dieser Erde vor 2000 Jahren gelebt hat? Die Umfrage ergibt: Zwei Drittel der Schüler entscheiden sich für Märchengestalt, zwei sind dagegen und ein Viertel unentschlossen.

Ein weiterer Versuch in einer anderen 9. Klasse: Hier wird im Unterricht aus einem Artikel in einem aktuellen populärwissenschaftlichen Magazin (National Geographic Deutschland) die Frage "wer war Jesus?" angesprochen. Es geht darum, die Diskussion zwischen Bibelwissenschaftlern und Archäologen im Heiligen Land wahrzunehmen. Mehrfach tauchen im Artikel die Statements verschiedener Archäologen auf, die besagen, dass ernstzunehmende Wissenschaftlicher zwar viele Details aus dem Leben Jesu diskutierten aber keinesfalls die bloße Existenz dieser historischen Person leugneten, da sie hinreichend belegt sei.

Auch hier nach der Lektüre die Frage an die Schüler: Welche Meinung habt ihr nun zu der Frage, ob Jesus tatsächlich gelebt hat: Die Antwort ist fast dieselbe wie in der Klasse zuvor: Es hält sich hartnäckig das Gerücht (die Verschwörungstheorie?") bei den Schülern: Jesus - das sei wohl eher ein Phantom oder zumindest, man könne es nicht beweisen, das er gelebt habe. Und dann ist es besser, diese Tatsache ganz zu leugnen als Wissenschaftlern zu glauben.

Was bleibt als Fazit für diejenigen, die Jesus für eine historische Gestalt halten, dessen grundsätzliche Existenz in einer von christlichen Werten nach wie vor geprägten Gesellschaft nicht gelugnet werden kann? Es ist an der Zeit, vor allen Glaubensfragen, in der Gesellschaft dafür einzutreten, dass wissenschaftliche Erkenntnisse auch in den Grundsatzfragen der Religionen ernstgenommen werden und das nicht gleich jegliche wissenschaftliche Erkenntnis, die mit religiösen Figuren zu tun hat von vornherein als Märchen eingestuft wird. Lehrer und Lehrerinnen, Eltern und Christen redet mit Euren Kindern darüber!

Autor:

Albrecht Holthuis aus Wesel

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