Eintrag kulturelles Tagebuch: 25.Januar; Gegenteiltag, offene Bühne

Liebes Tagebuch, gestern war der 25.01. — das ist (allgemein bekannt und international akzeptiert) der offizielle Gegenteiltag und dieser Umstand erzwingt von mir, also Demjenigen, der sich immer gern einen Spaß aus Thementagen macht, entsprechend zu schreiben: "Gegenteiltag: Offene Bühne im Scala war schrec… war furch… nicht schö…" NEIN! Ich bring's nicht über die Tasten — nein. Ich pfeif' auf den Gegenteiltag! Scala war super, verdammt noch mal!

Ich bin immer wieder gern im Scala Kulturspielhaus. Ich mag diese krass-lilafarbenen Lichtkegel mit der tiefblauen Korona, ich mag die kuschelig-informelle Atmosphäre, ich find sogar diese silberglänzenden …Spikes(?)… oder sind das Schmuckknöpfe(?)… also an den Vorhängen sind glänzende Applikationen, die die aufwärtsgerichtete Bühnenbeleuchtung spitz-funkeld reflektieren — ich find die kleinen Dinger klasse. Ist immer schön da.

Nun, liebes kulturelles Tagebuch, die offene Bühne ist ja grundsätzlich was Besonderes. Offene Bühne bedeutet: jeder darf drauf — ein darstellerischer Experimentierkasten, eine kreative Petrischale, ein künstlerisches Nährmedium; ohne Mikroskop, dafür mit Mikrofon. Im Nährmedium wachsen Unterhaltungskeimzellen, und viele davon leuchten wie grün fluoreszierendes Protein im Dunkeln und erhellen Augen und Herzen.

Liebes kulturelles Tagebuch, lass dir nur mal die Künstler aufzählen, vielseitig wie einzigartig:

  • Akke, ein Ukulelenspieler mit Heizungskellerphantasien von Helene Fischer. (Allein dieser Satz!)
  • Michael Schumacher zerriss (textsicher lesend) hochphilosophisch und geistreich geistlose Floskeln der niederrheinischen Sprechkultur.
  • Die orientalisch tanzende Ela-Saphira rasselte mit ihrem hüftschwungreichen Bewegungen bernstein- und goldfarbene Verzierungen ihres Kostüms und wirbelte dabei leichtfüßig elegant durch die (Bühnen)Luft.
  • Die Spix e.V.-Theatergruppe präsentierte einen Kausalzusammenhang zwischen Hotel Mama und spontanem Aufflammen von Homosexualität und verriet außerdem, warum Menschen mit suizidaler Abendplanung von Verstopfung profitieren könnten. (Notiz an mich selbst: mal wieder den Wikipedia-Aufmerksamkeitsökonomie-Artikel lesen)
  • Cires P. Kesh hat deutschsprachig gesungen; sehr independent in ehrlicher Haut mit sozialkritisch mahnender Note und ebensolchen Noten.
  • Und Ann Kathrin Scholten…

Tja. Da, kulturelles Tagebuch, da muss ich ausholen. Versuch: also, das Gefühl, wenn man ein nimm2-Bonbon geschenkt bekommt… man dreht die gelborange, raschelnde Folie auf… und plötzlich leuchtet wasserstofffusionsgleiche Helligkeit daraus hervor, sonniges Strahlen — nur eben aus Schallwellen, wärmend und wohltuend den Ohren. Anders kann man es einfach nicht beschreiben, wenn dutzende Stimmbänder und Herzen bei Ann Kathrins Darbietung, eher Darbringung des brillanten Songs "Hallelujah" mitsummten. Die Dame ist ein Cluster an Gesangsqualitäten und wer sie hörte, hatte danach berechtigte Hemmungen, das Radio einzuschalten, um ja nicht die akustische Erinnerung damit zu besudeln — so ging es jedenfalls mir.

(Um dem Bedürfnis, dem Gegenteiltag wenigstens eine Zeile zu widmen, doch noch nachzugeben: ich liebe das freundliche, monotone Surren von Eierkochern; das beruhigt mich immer und umfängt yogisch liebkosend meine Seele…)

Liebes kulturelles Tagebuch, ich komme zum Ende. Ich wollte nur in Dich einschreiben, wie zerstreuend und fein unterhaltend der gestrige Abend war — hat sich gelohnt, ins Scala zu gehen. Muss dich jetzt zuklappen; auf ein Neues.

Man liest sich.

TK

Autor:

Timothy Kampmann aus Wesel

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