Eintrag kulturelles Tagebuch: 22. Februar; offene Bühne und die angerissene Packung Fragezeichen

"Hör' Funk" ist ein Imperativ, der stehts mit Ausrufezeichen ausgeliefert wird
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  • "Hör' Funk" ist ein Imperativ, der stehts mit Ausrufezeichen ausgeliefert wird
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Fühlen Sie sich gelegentlich gelangweilt? Gehen Sie manchmal nur deswegen zu kostenlosen Hörtests, um mal was Neues auf die Ohren zu kriegen? Oder denken Sie sogar, Sie hätten schon alles erlebt? Da habe ich was für Sie…

Bitte entschuldigen Sie zunächst den exzessiven Einsatz von Suggestivfragezeichen. Es ist (zugegebenermaßen) zwischendurch so, dass, wenn man einen Text schreibt, man immer mal wieder zu der angefangenen Packung rhetorischer Stilmittel rüberlugt und sich denkt: "lieber jetzt verbrauchen, bevor sie austrocknen".

Bezugnehmend auf eine der obigen Fragen: ich selbst habe schon häufig genug gedacht, ich hätte bereits Alles gesehen. Einmal entdeckte ich sogar im Hausflur eines Mehrfamilienhauses, auf der Treppe, einen noch in Wachs versiegelten Mini-Babybel, in dem mittig, aufrecht und tapfer ein halb abgeflammtes Streichholz steckte. Das mag einzigartig sein, aber …unterhaltsam? Ne.

Die offene Bühne im Scala dagegen war wieder vollgestopft mit spannendsten Acts!

Ukulelenspieler Akke war wieder mit von der Partie und führte unter anderem Wild Boys von Duran Duran auf seinem Instrument vor. Ich wiederhole: Wild Boys… auf der Ukulele… Das ist ungefähr eine so erwartbare und nachvollziehbare Kombination wie laktosefreies Aluminium oder wasserlösliche Strohhalme, aber (!) funktionierte jedoch auf verblüffend-irritierende Weise sehr wohl zusammen.

Die großartig talentierte Sängerin Ann-Kathrin war ebenfalls wieder da. Meine Schwärmerei vom letzten Monat werde ich an dieser Stelle nicht wiederholen (die bleibt ohnehin bestehen), aber… wenn sie demnächst wieder zur offenen Bühne kommt, brauche ich etwas Vorlaufzeit — dann werde ich vor Beginn der Show mit chirurgischer Präzision die Lautsprecherkabel anzapfen und mit 'nem 3,5er Klinkenstecker versehen, damit ich mir ihren Gesang auf die Diktiergerät-App aufspielen kann (das sollte ich beherrschen! Ich hab schonmal eine Decken-Fluoreszenzleuchte mit Steckdosenanschluss ausgestattet). Und dann werde ich mir eine CD davon brennen.

Ralf Lukas coverte nicht nur Lieder von Georg Danzer, sondern sang auch eigene Texte in ruhiger, konzentrierter Gangart; gefühlvoll authentisch und erzählerisch.

Einen definitiv freshen Auftritt absolvierten die Punkrocker eskapaden (aus dem Pott und bald im Radio).
Verdammt cool, wie sich zwei Typen und zwei Gitarren gegenseitig so hochschaukeln können. Da wirkt eine derart gute Teamarbeit, wie sie sonst nur telepathisch veranlagten Ratiopharmzwillingen zuzutrauen wäre.
Die Beiden sind aber nicht nur cool wie Menthol-Eis, das sind auch zwei zertifizierte Ohrwurmzüchter, deren rockiges Getier im Gehörgang auf und ab springt.

Es wäre fast ein Tag der Saiteninstrumente (1x Ukulele und 4x Gitarren) geworden, bis eine funky Big Band die Bühne in Beschlag nahm; inklusive hochpolierter Blasinstrumente, die für guten Klang und tolle Lichtstimmung sorgten (glänzende Saxophone sind definitiv die bessere Diskokugeln).
Die Band Hör' Funk (eben "Funk" wie funky) ist ein wahrer SUV-Stimmungsmotor (SUV: Sehr Umhauende Vorstellung), einer, der mit Musik betrieben wird; er ist laut und groß — und wird auf keiner Bühne dieses Landes Fahrverbot kriegen!
[An den Keyboarder, dessen Synthesizersounds richtig schön analog daheroszillierten: reife Leistung! Er hat den geheimen Potentiometer gefunden, mit dem sich eine Hüllkurve in die Silhouette eines hochgehobenen Daumens modellieren lässt.
Und an die Sängerin: Niemand darf Duffys Mercy covern! Niemand! Außer die Lead-Sängerin dieser Band höchstpersönlich! Und gerne wieder.]

Rückblickend also ein super Abend.

Ein kleines Gedankenexperiment:
Wenn wir abgerichtete Marder auf TV-Kabelanschlussbuchsen loslassen, wenn wir Satellitenschüsseln mit fair gehandeltem Salzteig vollkleistern, wenn wir dem Internet eine Testbalken-Sendepause aufbrummen und wenn wir Handymasten eng mit Maschendrahtzaun umwickeln… dann… ja dann könnte man sich viel öfter auf so eine herrliche Art amüsieren. Denn Zivilisation ist keine Sache der kommunikativen Infrastruktur, sondern der Einstellung.
…Ich kling' schon wie ein Hippie. Na denn: "Make love [and go to Scala], not war."

TiK

Autor:

Timothy Kampmann aus Wesel

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