Was ein Chorsänger lernt - von Trauer zur Hoffnung
Brahms „Ein deutsches Requiem“ am 17.11.24 in Wesel

Plakat für das Brahmsrequiem am 17.11.24 in St.Martini in Wesel | Foto: Collegium Vocale an St.Mariä Himmelfahrt in Wesel
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  • Plakat für das Brahmsrequiem am 17.11.24 in St.Martini in Wesel
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„Ein deutsches Requiem“ von Johannes Brahms erklingt in der Bearbeitung für Sopran, Bass, vierstimmigen Chor, zwei Klaviere und Pauken des Komponisten Heinrich Poos. In dieser Bearbeitung kommen aufgrund der reduzierten Instrumentalbesetzung die Gesangsstimmen deutlich besser zur Geltung als in der Orchesterfassung.

Termin ist Sonntag, 17.11.2024, um 18 Uhr in der St. Martini Kirche in Wesel.

Das Collegium vocale an St. Mariä Himmelfahrt bildet dazu wieder mit Sängerinnen und Sängern aus vielen verschiedenen Chören Wesels einen Projektchor. Die Leitung hat Regionalkantorin Annegret Walbröhl und in den samstäglichen Proben lernt der Chorsänger viele Dinge:

Erstens: Es muss nicht immer das große Besteck sein, diese besondere Besetzung hat gegenüber der Orchesterfassung ihren eigenen hörbaren Reiz.

Zweitens: Das Werk beginnt und endet mit dem Wort "Selig". Dazwischen gibt es viele leise Töne, zu großen Bögen gespannt - und die Erkenntnis, das piano singen ganz schön anstrengend sein kann. Aber nur so kommt die Emotion bei den Zuhörenden an. Das allumspannende Hauptgefühl in diesem Requiem ist der Trost.

Drittens: Der Chorsänger lernt wie so oft, dass es auf die richtige Aussprache ankommt, neben all den vielen emotionalen "tröstenden" Bögen. Die "Untie Bluhme" hat man sich in die Noten ebenso geschrieben wie den sprachlich gesungenen Bogen " Dasgrasistvärrdohrrät". Dazu gibt es den chorleiterlichen Trost: "Das ist an sich ein schwermütiges Stück, aber nicht depressiv werden. Das Gras kommt im Frühjahr wieder!". 
"Der Pauker macht die ganze Zeit Gottes Hand" - so bildlich dargestellt, singt es sich gleich leichter. Nur, wo soll man atmen? Die Antwort kommt von vorn: "Luftnot hat Brahms schon einkomponiert und dass man vor dem (Wort) Sterben noch mal Luft holt. Also: Bogen durchsingen bis Sterben!"

Gelobt wird auch danach: "Habt ihr gehört, wie schön der Tenor an der Stelle gerade gestorben ist?" Dazu kommt die typische Frage aus dem allzeit entspannten Bass: "An welcher Stelle waren wir denn gerade? Ich frage für einen Freund...".

Die Aufforderung zum Über-die-Noten-nach-vorne-Gucken geht nicht nur an die Altstimmen: "Wenn ihr guckt, kann ich euch den Einsatz geben. Wenn ihr nicht guckt, kann ich den Einsatz nicht verhindern."
Und damit eine schöne Melodiebewegung des Soprans zur Geltung kommt, ergeht die entsprechende Anweisung an passender Stelle ("gnadenlos durchziehen, damit der Sporan seine Nudel darüber legen kann").

Und überhaupt lernt der Chorsänger: Wer das Thema hat, ist Chef! Denn lauter und lebhafter wird es zwischendurch und Fuge kann Brahms schließlich auch. "Herr, du bist würdig..." ist das Fugenthema. Und nebenbei lernt der Chor etwas über die alte Kirchentonart "lydisch", die hier eingebaut ist ("lydisch klingt wie eine Tonleiter, nur 1 Ton ist kaputt"). Oder wer wusste bisher, was ein `Passus duriusculus´ ist? (Auflösung gibts am Ende)

Anschaulich geht es in den Proben immer zu. Die Stelle mit den "Erlöseten des Herrn, die wiederkommen" wird markanter gewünscht: "Die Erlöseten marschieren im Gleichschritt - marsch!!" Der Tenor soll woanders besonders glänzen: "macht da ein Blümchen drauf". Und immer wieder darf bei aller romantischer Bandbreite besonders leise gesungen werden: "Lasst sie ruhen hier, die Toten - wir wollen sie nicht wecken!".

Es ist gar nicht so leicht, mit über 40 Choristen leise zu singen - aber dennoch: "ihr seid 40, die Sopranistin ist nur 1. Ja, sie hat das gelernt, aber trotzdem sind es 40 : 1 - also bitte zurücknehmen." Das funktioniert auch ganz hervorragend bei dem zentralen Mittelstück "Wie lieblich sind deine Wohnungen". Hier wurde dem Chor das Bild mitgegeben: "Vorher war viel Drama, jetzt ist blauer Himmel, Schäfchen auf der grünen Wiese...". So tröstlich kann ein Requiem sein.

Für den Projektchor ist die Probenarbeit zu diesem Requiem, das Musik zwischen Trauer und Hoffnung hörenswert umsetzt, etwas Besonderes. Mit den Solisten Annika Stegger (Sopran) und Konstantin Paganetti (Bass) sowie den Instrumentalisten Enikö Bors, Peter Kreutz (beide Klavier) und Geoerg Neinhuis (Pauke) unter der Leitung von Annegret Walbröhl verspricht diese exzellente Besetzung einen besonderen Hörgenuss.

Karten für das Konzert gibt es bei den bekannten Weseler Vorverkaufsstellen: Buchhandlung Korn, Schreibwaren Tönnes-Henrichs, Mayersche Buchhandlung und im Pfarrbüro Sankt Nikolaus (15 Euro) sowie an der Abendkasse (20 Euro).

PS: Die Erklärung zum `Passus duriusculus´ - ein barockes Stilmittel mit einer chromatischen Tonfolge innerhalb einer Quarte.

Autor:

Dagmar Persing aus Wesel

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