90 Jahre alte "Weseler Zeitung" bei Umbauten gefunden

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Sie riecht noch immer ein bisschen nach Kuhsch...., doch dem interessierten Betrachter klopft aus einem anderen Grund das Herzchen. Sehr vergilbt und leicht verdreckt ist sie, die "Weseler Zeitung" vom 29. September 1920. Ein junges Ehepaar aus dem Raum Hamminkeln hat sie vor einigen Monaten bei Umbauten an ihrem Hof gefunden.

"Sie lag im Plisterwerk (Anmerkung der Redaktion: eine Dämmschicht, die früher aus Lehmputz bestand, heute aus modernen Dämmstoffen gefertigt wird) versteckt in der Wand zwischen der Küche und der früheren Waschküche.", erinnert sich die Finderin.
Wahrscheinlich sei in der Küche um 1920 (Hausbau um 1900) ein Busen über dem Herd/Ofen geschaffen worden. Bei diesem Bau müsse die Zeitung in den Hohlraum zwischen die beiden Holzdielen des Plisterwerks gelegt worden sein. Dieser Busen sei vor ungefähr 25 Jahren wieder abgerissen und die Nische zugemauert worden. Dabei sei wohl ein Hohlraum geblieben.

Journalistisch und heimatkundlich Interessierte werden bei den Inhalten des 90 Jahre alten Blattes hellhörig. Schon der Zeitungskopf spricht Bände, nämlich über die historischen Gegebenheiten zur damaligen Zeit. Die "Weseler Zeitung" erschien nämlich im Altkreis Rees, der damaligen Kreisverwaltung für die "Bürgermeistereien" Gahlen, Haldern, Obrighoven/Lackhausen, Rees, Ringenberg, Schermbeck, Voerde und Wesel.

Beim vorsichtigen Blättern in der Ausgabe befindet man sich rasch inmitten der Zeit nach Ende des ersten Weltkrieges. In einer Titelmeldung ist unter der Überschrift "Brandschatzung Deutschlands" von Reparationszahlungen an Frankreich die Rede: 1,8 Milliarden Franken werden bis Ende Juli 1920 eingefordert.
Unmittelbar daneben heißt es: "Unklarer als jemals ist das Bild der Wirtschaftslage und der eng mit ihr verbundenen sozialen Verhältnisse."
Kein Wunder, so kurz nach dem Ende des verlorenen Weltkrieges.

Außerdem fallen dem Betrachter die seltsam anmutenden Anzeigen ins Auge, die ein sehr breitgefächertes Gebiet abdecken.

Ein Landwirt aus Coesfeld bietet "Prima hochtragende und frischmilchende Kühe" und "1a Jungrinder an".

Ziemlich kurios, die Anzeige, in der jemand "alte Gebisse zu hohen Tagespreisen" ankaufen möchte. Der geheimnisvolle Urheber saß vor 90 Jahren immer donnerstags im Zimmer 5 des Hotels Dornbusch an der Breiten Brückstraße in Wesel.
Desweiteren im Angebot: Jagdpatronen, Weidenholz, Drehstrommotoren, Tapeten und einiges mehr.

Der Weseler Wirte-Verein schaltet eine Todesanzeige für die jüngst vestorbene Witwe Schürmann, die Reserve-Gruppe der örtlichen Sicherheitspolizei kündigt ihren "1. Sportreff" an.

Nun fragt sich der aufmerksame Leser: Warum nennen die Zeitungsentdecker eigentlich ihren Namen nicht? Die Erklärung ist recht einfach: Nachdem Bekannte bei einem ähnlichen Umbau alte Münzen gefunden, gab's Ärger mit dem zuständigen Baumamt. Dessen Vertreter standen prompt auf der Matte, nachdem ein Presseartikel von dem ungewöhnlichen Fund der Umbauer berichtet hatte.

Allein deshalb möchten unsere Informanten inkognito bleiben. Es sei ihnen zugestanden. Wer will schon Ärger mit dem Amt!

Autor:

Dirk Bohlen aus Hamminkeln

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