Was für die Augen und was für die Meinung
Von Blutmond und Sonnengöttern
Haben Sie die Mondfinsternis Montag morgen gesehen? Gut, der Begriff »morgen« mag mit dem nächtlichen Einschlag der tatsächlichen Uhrzeit eher eine euphemistische Verniedlichung sein. Der Mond tauchte ja zu einer Zeit in sein Schattenkostüm, in der die ersten REM-Schlafphas•ler*innen noch Turnierkämpfe mit der Wecker-App ausfochten ["Seid ihr dämonenfratziger Unhold tatsächlich böswillig genug, eure Laute zu stimmen in meiner Gegenwart?! Duelliert mit mir und ich werde euch mit der Schärfe des Rettichs darniederstrecken! Welchem Geschick hab ihr eure Seele verkauft? O, ich weiß: dem traumlandeinbrechenden Unruhestifter!"]
Und wenn da draußen wirklich jemand wach war, hatte er/sie schon genug damit zu tun, den Polarkreisdunst von der Windschutzscheibe zu kratzen.
Also falls Sie einen Eindruck von der Mondfinsternis haben möchten, schauen Sie sich einfach die Bilder an. #GemachtUmGesehenZuWerden
Aber ein paar Worte muss ich noch loswerden.
Der Blick in den Himmel war im größten Teil der menschlichen Geschichte immer ein mythologisches Erleben. So weit der Horizont ist, so groß war auch stets die Projektionsfläche.
Nehmen wir mal Huitzilopochtli (Gesundheit!). Dem aztekischen Sonnengott wurde täglich, jeden Tag zum Morgen-Grauen, ein Menschenopfer dargebracht — damit die Sonne auch bloß aufgeht… Ich frage mich ja immer: wenn der zuständige Menschen-Metzger-Priester mal verschlafen hat, und die Sonne trotzdem von allein aufging … ob er sich nicht etwas überflüssig vorkam?
Aber wie auch immer: der Himmel war trotz (oder gerade wegen) seiner Unantastbarkeit immer das ultimative Erlebbarmachen von religiöser Ehrfurcht und Gebanntsein.
Heute ist der Himmel ausgerechnet. Man kann jetzt innerhalb von Minuten rauskriegen, dass am Geek Pride Day 2029, also am 25.05.29, der zunehmende Mond vom Voerder Bahnhof aus betrachtet um 23:39 Uhr exakt im Süden steht. Der Himmel ist offiziell entmythologisiert, und die letzten Ausflüchte in transzendente Gefilde können nur noch auf dem Rücken von Quantentheorien unternommen werden.
Und dafür sollten wir dankbar sein. Dass uns nachprüfbares Wissen zur Verfügung steht. Dass Wissen eine Welt mit Nachvollziehbarkeit schafft. Antworten liefert, bevor Fragen unbeantwortet bleiben. Dass wir unabhängig sind von dem Ideenreichtum ideologischer Theoriefindungen und Weltraumwetterdeutungen sind.
Wir leben in einer Welt, die uns die Sinnfrage unserer eigenen Einstellung überlässt und die wir unabhängig von unserer naturhaften Umwelt entwickeln können.
Und mit dieser Dankbarkeit im Hinterkopf ist ein Blick in den Himmel…
…nochmal so schön.
Autor:Timothy Kampmann aus Wesel |
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