Kreis Wesel gibt Kriminalstatistik für 2020 heraus
Häusliche Gewalt auf niedrigstem Stand seit zehn Jahren

Von links: Volker Flaß, Ingo Brohl und Rüdiger Kunst. | Foto: RaV
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Die Zahlen der Kriminalstatistik für das Jahr 2020 präsentierten am Donnerstag Landrat Ingo Brohl, Abteilungsleiter der Polizei Rüdiger Kunst sowie der Leiter der Direktion Kriminalität, Volker Flaß. Insgesamt kam Brohl in seiner Einleitung zu dem Ergebnis einer positiven Entwicklung der Zahlen, sah aber bei einigen Delikten Verschiebungen.

So lag die Anzahl der gesamten Straftaten bei 23955, etwa auf dem gleichen Niveau wie 2019, jedoch etwa 11000 niedriger als noch vor zehn Jahren. Seitdem zeigt sich ein stetiger Abwärtstrend der Delikte, bis auf das Jahr 2016.

Eine der überraschendsten Entwicklungen bot sich im Bereich der häuslichen Gewalt, die sich innerhalb des Kreises Wesel zahlenmäßig auf dem niedrigsten Stand der letzten fünf Jahre befand, während die Anzahl der Fälle NRW-weit um 7,7 % angestiegen ist. So kam es zu 472 Strafanzeigen gegenüber 507 im Jahr 2019. In 295 Fällen wurde ein Rückkehrverbot ausgesprochen, so dass der Gewalt ausübende Teil für mindestens zehn Tage der ehelichen Wohnung verwiesen wurde.
Auch die Aufklärungsquote der Straftaten insgesamt bewegt sich mit über 50 % auf einem relativ hohen Niveau und setzt so den Trend der vorhergehenden fünf Jahre fort.
Ebenfalls ein Abwärtstrend zeigt sich bei den Diebstahlsdelikten, deren Zahl sich seit 2016 nach unten bewegt und 2020 bei 4921 besonders schweren Fällen und 4714 einfachen Diebstählen lag.

Zahl der Wohnungseinbrüche weiter gesunken

Hierbei sind sowohl Diebstähle von und aus Kraftfahrzeugen (120/ 1241)), Fahrrädern (1692), als auch Laden- und Taschendiebstahl (1009/ 583) berücksichtigt. Die Zahl der Wohnungseinbrüche ist weiter auf 657 gesunken.
„Das“, so Flaß, „schreiben wir unter anderem unseren Präventionsmaßnahmen in Form von Aufklärung über Diebstahlschutz in Zusammenarbeit mit der regionalen Handwerkerschaft zu“. So sei beispielsweise jeder Bauherr aufgerufen, sich bei Fragen zum Einbruchschutz vertrauensvoll an die Polizei zu wenden. „So bekommt er eine kostenlose Beratung“, verspricht der Kriminaldirektor. Brohl ergänzt, dass es ja nicht nur um die entwendeten Wertgegenstände gehe, sondern noch schlimmer sei die Verletzung der Intimsphäre und des subjektiven Sicherheitsempfindens.
Einen Anstieg verzeichnet der Kreis Wesel bei den Betrugsdelikten, welche sich zum großen Teil vom analogen auf den Onlinebereich verlagert haben. So waren es im Jahr 2020 2632 Betrugsfälle insgesamt gegenüber 2098 im Jahr zuvor. Allerdings gab es hierbei seit 2013 einen relativ stabilen Abwärtstrend.
Ein großer Teil der Betrügereien geschieht zum Nachteil älterer Menschen. Hier seien der bekannte Enkeltrick oder der Anruf angeblicher Kriminalbeamter zur Verhinderung von Straftaten und der sicherheitshalben Übergabe von Wertgegenständen oder Bargeld an diese erwähnt.

Mit älteren Familienangehörigen über Gefahren reden

„Diese Täter gehen mit äußerster Professionalität vor“, weiß Kunst zu berichten und geht damit auf Bürger ein, die mit Unverständnis auf das Verhalten der Opfer reagieren. „Man hört immer wieder, das könnte mir nicht passieren. Allerdings bauen die Täter einen solchen emotionalen Druck auf die potenziellen Opfer auf, dass diese ihre anerzogene Hilfsbereitschaft gefordert sehen“. Zudem würden die üblichen Merkmale des Älterwerdens, wie „schlecht hören“ oder Vergesslichkeit ausgenutzt. So finde man die Opfer in allen Gesellschafts- und Bildungsschichten. Im Jahr 2020 seien 1028 Versuche, davon 57 vollendete angezeigt worden.
Kunst geht von einer höheren Dunkelziffer aus. „Viele Versuche werden erfahrungsgemäß nicht angezeigt, weil eben noch nichts passiert ist“. Bei erfolgreichen Versuchen spiele zudem bei vielen Opfern Scham eine Rolle.
Aber auch hier habe man Aufklärungskampagnen gestartet, in die Apotheken, Banken, Radio KW und Printmedien involviert seien. Auch gab es im letzten Jahr acht Präventionsveranstaltungen mit insgesamt 282 Teilnehmern, wobei weitere aufgrund der Pandemie entfallen mussten. Außerdem bittet Kunst Familienmitglieder, auf ihre älteren Angehörigen einzuwirken und Gespräche zur Aufklärung mit ihnen zu führen, um sie vor solchen Straftaten zu bewahren.
Etwa gleichbleibend war die Zahl bei der Rauschgiftkriminalität. Hier wurden 1303 Fälle verzeichnet. Sechs Cannabis Plantagen wurden im Kreisgebiet sichergestellt, aber auch bei der Sicherstellung von eingeführtem Rauschgift wurden gute Ergebnisse verzeichnet und viele Täter ihrer Strafe zugeführt.

Messer in der Tasche ...

Einen eben solchen Gleichstand bietet die Straßenkriminalität mit 6512 Straftaten. Mit 789 Gewaltdelikten sind auch die Höhe dieses Bereiches und die Aufklärungsquote mit 82,3 % in etwa gleichgeblieben. An der Kriminalitätsentwicklung insgesamt hat die Gewalt einen Anteil von 3,29 %
Mit sieben vollendeten oder versuchten Totschlägen sowie drei versuchten oder vollendeten Morden lag die Zahl der Tötungsdelikte zwar niedriger als 2019, allerdings höher als in den Jahren zuvor.
„Früher hätte nie jemand eine Waffe mit sich getragen“, glaubt Kunst den Grund dafür zu kennen, „Heute gehört das Messer in der Tasche fast zur Standardausrüstung“.
Zurückgegangen ist die Zahl im Bereich Raub. Hier kam es zu insgesamt 146 Vorfällen.
Außerdem gab es 594 schwere und 1797 leichte Körperverletzungen. Von den Tatverdächtigen bei den schweren Körperverletzungen waren 47 Kinder bis 13, 73 Jugendliche von 14 bis 17, 63 Heranwachsende von 18 bis 20 und 423 Erwachsene über 20 Jahre. In Abstimmung mit den Staatsanwaltschaften wurden im Jahr 2020 31 Minderjährige als Intensivtäter eingestuft, davon ein Kind, 14 Jugendliche und 16 Heranwachsende.

Kinder schützen, nicht wegsehen

Bei den Straftaten allgemein wurden 2253 von nichtdeutschen Straftätern begangen. Das waren mit 23,6 % 0,9 % weniger als noch 2019. Hierbei handelte es sich um 1898 Erwachsene, 144 Heranwachsende, 151 Jugendliche und 60 Kinder. Von den 2253 nichtdeutschen Straftätern waren 145 Asylbewerber.

Einen weiteren Bereich der Kriminalität stellen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung dar. Hier kam es zu 389 Fällen entgegen 269 im Jahr 2019. Hierunter fallen Vergewaltigung und schwere sexuelle Nötigung (39), sexuelle Nötigung (18), Exhibitionismus (49), sexueller Missbrauch von Kindern (64) sowie Umgang und Besitz kinderpornografischer Schriften (101).
Sexuelle Delikte, auch der Missbrauch von Kindern, führen durch alle Gesellschaftsschichten.
Deshalb äußert der Landrat Ingo Brohl die eindringliche Bitte, nicht wegzuschauen, sein Umfeld zu beobachten und mit diesen Beobachtungen nicht hinterm Berg zu halten, um die zu schützen, die am wehrlosesten sind.

Autor:

Randolf Vastmans aus Xanten

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