Ein Hauch von Melancholie...
liegt über dem Niederrhein.
Wenn der graue Himmel – Regen verheißend – beinahe die Erde berührt, liegt eine ganz besondere, leicht schwermütige Stimmung über dem Land. November! Der Monat der Besinnung und des zur Ruhe kommen. Ein letztes Atemholen, bevor der Trubel der Weihnachtszeit losgeht.
Ich mag diese Stimmung. Wenn die Nebelfeuchte aus den Bäumen tropft, die Blätter wie achtlos weggeworfen auf den Wegen liegen und die Dohlen in großen Schwärmen über die Felder fliegen, wenn die Natur die letzten Vorbereitungen für den Winterschlaf trifft. Das Jahr neigt sich langsam dem Ende zu – und man fragt sich, wo die Monate geblieben sind. Der Tagesablauf scheint sich zu entschleunigen, ein wenig Jahresendzeitstimmung macht sich breit.
Jetzt kommt wieder die Zeit, wo es mir wichtig ist, dass die Kerze auf dem Grab brennt. Ein kleines Licht in der Dunkelheit – oder, wie eine liebe Freundin sagt: Ein Zeichen, dass jemand zu Hause ist.
Auch hier, auf dem Friedhof, spürt man die Veränderung. Die bunten Sommerblumen sind der Herbstbepflanzung gewichen. Eriken statt fleißiger Lieschen. Herbstlich anmutende Gestecke statt Geranien in den Blumenschalen. Noch stehen Schnittblumen in vielen Vasen, doch nicht mehr lange, dann werden Tannenzweige und Trockensträuße ihren Platz einnehmen.
Und doch: Gerade hier gibt es immer wieder kleine Farbtupfer im grauen Einerlei. Hier lugen Hornveilchen oder Stiefmütterchen zwischen langweiligem Heidekraut hervor, dort leuchten aus einem Gesteck pinkfarbene Perlen. Kleine „Highlights“, die sich wohltuend gegen das Grau abheben.
November! Der Monat des Gedenkens. Allerheiligen, Volkstrauertag, Ewigkeitssonntag. Von Staat und Kirche verordnete Tage der Trauer. Braucht man die? Ich glaube nicht. Wer das Bedürfnis hat, wird auch so zum Friedhof gehen. Und wer nicht, der eben nicht.
Wer seine Verstorbenen nicht im Herzen trägt, der wird sie auch auf dem Friedhof nicht finden.
Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.
(Rainer Maria Rilke)
Autor:Siglinde Goertz aus Uedem |
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