Ausbildung in Zeiten der Pandemie
Chancen im fünften Quartal

Ein Speed-Dating für den Job wie in Mülheim 2019 konnte es wegen Corona nicht geben. Firmen und Ausbildungswillige finden digital zusammen.. | Foto: Walter Schernstein
  • Ein Speed-Dating für den Job wie in Mülheim 2019 konnte es wegen Corona nicht geben. Firmen und Ausbildungswillige finden digital zusammen..
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Anfang November zogen die Partner am Ausbildungsmarkt in Mülheim - die Agentur für Arbeit, das Jobcenter, die IHK zu Essen, die Kreishandwerkerschaft, der Unternehmerverband und der DGB - gemeinsam eine Zwischenbilanz und machten deutlich: hier geht noch was! Corona hat das Geschehen am Ausbildungsmarkt verschoben und so ziehen die Konsenspartner erst heute eine finale Bilanz.

Die Botschaft Anfang November während der gemeinsamen Zwischenbilanz der Mülheimer Ausbildungsmarktpartner war deutlich: das Ausbildungsjahr ist noch nicht vorbei - Chancen werden im sogenannten 5. Quartal (Oktober bis Dezember) und sogar darüber hinaus noch bis Ende Januar vorhanden sein. Denn die Corona-Pandemie hat durch vielfältige Widrigkeiten das Zusammenfinden von Unternehmen und angehenden Auszubildenden zeitlich verschoben.

Die Ausbildungsmarktpartner reagierten schnell auf diese Entwicklung und stellten neue Online- Angebote sowie digitale Lösungen zur Verfügung.

Jugendliche online erreicht

Christiane Artz, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit Oberhausen, zieht Bilanz: „Erfreulicherweise hat unser Appell zumindest einige Jugendliche und Betriebe erreicht. Dies erkennen wir im Vorjahresvergleich. So meldeten sich bei der Berufsberatung rund 50 weitere Jugendliche, die noch für das aktuelle Ausbildungsjahr eine Ausbildungsstelle suchen – etwas mehr als im Vergleichszeitraum 2019. Zudem konnte der Arbeitgeber-Service 65 neue Ausbildungsstellen akquirieren – im Vorjahr waren es nur 20. Das ist ein tolles Signal der Unternehmen, die trotz der riesigen Herausforderungen in Pandemiezeiten den Wert einer Ausbildung im Hinblick auf die Fachkräftesicherung unterstreichen. Aktuell befinden wir uns im Grunde schon in einem fließenden Übergang zum neuen Ausbildungsjahr. Auch dieses wird sicherlich noch stark unter dem Einfluss der Corona-Pandemie stehen.“

Im fünften Quartal 2020 meldeten sich 54 junge Menschen aus der Berufsberatung ab und nahmen eine Berufsausbildung auf. Das waren 18 mehr als im selben Zeitraum 2019 (+ 50,0 Prozent). Am Ende des fünften Quartals blieben aber auch noch 34 Ausbildungsstellen unbesetzt und 86 Bewerberinnen unversorgt.

„Im sogenannten „fünften Quartal“ konnte das Jobcenter 32 Bewerber unterstützen, noch eine Ausbildungsstelle anzutreten oder an anderer Stelle fortzuführen. 28 Jugendliche und junge Erwachsene haben eine neue Ausbildung begonnen. Darüber hinaus konnten vier Bewerber nach Ausbildungsplatzverlust ihre begonnene Ausbildung im gleichen Berufsfeld in anderen Betrieben fortsetzen. Insgesamt zeigte sich, wie wichtig das direkte Gespräch in der Phase der persönlichen und beruflichen Orientierung für die Jugendlichen ist. Das Angebot, persönliche Gespräche im Freien (Walk & Talk) zu führen, bestand weiterhin und wurde von den Jugendlichen auch rege wahrgenommen“, erläutert Thomas Konietzka, Leiter des Jobcenters Mülheim an der Ruhr.

Anstieg um 10 Prozent

„Das "5. Quartal" war ein Erfolg. Dank der gemeinsamen Bemühungen ist es gelungen, 48 Ausbildungsplätze mehr zu registrieren als Ende September. Das ist ein Anstieg um fast 10 Prozent. Insgesamt waren zum 31. Dezember 536 Ausbildungsverträge neu registriert, das ist ein Rückgang von "nur" 7,4 ÜBilanz zum Ausbildungsjahr 2020 in Mülheim 7,4 Prozent oder 43 Verträge im Vergleich zum Vorjahreszeitpunkt. Damit schließt das Ausbildungsjahr 2020 alle Corona bedingten Einschlägen zum Trotz mit deutlich positiver Tendenz ab.“ erläutert Franz Roggemann Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung der IHK zu Essen.

Rückgang in beiden Städten

Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Mülheim an der Ruhr - Oberhausen, Barbara Yeboah zieht wie folgt Bilanz „In beiden Städten haben wir für das "5. Quartal“ intensiv geworben und informiert. Im Vorjahresvergleich können wir nur ein kleines Aufholen vermelden. Der Rückgang der eingetragenen Lehrverhältnisse liegt in Mülheim und in Oberhausen gleichauf nun bei 14 Prozent.“

„Zuerst einmal ist es gut, dass es trotz der Corona Pandemie gelungen ist, im sogenannten fünften Ausbildungsquartal, rund 65 zusätzliche Ausbildungsplätze gewonnen zu haben, so sind dennoch eine Reihe junger Menschen ohne einen Ausbildungsplatz geblieben,“ so Dieter Hillebrand, Regionsgeschäftsführer des DGB. „Auch, wenn ich die aktuellen Bemühungen der lokalen Wirtschaft anerkenne, dann ändert das nichts an der Tatsache, dass die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen und Betriebe zu gering ist. Gerade einmal rund jedes fünfte Unternehmen und Betrieb beteiligt sich noch an der dualen Berufsausbildung. Das ist definitiv zu wenig, so Hillebrand weiter. Nach wie vor gilt eine qualifizierte Berufsausbildung als ein wichtiger Einstieg in die Arbeitswelt und verschafft den Unternehmen und Betrieben die Fachkräfte von Morgen.“

Ausbildung trotz Corona

„Trotz der gravierenden Einbrüche in der Wirtschaft aufgrund des Corona-Virus und vor allem dessen Gegenmaßnahmen stehen die Firmen zur Ausbildung. Der weltweite Lockdown über Monate hinweg hat viele Industrieunternehmen stark betroffen, aber auch andere Bereiche wie die Pflege. Liquiditätsengpässe, Ausfälle in den Lieferketten, enorm hoher Aufwand zur Abwehr des Virus, Einrichtung von Homeoffice, Ausfall von Mitarbeitern, die sich um ihre Kinder zu Hause kümmern müssen und Beachtung der exorbitanten Bürokratie rauben jede letzte freie Sekunde bei Arbeitgebern wie -nehmern. Zudem kommen die umweltpolitischen Vorgaben zum beschleunigten Strukturwandel, die gerade auch in Mülheim Spuren hinterlassen. Dafür, dass relativ viele Unternehmen um ihr Überleben kämpfen müssen, ist Gott sei Dank der Rückgang an Ausbildungsplätzen noch relativ gering. Das zeigt das enorme Engagement der Unternehmen für den Nachwuchs, zumal der Aufwand in Corona-Zeiten, Auszubildende zu finden, noch gestiegen ist. Wir benötigen allerdings dringend eine politische Strategie, in Zukunft mit dem Virus zu leben, um die Unsicherheit zu beenden. Die Jugendlichen ermuntern wir, trotz aller Widrigkeiten der Pandemie sich um einen Ausbildungsplatz zu bewerben“, erklärt Elisabeth Schulte, Mitglied der Geschäftsführung des Unternehmerverbandes Ruhr-Niederrhein.

Kontaktmöglichkeiten

Jugendliche, die Kontakt zur Berufsberatung oder eine Berufsausbildungsstelle suchen, können sich unter der kostenfreien Telefonnummer 0208/8506 112 an die Agentur für Arbeit wenden und einen Beratungstermin vereinbaren. Weitergehende Informationen gibt es auch auf der Homepage: https://www.arbeitsagentur.de/vor-ort/oberhausen/berufsberatung

Unternehmen, die Unterstützung bei der Suche nach Auszubildenden wünschen, erreichen den Arbeitgeber-Service der Arbeitsagentur Mülheim unter der kostenfreien Telefonnummer 0800/4555520.

Zudem finden interessierte Jugendliche wichtige Informationen zum Thema Ausbildung sowie aktuelle Ausbildungsstellenangebote von Unternehmen auf der Internetseite https://my.walls.io/MuelheimBildetAus

Autor:

Andrea Rosenthal aus Mülheim an der Ruhr

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